Kein Schlager im Reich der Dauerzapper
Auf einer Autofahrt wechselt die Generation „Dauerzapper“ gerne ein dutzendmal den Sender. Auf eine UKW-Frequenz mit Schlageranteil werden sie kaum treffen. Es lebe die Vielfalt – aber eben nicht, wenn es um Schlager geht?
Schlager ist massentauglich. 80.000 bei einem Helene Fischer-Konzert. Vier Millionen vor dem TV. Bei Florian Silbereisen. Bei Carmen Nebel. Bei Stefan Mross. Das ist kein Zufall. Zufällig läuft im UKW-Radio hingegen kaum Schlager. Ein Imageschaden werde befürchtet, hieß es von Seiten des Bayerischen Rundfunks. Eine Aussage, die dramatischer klingt als sie gemeint war.
Mit seiner Äußerung bezog sich der Bayern 3-Programmchef Walter Schmich nämlich eher auf die Begebenheiten bei den Radiostationen als auf den Schlager an sich. Es sei einfach keine Radiostation so konzipiert, dass der Schlager dort ein wohliges Zuhause finden könne. Aber ist das wirklich besser? Warum wird der Schlager wie ein ungebetener Gast, der mal betrunken zu Karneval zu Besuch kommt, behandelt? Können rund sechs Millionen Menschen irren, die sich 2014 und 2015 die „Helene Fischer Show“ ansahen? Die den Schlager sogar zur heiligen Weihnacht in ihre Mitte ließen?
Kein Schlager im UKW-Radio
Was hat der Schlager an sich, dass er nicht einmal in homöopathischen Dosen im UKW-Radio laufen darf? Stets gescholten und kritisiert die Texte im Schlager: „Und jetzt, Allerliebste, nimm mich in Deine liebevollen Arme und küsse mich unter dem Licht von tausend Sternen!“ Im Falle von Schlager ist das Gejaule bei solchen Sätzen groß. Aber halt – dabei handelt es sich um eine Übersetzung der Lyrics von Brit-Songwriter Ed Sheeran. So geht es übrigens weiter: „Leg Deinen Kopf auf mein schlagendes Herz“ – Beim Schlager käme jetzt zumindest noch der obligatorische Reim mit „Schmerz“.
Ein ebenfalls altbekannter Vorwurf: der Plastikklang. Synthesizer statt Orchester. Discofox-Einheitsbrei statt musikalische Vielfalt. Angesagte Radio-Titel aus dem Dance- oder Housemilieu begeistern natürlich vor allem durch ihre musikalische Vielschichtigkeit. Themen wie Lebensmut, positive Energie und vor allem die Liebe werden dort natürlich nicht durch tragende Beats, Dancesounds und elektronische Klänge vorangetrieben. Und zum Thema Plastikklang: Die Ensembles, die mit Roland Kaiser oder Helene Fischer auftreten, haben diese Diskussion sicher nicht verdient.
UKW-Radio beugt sich Einheitsgedudel
Anstatt sich in alte Korsetts zu quetschen und stur auf althergebrachten Entwicklungen zu beharren, sollten sich die Sender fragen, wie hat sich der Schlager mit seinem Publikum verändert? Fünf Schlageralben regierten kürzlich die Album-Charts, ARD, ZDF und RTL boxen sich um Helene Fischer als wäre sie die letzte Quotenrettung. Warum zieht das Radio nicht nach? Im Radio, als Begleitmedium, geht es oftmals darum, möglichst wenige Ausschaltimpulse zu bewirken. Am besten scheint ein Einheitsgedudel, das keinen abschreckt: Nicht jeder mag Schlager, aber auch nicht jeder mag 50 Cent, David Guetta oder Rihanna. In Zeiten der Dauerzapper, immer nach der Suche nach dem musikalischen Optimum, sorgen nun einmal jegliche Künstler für einen Senderwechsel.
Vielleicht schaltet der ein oder andere wegen Helene Fischer (oder wegen 50 Cent, David Guetta oder Rihanna) um, umso mehr werden einige hingegen froh sein, vom Internetradio wieder zum UKW-Radio umzusiedeln.
Sorgt Helene Fischer für einen Imageschaden?
Das Radio in Deutschland muss sich regelmäßig Vorwürfen stellen: Vielfalt werde zu wenig gefördert, die Hörerwünsche nicht abgebildet. Peter Maffay ging diesen Worten auf den Grund – mit überraschender Ehrlichkeit bezüglich Helene Fischer.