„Drama, Baby, Drama!“, war nicht nur bei „Germany‘s Next Topmodel“ das Motto mehrerer Staffeln. Der Weggang des Models Bruce Darnell aus der ProSieben-Castingshow hat aber keineswegs für einen Wegfall des Dramas im Deutschen Fernsehen gesorgt. Schließlich wird auch bei „DSDS“ dafür gesorgt, dass regelmäßig die Schnäuztücher ausgepackt werden: Wenn ein junger Kandidat seine vaterlose Vergangenheit rezitiert, diesem einen Song widmet und schließlich als „DSDS“-Sieger hervorgeht. Eine Geschichte wie im Märchen: Trotz mangelnder starker Vaterfigur konnte sich das vom Schicksal gebeutelte Entlein dank seines gottgegebenen Talents gegen die zurückhaltenden Singvögelein durchsetzen und sich zum schönen, bewunderten Schwan mausern.
Auch die zwölfte Staffel ging an einen Kandidaten fernab der Welten von Einhörnern und Regenbögen. Severino Seeger, glückseliger Vater, der seinen eigenen Vater in Teenagerjahren verlor und nun bald wohl wegen neun Betrugsfällen vor Gericht steht, holte sich mit seiner gefühlvollen Stimme den Sieg.
Vom Kandidaten zum Menschen
Wenn in den ersten Castings von „Deutschland sucht den Superstar“ das tragische Klaviergeklimper einsetzt, zu dem die Abschiedsszenen in mittelklassigen Filmen nur zu gut passen, sind dem geneigten RTL-Zuschauer bereits zwei Dinge klar: Erstens folgt nun eine tragische Geschichte von Verlusten, Fehlentscheidungen im Leben, Mobbing oder gescheiterten Musikkarrieren und zweitens erzählt der mögliche Gewinner das Leidenslied über Lug, Trug, Enttäuschung und Schmerz.
Es sind teilweise erschreckend schmerzhafte Schicksale, die die Kandidaten vor Millionen Zuschauern an die Öffentlichkeit tragen. Allgegenwärtige Themen wie Tod, Konflikte mit dem Gesetz, Reue und Einsamkeit werden behandelt – Probleme, die jeder Zuschauer kennt und die Gefühle auslösen. Kandidat Severino kamen beim Performen des Lieblingsliedes seines Vaters vor der Jury die Tränen, auch seine Mentoren um Heino waren ergriffen. Und schon wurde aus dem Kandidaten ein Mensch.
Vom „DSDS“-Thron in die Wüste
Strahlender Sonnenschein, saftgrünes Gras und ein perfektes Zahnpasta-Lächeln scheinen bei „DSDS“ nicht die Attribute zu sein, die einen strahlenden Sieger ausmachen. Dramatisch, verwoben und vielleicht auch gefährlich soll der Gewinner sein: Etwas Bad Boy statt etwas Barbie ist hier das Motto. In der Schule gehänselt, als Musiker gescheitert, vor Gericht zitiert: Die Zuschauer heute wollen nicht nur eine Stimme, sie wollen eine Story. Und am besten eine gute Stimme mit noch besserer Story.
Nicht zur Authentizität, auch Inszenierung ist das Stichwort. Wer von Schmerz singt und seinen Schmerz teilt, wird zum Kämpfer, zur Ikone der Stärke. Severino Seeger öffnete sich dem Zuschauer, sang hochklassig für seinen toten Vater und befriedigte mit seinem eigenen Familienglück den Wunsch der Zuschauer trotz aller Trauer, den Mut für Neues zu erfassen.
Der Trott zum zuweilen sehr kurzzeitigen „DSDS“-Thron mag einer der Momente sein, in denen Hürden zu Himmelstoren werden, jedoch führen Himmelstore nur zu oft zu Luftschlössern. Ähnlich einer Fatamorgana verdunstet der Erfolg der ersten Single in einer Branche, in der neue Talente selten wie Sand in der Wüste sind. In dieser Welt fernab des „DSDS“-Luftschlosses bedeutet eine tragische Kindheit oftmals nicht mehr als eine bemitleidende Schlagzeile in der Yellow Press. Aus dem „DSDS“-Sieger könnte wieder eine tragische Figur werden und der Castingerfolg womöglich nur eine weitere Etappe des Scheiterns, über die der gefallene König dann beim nächsten Castingmarathon sinnieren kann.
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