Mary Roos & Wolfgang Trepper: „Die Helene Fischer der Bronzezeit“

„Nutten, Koks & frische Erdbeeren“: Roos & Trepper in Hamburg

Hamburg-Nachbericht

In ihrem Programm „Nutten, Koks & frische Erdbeeren – Die Geschichte des Deutschen Schlagers“ nehmen Mary Roos und Wolfgang Trepper im Schmidt Theater in Hamburg das Genre auseinander und liefern zudem ein ganzes Stück Zeitgeschichte.

Mary Roos Wolfgang Trepper
Mary Roos & Wolfgang Trepper nehmen in ihrer Revue den Deutschen Schlager liebevoll auseinander.

„Dat können sie sich sparen, für wenn die olle Primel gleich auf die Bühne geschoben wird“, wehrt sich Wolfgang Trepper gleich zu Beginn des Abends gegen zu viel Applaus. Mit großer Leidenschaft nimmt er die Rolle des Bösen ein und beleidigt schon in den ersten Minuten zahlreichen Helden der „Tralala-Industrie“. Dann bittet er Mary Roos auf die Bühne - „Die Helene Fischer der Bronzezeit“. Kommentarlos intoniert diese direkt „Frau Roos, wie lange wollen sie das noch machen (...) Sind sie die neue Johannes Heesters?“ und schlägt selbstironisch in dieselbe Kerbe. Doch in den folgenden drei Stunden übernimmt Wolfgang Trepper wieder den Part, die 66-Jährige mit ganz viel Liebe zu beleidigen.

Der Schlagerhasser & die Schlagerlegende

„Nutten, Koks & frische Erdbeeren – Die Geschichte des Deutschen Schlagers“ ist das gemeinsame Programm von Schlagerlegende Mary Roos sowie dem Kabarettisten und leidenschaftlichen Schlagerhasser Wolfgang Trepper. Die Aufgabenverteilung ist klar: Der selbsternannte „Pausenclown“ führt durch den Abend und rechnet Jahrzehnt für Jahrzehnt mit den größten Hits und Stars der Schlagerbranche ab. Dazwischen präsentiert die Sängerin mit Live-Band bekannte Songs der 60er, 70er und 80er Jahre und natürlich auch eigene Hits: von „Schuld war nur der Bossanova“ über „Hamburg im Regen“ bis hin zu „Arizona Man“.

Im Gespräch mit ihrem Bühnenpartner plaudert sie nach den musikalischen Einlagen jeweils aus dem Nähkästchen. So kommen viele kleine Anekdoten ans Tageslicht: Zum Beispiel hatte Dieter Thomas Heck für seine Gäste immer ein Gläschen Schnaps parat und Bernhard Brink in den 1970er-Jahren zahlreiche „Tagesabschnittsgefährtinnen“.

Böser Humor: Es gibt keine Grenzen

Dass das dreistündige Programm trotz des klar strukturierten und wiederkehrenden Ablaufs extrem kurzweilig ist, liegt an der Spontanität der beiden Akteure auf der Bühne: Wolfgang Trepper hält sich ganz bewusst an keine Absprachen und bringt Mary Roos immer wieder aus der Fassung. Spontane Gags sprudeln aus ihm heraus. Die Reaktionen seines Publikums hat er genau im Blick und das muss sich warm anziehen, denn vor seinen Sprüchen ist niemand sicher. Für ihn gibt es bei seinen Witzen keine Grenzen. Auch Mary Roos sorgt durch ihre Tanzeinlage mit Peter aus dem Publikum für einen Höhepunkt. Die eingeschränkten Fähigkeiten ihres Tanzpartners entwickeln eine komische Eigendynamik.

Ein Ritt durch die Zeitgeschichte

Wenn Wolfgang Trepper über den Schlager herzieht, liegt das Publikum im Schmidt Theater fast auf dem Boden vor Lachen. Doch die Revue ist mehr als nur eine lustige Abrechnung mit der Schlagerindustrie. Sie ist auch ein Ritt durch die deutsche Zeitgeschichte: „BRAVO“, „Dallas“ und „Denver Clan“, Singlekäufe auf Vinyl und im Radio aufgenommen Mixtapes inklusive. „Es sind die Erinnerungen, die zählen“, sagt Wolfgang Trepper ganz ernst. So findet auch er seinen Zugang zum Deutschen Schlager, der für ihn doch eigentlich „sinnfreies Gedudel“ ist. Immerhin gab es auch einen Schlagerstar, den er immer sehr geschätzt habe: „Der Gott ist ungerecht: Udo Jürgens ist tot und Bernhard Brink ist kerngesund.“

Und zum Schluss ganz viel Mary Roos

Und doch bleibt Wolfgang Trepper noch eine weitere Ikone, denn zum Schluss muss er es einfach zugeben: Mary Roos ist für ihn die ehrlichste, warmherzigste Person im deutschen Showbiz und außerdem auch unfassbar professionell. An diesem Donnerstagabend sei sie eigentlich überhaupt nicht fit genug gewesen für einen Auftritt. Das hat das Publikum jedoch kein bisschen gemerkt. Stattdessen gibt es Standing Ovations und Mary Roos spielt noch drei neue Lieder von sich.

Fazit: Die Stärke von „Nutten, Koks & frische Erdbeeren“ liegt in der Boshaftigkeit, die Wolfgang Trepper mit grenzenloser Freude auf die Bühne bringt und die Mary Roos mit einer lässigen Ruhe an sich abprallen lässt. Abgedroschene Kalauer über Auto klauende Polen dürften beim nächsten Mal gerne wegbleiben. Die spontanen Eingebungen und scharfen Beobachtungen machen den Abend hingegen zu einem besonderen Erlebnis.

Lenne Kaffka
Lade weitere Inhalte ...