Norbert Rier: „Traditionelle Volksmusik stirbt nicht aus“

Norbert Rier im Interview über das Aussterben der Volksmusik

Im Interview

Gestern veröffentlichten die Kastelruther Spatzen ihr neues Album „Heimat – deine Lieder“, eine Hommage an Klassiker der Volksmusikgeschichte. Und das in Zeiten, wo die Volksmusik angeblich ausstirbt…

Norbert Rier Interview
Norbert Rier, Frontmann der Kastelruther Spatzen.

Seit über 40 Jahren stehen die Kastelruther Spatzen bereits gemeinsam auf der Bühne, beinahe so viele Studioalben haben sie veröffentlicht und noch immer ist der Hype um die Volksmusiker nicht abgebrochen. In Zeiten von VolksRock’n’Roll und Co., haben die Spatzen mit „Heimat – deine Lieder“ gestern ein Coveralbum veröffentlicht, das die alten Volksmusik-Klassiker neu aufleben lässt. Wir haben Norbert Rier, Frontmann der Kastelruther Spatzen, zum Interview getroffen und mit ihm unter anderem über das angebliche Aussterben und den Wandel der klassischen Volksmusik gesprochen.

„Andrea Berg, Helene Fischer und Andreas Gabalier sind wichtig für die Schlagerszene“

13 mal haben die Kastelruther Spatzen in ihrer Karriere den „ECHO“ gewonnen, 2014 und 2015 waren andere an der Reihe. Santiano, Andreas Gabalier, Helene Fischer oder Andrea Berg heißen die Kollegen, die heuer mit modernen Interpretationen von Volksmusik und Schlager auf sich aufmerksam machen. Kein Grund für Norbert Rier sich Sorgen um die Zukunft seiner Spatzen zu machen: „Andreas Gabalier hat wahnsinnig viel moderne Musik, hat das Ganze verjüngt und die Trachten haben dazu beigetragen das noch erfolgreicher zu machen. Auch Helene Fischer und Andrea Berg haben dazu viel beigetragen, die ganze Schlagerszene in Schwung zu bringen. Es gibt Höhen und Tiefen und Zeiten, wo die Musik out erscheint und wieder in ist. Mittlerweile haben viele junge Leute zugegeben, dass ihnen diese Art von Musik auch gefällt und bei der sie mitmachen.“

Mit Helene Fischer und Co. bekommt die Branche neuen Schwung, gleichzeitig stirbt damit aber die traditionelle Volksmusik und der klassische Schlager aus, hieß es in den vergangenen Jahren immer mal wieder. Kaum zu glauben, schaut man sich beispielsweise den Erfolg des Duos Die Amigos an. So sieht das auch Norbert Rier: „Nein, aussterben tut die traditionelle Volksmusik sicher nicht. Zum Beispiel braucht und genießt jeder die Musik auf dem Oktoberfest oder auf anderen großer Veranstaltungen. Schlager werden bei Radiosendungen oft gewünscht und man sollte nicht mit Scheuklappen durchs Leben gehen und die Wünsche der Konsumenten und des Publikums ignorieren.“

In diesem Jahr feiern die Kastelruther Spatzen bereits ihr 44. „Spatzenfest“ und noch immer kommen tausende Fans nach Südtirol, um dieses gemeinsam zu feiern. Solange bei den Konzerten kein Besucher-Abbruch zu merken ist und die Fans die Musik hören wollen, gibt es also keinen Grund an ein Aussterben der Volksmusik zu denken.

Norbert Rier Interview
Die Kastelruther Spatzen feiern in diesem Jahr ihr 44. „Spatzenfest“.
©Electrola

„Manchmal hat man das Gefühl, Deutschland schämt sich für deutsche Musik“

Gerade die TV-Formate haben die Modernisierung und Verjüngung in den vergangenen Wochen und Monaten zu spüren bekommen. Angefangen von „Wetten, dass…?“ bis nicht zuletzt zum „Musikantenstadl“, der jetzt mithilfe von modernen, jungen Anglizismen zur „Stadlshow“ gemacht wurde. Die Quoten der ersten Sendung allerdings haben gezeigt, dass das Publikum die Wünsche der TV-Macher zumindest in diesem Fall nicht teilt. Die Sendung war wirklich zum Teil peinlich, auch von der Kulisse her. Es ist gut wenn man neue Künstler hat, aber wenn man dann alles umwirft, dann kann das nicht gut gehen. Wenn so viel publik gemacht wird, müsste das wahnsinnige Einschaltquoten haben, aber das Gegenteil war der Fall. Es war die schlimmste Einschaltquote vom ,Musikantenstadl´“, so Norbert Rier.

Für die Zukunft der „Stadlshow“ wünscht er sich mehr wieder mehr Fokus auf der Musik: „Hoffen wir, dass sie daraus gelernt haben. Die Moderatoren waren ja gut. Im Vordergrund sollte auch nicht der Moderator stehen, sondern die Musik und die Künstler. Die sollen sich präsentieren und es soll unterhaltsam sein. Manchmal hat man das Gefühl, dass speziell Deutschland sich schämt, deutsche Musik zu spielen, im Vergleich sind Italien und Frankreich sehr patriotisch.“

Spatzen veröffentlichen Coveralbum „Heimat – deine Lieder“

Tradition, Heimat und die damit verbundene Musik, das ist es, was den Kastelruther Spatzen wichtig ist. Sie schwimmen entgegen dem Strom und bringen das zurück in die Ohren der Musikliebhaber, was noch immer als Kulturgut gilt: alte Klassiker der Musikgeschichte. Am Freitag veröffentlichten sie ein Coveralbum mit Namen „Heimat – deine Lieder“ – und der Name ist in diesem Fall Programm: „Alte Heimatlieder, Volkslieder und Lieder aus unserer Jugend wurden komplett neu aufgenommen. Das wollten wir schon immer mal machen, haben das aber immer rausgeschoben. Es sind Lieder, die die Leute kennen. Ich hoffe, dass die Lieder ankommen und, dass die Zuhörer nicht glauben, uns fällt nichts mehr Neues ein.“ Denn das wurde in der Vergangenheit bei anderen Künstlern oft kritisiert.

Bestes Beispiel: Heino. Dessen Coveralben „Mit freundlichen Grüßen“ und „Mit freundlichen Grüßen – Jetzt erst recht“ feierten unfassbare Erfolge und landeten beide auf Platz eins der Charts, dennoch sorgten sie auch für einige kritische Stimmen. Allen voran von den eigentlichen Schöpfern der Nummern. Das ist auch Norbert Rier sehr bewusst: „Natürlich ist das Original das Original. Aber wir haben versucht, es auf unsere Art zu machen. Der Anlass war, alte Lieder wieder aufleben zu lassen, damit diese nicht vergessen werden. Man hat versucht das gewissenhaft zu machen. Natürlich es ist immer schwer Lieder von großen Künstlern wie zum Beispiel Hubert von Goisern nachzusingen. Geschmäcker sind unterschiedlich und den einen gefällt es besser, den anderen weniger. Da warten wir jetzt einfach die Reaktionen der Leute ab.“

„Spatzenfest“, Tour und Dokumentation

Nach der Albumveröffentlichung am Freitag steht nun für die Spatzen erstmal das traditionelle „Spatzenfest“ am 09./.10./ und 11. Oktober an. Dann geht es ab Ende November bis Anfang Dezember auf große Weihnachts-Tour durch Deutschland. Im Frühjahr geht es dann direkt weiter mit der Frühjahrstournee, die unter anderem in Bremen, Dresden und Schwerin Halt machen wird.

Und es wartet noch ein besonderes Schmankerl auf alle Spatzen-Fans: „Eine Dokumentation kommt auf den Markt, bei der wir zwei Jahre von einem Filmteam begleitet wurden. Sie gibt Einblick hinter die Kulissen und jedes Bandmitglied wird privat gezeigt.“

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Stefanie Rigling
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