Zum ersten Mal in der zehnjährigen Bandgeschichte schafften Stilbruch jetzt mit ihrem neuen Album „Nimm mich mit“ den Einstieg in die deutschen Albumcharts. Aktuell stehen sie mit ihrem dritten Studioalbum auf Platz 79 der Charts. Durch ihre Auftritte als Straßenmusiker haben sie es sich zur Aufgabe gemacht rein akustisch und ohne Verstärker einen vollen Sound aus Cello, Geige, Schlagzeug und Gesang zu entwickeln. Im Interview mit SchlagerPlanet erzählen Sänger und Cellist Sebastian Maul, Geiger Eli Fabrikant und Schlagzeuger Gunnar Nilsson mehr von ihrer Musik, ihrem politischen Engagement und was sie aus ihren Auftritten als Straßenmusiker gelernt haben.
SchlagerPlanet: Im September erschien Euer neues Album „Nimm mich mit“. Wie viel aus Eurem Leben steckt in Euren Songs?
Gunnar: Die Themen der Songs bei unserem neuen Album sind ganz klar von unserem Leben inspiriert. Wir sind offene Menschen, die mit offenem Blick durch ihre Umgebung streifen und vieles aufnehmen. So geht es in den Texten viel um Liebe. Wir alle sind im Übrigen in langjährigen und festen Partnerschaften glücklich vergeben.
Sebastian: Den Song „Komm mit mir“ habe ich meiner kleinen Tochter gewidmet, weil ich so überwältigt von dem Wunder ihrer Geburt war. Einen weiteren Song, „Du lebst in mir“, habe ich einem großen Idol meiner Jugend gewidmet: Rio Reiser. Auch politisch haben wir uns im Lied „Auf Deutschland“ geäußert.
SP: Weshalb habt Ihr Euch dazu entschieden auf Deutsch zu singen?
Sebastian: Deutsch ist unsere Muttersprache und wir sind auch überwiegend im deutschsprachigen Raum unterwegs, daher ist es einfach logisch, dass wir Deutsch singen. Wir hatten in der Anfangszeit der Band auch einige englische Texte, aber wir sind uns nun sicher, dass wir mit deutschen Songs unser Publikum am besten erreichen.
SP: Der Song „Auf Deutschland“ aus Eurem neuen Album stellt einen sarkastischen Gruß an PEGIDA und die AfD dar. Seht Ihr das als nötiges politisches Engagement, um Euch auch in der aktuellen Diskussion zu positionieren?
Sebastian: Da wir aus den Städten Leipzig und Dresden kommen, sind uns die Geschehnisse der letzten beiden Jahre in unserem Umfeld natürlich nicht verborgen geblieben. Auch als wir Eli, der kein gebürtiger Deutscher sondern ein Lette mit jüdischem Glauben ist, dazu bewegen wollten, sich mit uns an einem Montag in Dresden zu treffen, stellte er uns erst einmal die Frage, ob das für ihn denn auch sicher wäre. Das hat uns ganz schön nachdenklich gemacht.
Wir sind einfach erschüttert darüber, dass „normale“ Bürger, die unzufrieden sind hinter beinharten Nazis herlaufen, nur um ihren Protest zu transportieren und sich so missbrauchen lassen. Auch wird die politische Diskussion so hasserfüllt und unwürdig geführt, dass es mich oftmals schaudern lässt. Daher haben wir uns gedacht, wir begegnen diesem Phänomen mit Ironie. Wir haben in dem Song „Auf Deutschland“ das Bild eines Mannes gezeichnet der, ob selbst oder fremd verschuldet wenig Kontakt zu anderen Menschen hat bzw. sucht. Er sehnt sich nach der Zeit, als „sein Deutschland“ noch in Ordnung war, nach einem Führer und einer „Gemeinschaft“. Auch er rennt den „neuen Demagogen“ hinterher, die ihm vorgaukeln, „sein Deutschland“ wieder so zu machen, wie es mal war. Dass diese aber selbst Wölfe im Schafspelz sind, merkt er nicht mehr…
SP: Wie sieht Euer persönliches politisches Engagement aus?
Sebastian: Politisch ist jeder für sich privat in seinem eigenen Rahmen tätig. Ich habe im letzten Jahr z.B. Kleidung und Möbel für ein Asylbewerberheim gespendet und unseren Bandbus zum Transport von eritreischen Flüchtlingen in meine Heimatgemeinde zur Verfügung gestellt. Vor kurzem haben wir bei einem Gastspiel im erzgebirgischen Stollberg 20 Asylbewerber eingeladen, kostenlos das Konzert zu besuchen. Eigentlich wollten wir in der Unterkunft vor Ort spielen, doch das hatte uns die Stadt aus nicht nachvollziehbaren Gründen verwehrt.
SP: Ihr stammt ursprünglich aus der Straßenmusik. Inwiefern hat das Spielen als Straßenmusikanten Euren Sound beeinflusst?
Gunnar: Als Straßenmusiker, die rein akustisch auftreten und keine Verstärker nutzen, haben wir uns der Aufgabe gestellt, allein mit Cello, Geige, Schlagzeug und Gesang einen vollen Sound zu entwickeln. Das erforderte, dass Sebastian und Eli eine neue, nicht unbedingt klassische Spieltechnik entwickeln mussten. Beide spielen nicht wie es solistisch üblich wäre nur einen Ton, sondern 2 und manchmal sogar 3 Töne gleichzeitig, damit ein volles harmonisches Gerüst entsteht und man an Klangfülle nichts vermisst.
SP: Bis zum 10.09. habt Ihr Euch auf einen Straßenmusik-Marathon begeben. Wie seid Ihr dazu gekommen, solch eine 14-tägige Intensivtour zu machen?
Sebastian: Zur Veröffentlichung unseres dritten Studioalbums wollten wir etwas Besonderes machen. Wir wollten in alle Städte fahren, in denen wir über die Jahre schon gewesen sind, um die neuen Songs live so zu unseren Fans zu bringen, wie sie uns ursprünglich kennen – nämlich auf der Straße. Da wir mittlerweile fast alle Familienväter sind, wollten wir das ganze zeitlich ein bisschen raffen, um nicht zu lange von unseren Familien weg zu sein und so haben wir es auf zwei Wochen begrenzt. Damit das Ganze noch einen sportlichen Charakter bekommt, haben wir uns den Marathon als Vorbild genommen und daraus 42 Städte gemacht.
SP: Ihr habt Euer neues Album „Nimm mich mit“ durch Crowdfunding über die Plattform Musicstarter.de finanziert. Für wen sind solche Crowdfunding Plattformen Eurer Meinung nach mehr von Nutzen: den Musikern oder den Fans?
Sebastian: Crowdfunding bietet die wunderbare Möglichkeit für Künstler, notwendiges Geld zu generieren, um kreativ tätig zu werden. Den Fans ermöglicht es, ganz nah und von Anfang an am Entstehungsprozess teilzuhaben. Zum Teil bieten Künstler im Rahmen einer solchen Crowdfunding-Kampagne auch Dinge an, die man so normal nicht bekommen würde – zum Beispiel Meet and Greets, Besuche im Studio oder persönliche Songs des Künstlers für den Fan. Insofern ist das eigentlich für beide Seiten ein ideales Format.