Als Andreas Gabalier im Sommer 2014 bei einem Formel 1 Rennen in Spielberg die alte Fassung der österreichischen Nationalhymne sang, sorgte das für wochenlange Diskussionen in den Medien. Ein Diskurs über Gleichberechtigung und Frauenfeindlichkeit entfachte von Neuem. Die Reaktionen aus beiden Lagern fielen drastisch aus. Sowohl die ehemalige Familienministerin Maria Rauch-Kallat als auch der VolksRock’n’Roller sahen sich einem regelrechten Shitstorm in den sozialen Netzwerken ausgesetzt.
„Ich bin kein Politiker“
Andreas Gabalier verwies in der Regel darauf, dass er die Hymne in der alten Fassung in der Schule gelernt habe. Ihm ginge es nicht um eine der Frage der Gleichberechtigung, sondern um ein historisches Kulturgut. Entscheidend war für ihn außerdem, dass er kein Politiker sei. Damit hatte der Sänger einerseits Recht. Andererseits ist Politik niemals nur Sache der Politiker. In demokratischen Staaten wie Österreich oder Deutschland kann jeder einzelne durch sein Handeln Einfluss auf die Durchsetzung von Forderungen nehmen – insbesondere, wenn er oder sie in der Öffentlichkeit steht. Auch das ist dann Politik, selbst wenn sie nicht von Politikern gemacht wird.
Stars erreichen im Internet die meisten Menschen
Topstars erreichen in sozialen Netzwerken häufig sogar mehr Menschen als Spitzenpolitiker. So hat Helene Fischer beispielsweise 500.000 Facebook-Freunde mehr als Angela Merkel. Der Aspekt der Emotionalisierung steigert diesen Einfluss noch. Politiker entscheiden tagtäglich, auch über unangenehme Themen. Schlagersänger hingegen berühren vor allem. Sie sorgen mit ihren Melodien und Texten für ein Wohlgefühl und stellen damit das Gegenbild zu vielen Politikern dar, die von der breiten Masse wenig Liebe erhalten. Äußern sich Stars zu Politik, sollte ihnen somit bewusst sein, welche Auswirkungen ihre Aussage hat.
Es kommt auf den Moment an
Dass zu viel öffentliche Meinung auch ins Gegenteil schlagen kann, bewies Christian Anders. Mit zahlreichen Äußerungen zur Bundeskanzlerin, der angeblich gesteuerten Verbreitung von AIDS und dem „Impfwahn“ hat sich Christian Anders einen Ruf als Verschwörungstheoretiker erarbeitet. Seine Äußerungen landen eher in der Rubrik Boulevard, als dass sie das politische Tagesgeschehen der Gemeinschaft beeinflussen. Aufgrund ihres schrillen Auftretens sprechen auch Nina Hagen viele Menschen politische Ernsthaftigkeit ab. Jedoch hat sie es in ihrer Karriere immer verstanden, sich durch gezielte Provokationen und Aktionen für die Themen Gleichberechtigung, Tierschutz und Menschenrechte einzusetzen. Von der Starfigur Nina Hagen erwarten die Massen das auch, denn seit Jahrzehnten nutzt sie ihre Prominenz für politische Ziele.
Die Überraschung steigert den Effekt
Bis vor Kurzem brachten viele Menschen Roland Kaiser wohl kaum mit Politik in Verbindung. Doch Anfang 2015 setzte auch er ein ganz bewusstes Zeichen. Obwohl sich unter den Anhängern der PEGIDA-Demonstrationen viele seiner Fans befanden, sprach sich der Sänger öffentlich gegen die Ziele der Bewegung aus. Einige seiner Fans zeigten sich schockiert. Im Gegenzug gewann er durch diese Aktion viele Sympathien. Das Entscheidende war jedoch, dass Roland Kaiser sich ganz bewusst zu diesem Schritt entschied. Ihm musste das Ausmaß vorher klar sein, doch es war ihm ein Anliegen. Roland Kaiser sah die Chance, etwas bewegen zu können. Und er war sich seiner Verantwortung bewusst, mit den Auswirkungen seines Handelns umzugehen.
Auch Stars können politisch handeln, ohne Politiker zu sein.