Letzte Woche haben wir Euch die Anfangsjahre des deutschen Schlagers in Zeiten der goldenen 20er vorgestellt. Heute begeben wir uns in nicht ganz so goldene Zeiten. Für viele damalige Schlagersänger bedeutete die Machtergreifung Hitlers und die damit verbundenen politischen Veränderungen das Ende ihrer Karriere und manchmal sogar ihrer Existenz.
Tote Musik
Mit der politischen Wende ging auch ein künstlerischer Themenwechsel einher, der neben Kunst und Literatur auch die Schlagermusik gehörig beeinträchtigte. Viele Rundfunkstationen wurden gesperrt, Film- und Schallplattenproduktionen fielen unter staatliche Aufsicht. Der Charme und Witz von der Musik der Comedian Harmonists verschwand aus den Radios und sogar von den Bühnen. Da es sich dabei um jüdische Musiker handelte, erhielten sie Auftrittsverbot. Viele Sänger und Sängerinnen wurden in den Kriegsjahren inhaftiert und umgebracht. So zählte auch der Autor des berühmten „Ich hab das Fräulein Helen baden sehn“ Fritz Grünbaum zu den Opfern des Nationalsozialismus.
Themenwechsel
Anstelle der frivolen und lustigen Schlagermusik traten nun, textlich betrachtet, eher harmlosere Lieder, die es aber dennoch in sich hatten. Da sich seit den Anfängen der 20er Jahre der Rundfunkbetrieb exzellent dafür eignete möglichst breite Massen zu erreichen, wurden für die Propagandazwecke der Nazis sämtliche Künstler eingespannt. Die aus Schweden stammende Zarah Leander galt bald schon als Aushängeschild der Propaganda. Erwartet man nun allerdings, dass ihre Lieder von brutalen Hetztexten lebten, so wird man eines Besseren belehrt. Die Werbung in der Musik für die Nazis fand nämlich unterschwellig statt. Leander war dafür bekannt, dass sie ihre Musik mit viel Sentimentalität und Pathos ausstattete. Und genau damit traf sie den Nerv der Zeit!
Gewissermaßen unbeabsichtigt arbeitete Zarah Leander mit ihrem Erfolgslied „Gebundene Hände“ aus dem Jahr 1936 den Nationalsozialisten direkt zu. Die Folge für den Schlager? Das Vokabular der Texte wies enorme Veränderungen auf. Hitler und Goebbels ließen in ihren Reden die Luft regelrecht scheppern, indem sie immer einen Bezug auf Heimat, Schicksal und Wunder angaben. Gerade diese Wörter etablierten sich ab Mitte der 30er regelrecht zu Standardvokabeln des deutschen Schlagers. So wurde auch das Lied „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“ von Goebbels in Auftrag gegeben und von Zarah Leander eingesungen.
Die Jahre danach
Mit dem Kriegsende begannen 1949 auch wieder die Plattenfirmen zu produzieren. In dieser Zeit sind regelrechte Klassiker entstanden, die sich bis heute als Karnevals- und Partyschlager durgesetzt haben. Eines der bekanntesten Schlagerlieder von damals stammt aus der Feder von Jupp Schmitz. „Wer soll das bezahlen?“ klingt auch heute noch nach einem lustigen Liedchen, damals konnte man dem aber eine tiefere Bedeutung beimessen. Schließlich war Deutschland hauptsächlich damit beschäftigt, den Wiederaufbau und die Wirtschaft des Landes voranzutreiben. Auch die Lieder eines der ersten deutschen Schlagerstars, Bully Buhlan, handelten von den Problemen, die mit der Nachkriegszeit einhergingen. So thematisierte er die Blockade West-Berlins in „Ich hab‘ noch einen Koffer in Berlin“ und die Probleme der Lebensmittelversorgung in „Ich hab‘ so Sehnsucht nach Würstchen mit Salat“. Aber in schwierigen Zeiten schadet etwas Ironie und eine Portion Sarkasmus eigentlich nie.
Und was passierte dann?
Als es mit Deutschland und seiner Wirtschaft wieder bergauf ging, hatte das auch Einfluss auf den deutschen Schlager. Es entstand etwas, das sich Italien-Schlager nannte. Was es damit auf sich hatte, erfahrt Ihr in der nächsten Ausgabe von „Schlager im Wandel der Zeit“.