Was wird aus dem klassischen Schlager?
Helene Fischer bricht mit Dance-Beats sämtliche Rekorde, Andreas Gabalier gibt den VolksRock‘n‘Roller und der „Stadl“ setzt auf eine Verjüngungskur. Allein diese Beispiele zeigen: Der deutsche Schlager verändert sich. Wohin führt der Weg?
Deutsche Schlager – das waren einmal schöne Melodien und Texte über große Gefühle, Fernweh und das wunderbare Leben. Sie legten sich auf ein Bett aus weichen Streichern und zarten Arrangements. Seit längerer Zeit paaren sich die Lieder aber immer häufiger mit wummernden Dance-Beats und aktuellen Popsounds. Stirbt der klassische Schlager nun aus? Existiert bald nur noch der Pop-Schlager?
Was ist klassischer Schlager?
Bei genauerer Betrachtung dieser Fragen fällt eine Tatsache schnell auf: Fast alle Deutschen haben eine Vorstellung davon, was unter dem Begriff „Schlager“ zu verstehen ist. Allerdings gibt es nicht mal in der Wissenschaft eine einheitliche Definition, was dieses Genre genau auszeichnet. Der Musikwissenschaftler Peter Wicke verweist sogar darauf, dass sich der Schlager schon immer gerne bei Sounds und Rhythmen aus der jeweils aktuellen Popmusik bedient hat.
In den 1950er Jahren waren das zum Beispiel Tanzmusik aus Übersee wie Salsa oder Cha-Cha-Cha, aber auch Boogie-Woogie. Heute dominieren hingegen rockige oder elektronische Sounds. Vor allem in Phasen, in denen viel deutschsprachige Musik die Charts stürmt, ist eine klare Unterscheidung zwischen Schlager und Popmusik, Schlagerpop und Pop-Schlager nur schwer zu treffen.
Deutsche und deutschsprachige Künstler dominieren die Charts
In genau solch einer Phase befinden wir uns aktuell. Deutschsprachige Songs stehen hoch im Kurs. Ende Juni belegten ausschließlich deutschsprachige Veröffentlichungen die Top 10 der deutschen Album-Charts. „Made in Germany“ ist wieder ein Erfolgsrezept und alle wollen dabei sein. Auch Sarah Connor singt jetzt in ihrer Muttersprache. Ist das noch Pop oder doch eher schon Schlager? Beispiele hierfür hat es auch schon vor längerer Zeit gegeben: Peter Maffay, Klaus Lage oder Matthias Reim bewegten sich schon immer zwischen den Genres Rock und Schlager. Auch Pur oder die Münchener Freiheit ersangen sich in den 1990er Jahren eine riesige Fanbase im Grenzbereich zwischen Popmusik und Schlager.
In den letzten Jahren haben Bands wie Silbermond oder Sänger wie Tim Bendzko, Andreas Bourani und Johannes Oerding mit ihren gefühlvollen Liedern und Texten wieder dichter an den Schlager herangeführt – und damit auch ihre recht jungen Fans.
Schlager und Popmusik nähern sich an
Gleichzeitig hat sich auch der Schlager weiter an die Popmusik angenähert. Seit der Jahrtausendwende setzten Künstler häufig auf Dancefloor-Sounds und Rhythmen. DJ Ötzi coverte sich fröhlich durch die Popgeschichte und scheute sich auch nicht vor der englischen Sprache. Michael Wendler oder Nik P. setzten häufig auf Synthesizer. Und Andreas Gabalier bediente sich nicht nur optisch beim König des Rock ‘n‘ Rolls. Spätestens durch Helene Fischer kamen Pop-Schlager und Schlagerpop auch wieder im Mainstream an.
Nicht nur frische Gesichter wie Wolkenfrei oder Beatrice Egli, sondern auch alte Helden wie Jürgen Drews, Roland Kaiser oder Howard Carpendale klingen auf ihren aktuellen Alben erstaunlich poppig und begeistern die Massen. Wenn jetzt auch im volkstümlichen Schlager beim „Musikantenstadl“ die Verjüngungskur ansteht, befürchten die Anhänger des Bewährten, dass der klassische Schlager vielleicht aussterben könnte.
Ein Stück heile Welt bleibt
Ein Blick auf die bisherige Musikgeschichte kann diese Angst allerdings schnell abschwächen: Populäre Musik hat sich bisher meistens in Wellen und Trends entwickelt. Auf großen Wellen des Erfolgs wollten schon immer besonders viele Künstler mitschwimmen. Poppige Sounds haben dem Schlager zu einem enormen Comeback verholfen und so setzen im Moment besonders viele Sängerinnen und Sänger auf diese Klangfarbe. Meistens kam nach dem Abebben einer Welle jedoch eine ziemlich gegensätzliche Strömung in Fahrt. In der Musik war noch nie etwas auf ewig in Stein gemeißelt und die unterschiedlichen Stile entwickelten sich immer schon weiter. In der Regel verschwanden die Genres aber nie komplett, sondern bloß aus dem Mittelpunkt des gesellschaftlichen Interesses. In ihrer Nische lebten die Lieder und ihre Interpreten aber erfolgreich weiter.
Diese Erfahrung machte auch der Schlager schon mehrfach. Fest steht außerdem auch: Textlich hat der Schlager vieles bewahrt. Manchmal mag er etwas moderner oder auch direkter klingen, wie zum Beispiel in Linda Hesses „D+B+E+A“. Meistens erzählt er aber weiterhin die Geschichten von Liebe, Glück und Harmonie. So poppig der Schlager auch klingen mag, die Sehnsucht nach einer heilen Welt wird nie komplett aus ihm verschwinden.
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