"Man sollte von Musik geradezu besessen sein!"

Wie man Ensembleleiter wird

Ensembleleitung

Eine Gruppe von Musikern führen - das ist die Aufgabe eines Ensembleleites. Dafür braucht man vor allem eins: Leidenschaft! Aber was muss man alles lernen bevor man als Chorleiter oder Dirigent arbeiten kann?

Weihnachtsoratorium von Bach
Ein Ensembleleiter muss große und kleine Gruppen von Musikern zusammenbringen.

Im Interview mit SchlagerPlanet verrät uns Brigitte Schmidt, stellvertretende Schulleiterin und Dozentin für Gesang, alles über die Ausbildung zum Ensembleleiter und die Berufsfachschule für Musik Bad Königshofen.

SchlagerPlanet: An Ihrer Schule kann man den Ausbildungsgang zu/r „Staatlich geprüften Ensembleleiter/in“ belegen. Welches Handwerkzeug geben Sie Ihren Schülern mit auf den Weg und wie sieht die Ausbildung dort aus?

Brigitte Schmidt.: Die Berufsfachschule für Musik bildet in einer zweijährigen Ausbildungszeit zum Ensembleleiter aus. Das Dirigieren und das Einstudieren von Literatur mit Chören und diversen Ensembles (Bläserensemble, Streichorchester, Zupforchester, Salonorchester, BigBand usw.) sind ein wesentlicher Teil der Ausbildung. Einen weiteren Schwerpunkt bildet das instrumentale Hauptfach bzw. das Hauptfach Gesang. Als instrumentales Pflichtfach erhält jeder Schüler Klavierunterricht (Schüler mit Hauptfach Klavier belegen als Pflichtfach ein Melodieinstrument) und – das finde ich persönlich besonders gelungen an diesem Schulkonzept – Unterricht in Singen, Stimmbildung und Sprecherziehung.

Der Fächerkanon umfasst Allgemeine Musiklehre, Gehörbildung, Tonsatz, Musikgeschichte, Instrumentenkunde, Formenlehre, Partiturspiel und Unterrichtsmethodik; da wir eine allgemein bildende Schule sind, werden auch die Fächer Deutsch, Sozialkunde und Musik und Bewegung angeboten. Die Musiktheorie ist in vielen Inhalten identisch mit dem, was auch in den ersten Semestern an einer Hochschule unterrichtet wird, das erleichtert später den Einstieg in ein Studium erheblich.



Zur Person

Brigitte Schmidt ist die stellvertretende Schulleiterin und Dozentin für Gesang an der Berufsfachschule für Musik Bad Königshofen.


Brigitte Schmidt
©BfsM Bad Königshofen

Ein wesentliches Element unserer Schule sind die vielen Gelegenheiten, sich praktisch zu erproben. In internen Vorspielabenden, öffentlichen Kammerkonzerten, Klassenkonzerten, in Konzerten mit großen Werken der Literatur für Solisten, Chor und Orchester, in Auftritten mit der BigBand und den vielen anderen Schulensembles sammeln die Schüler Bühnenerfahrung.

SP: Welche Voraussetzungen muss man als Bewerber erfüllen, um eine Ausbildung an Ihrer Schule starten zu können?

B.S.: Die besondere Begabung im gewählten Hauptfach ist die wichtigste Eigenschaft, die man unbedingt mitbringen muss. Dazu gehört, dass man einige Jahre kompetenten Unterricht gehabt haben sollte. Hinzu kommen Grundkenntnisse in Gehörbildung und allgemeiner Musiklehre. Dies testen wir in einer Eignungsprüfung. Auch eine gesundheitliche Eignung für das ausgewählte Instrument und den angestrebten Beruf sollte vorliegen. Selbstdisziplin und Fleiß gehören zum Musiker genauso wie die Eigenschaft, von Musik und seinem Instrument geradezu besessen zu sein. Man sollte gewillt sein, auch zu Zeiten beschäftigt zu sein, an denen andere Menschen frei haben, denn Konzerte und Proben finden häufig auch abends oder am Wochenende statt.

Als schulische Vorbildung genügt eigentlich ein Hauptschulabschluss, man kann unter bestimmten Voraussetzungen dann die Mittlere Reife bei uns erwerben. Die meisten Bewerber verfügen allerdings über eine Allgemeine Hochschulreife, fast alle möchten ja hinterher an einer Hochschule für Musik studieren und die setzt mittlerweile für die meisten Studiengänge ein Abitur voraus.
Auf jeden Fall empfehle ich den Interessenten, sich noch vor der Eignungsprüfung bei uns vorzustellen und sich beraten zu lassen, ob wir das richtige Institut sein könnten, um das gewählte Ziel zu erreichen und wie wir die Begabung einschätzen.



Berufsfachschule für Musik Bad Königshofen

Berufsfachschulen für Musik können die erste Grundebene einer beruflichen Ausbildung zum Musiker sein. Die BfsM Bad Königshofen wurde 1982 gegründet und arbeitet intensiv mit der angrenzenden Realschule, sowie dem benachbarten Gymnasium zusammen. Die Schulmusiker werden aktiv von den Schülern der Berufsfachschule unterstützt.


Diese ehrliche Beratung vor der Bewerbung und der Eignungsprüfung kann ich jedem nur ans Herz legen. Es tut mir immer wieder leid, wenn Kandidaten erst in der Eignungsprüfung erfahren müssen, dass sie vorher nicht ideal beraten wurden und sich deshalb falsch einschätzen, dass sie ein unpassendes Repertoire vorbereitet haben oder ihre Theoriekenntnisse nicht ausreichen. Robert Schumann schreibt in seinen „Musikalischen Haus- und Lebensregeln": Bemühe dich, leichte Stücke gut und schön zu spielen; es ist besser, als schwere mittelmäßig vorzutragen. Dem ist nichts hinzuzufügen.

SP: Als Ensembleleiter benötigt man auch eine Menge pädagogisches Geschick. Kann man sich das eigentlich aneignen und wenn ja, wie?

B.S.: Zum pädagogischen Geschick gehört auf alle Fälle erst einmal eine solide Grundlage. Unser Schulleiter Ernst Oestreicher, der als ausgebildeter Schulmusiker und langjähriger Bundesdirigent im Nordbayerischen Musikbund ein sehr erfahrener Dirigent und Lehrer ist, vermittelt zunächst ein dirigentisches Handwerk. Die Schlagtechnik muss erst einmal in Fleisch und Blut übergehen. Dann lernt man, die Proben mit der Sprechstimme, der Singstimme und mit dem Klavier zu unterstützen. In einer Chorprobe mit einer Hand zu dirigieren, mit der anderen Hand eine Stimme am Klavier zu spielen, eventuell auch noch eine andere Stimme zu singen, das kann manchen Schüler am Anfang ganz schön ins Schwitzen bringen.
Sehr schnell stehen die Schüler dann vor kleineren Gruppen und später vor dem Schulchor bzw. einem der vielen Schulensembles und studieren Werke ein. Dabei werden sie zunächst von Herrn Oestreicher angeleitet, sie können diese Aufgaben dann im Verlauf der Ausbildung zunehmend selbstständiger übernehmen. Hinzu kommt noch, dass man lernen muss, sein Dirigat auf das spezielle Ensemble auszurichten. Deshalb werden auch die Besonderheiten bei der Leitung verschiedener Instrumentengruppen (Bläser, Streicher, Zupfensemble, Percussion) thematisiert.

SP: Nach dem zweiten Lehrjahr kann man zusätzlich ein pädagogisches oder künstlerisches Aufbaujahr anhängen – welche Entscheidungshilfe können Sie Ihren Schülern bei dieser Wahl geben?

B.S.: Die Entscheidung über das Aufbaujahr treffen wir in der Regel gemeinsam mit dem Schüler im Laufe des zweiten Ausbildungsjahrs. Das Pädagogische Aufbaujahr setzt den Abschluss der zweijährigen Ausbildung voraus und eignet sich nur für Schüler, die tatsächlich später auch Unterricht erteilen wollen.

Die Absolventen erhalten ein Zeugnis über die Pädagogische Zusatzprüfung, die zur Unterrichtserteilung in der Unter- und Mittelstufe des gewählten Hauptfachs berechtigt. Neben der Entwicklung des eigenen Musizierens und der angeleiteten Unterrichtstätigkeit stehen Fächer wie Methodik/Didaktik, Musikpädagogik und unterrichtpraktisches Klavierspiel auf dem Lehrplan. Man wird also bestens für die Praxis gerüstet.

Das Künstlerische Aufbaujahr kann nicht nur von unseren Absolventen, sondern auch von externen Schülern, die allerdings Abitur haben müssen, besucht werden. Es wendet sich vorrangig an Schüler, die sich auf die Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule vorbereiten, deren Leistungsstand im Hauptfach sehr hoch ist, denen aber noch eine gewisse Reife fehlt, sei es eine Verbesserung der Technik oder der Aufbau eines angemessenen Repertoires. In diesem Ausbildungsgang gibt es interessante Zusatzfächer wie z. B. ein Seminar über musikwissenschaftliches Arbeiten.

SP: Wo geht die Karriere für Absolventen Ihrer Schule weiter?

B.S.: Circa 80% unserer Absolventen nehmen nach dem Besuch unserer Schule ein Musikstudium bzw. eine verwandte Ausbildung auf, darunter auch Schüler, die sich zum Militärmusiker, Instrumentenbauer oder Musiktherapeuten ausbilden lassen. Ca. 10% besuchen das Aufbaujahr, die restlichen 10% gehen in frühere Berufe zurück oder beginnen eine andere Ausbildung.

Die Studiengänge, die unsere Ehemaligen besuchen, sind vielfältig. Lehramt für Musik, Musikalische Früherziehung, Gesang für Oper und Konzert, Instrumentalstudiengänge im pädagogischen und künstlerischen Bereich und Kirchenmusik sind die häufigsten Anschlussstudien, aber auch Studiengänge wie Musiktherapie, Singen mit Kindern, Kulturmanagement, Dirigieren oder Musikwissenschaft werden gewählt. Da unsere Absolventen nach den vielen Informationen, die sie hier erhalten, sehr genaue Vorstellungen haben, was sie mit dem Studium erreichen wollen, ist die Zahl der Studienabbrecher signifikant geringer als bei sonstigen Studenten.

Eine Gruppe von Musikern der Berufsfachschule für Musik Bad Königshofen.
Eine Gruppe von Schülern der BfsM Bad Königshofen beim musizieren.
©BfsM Bad Königshofen

Noch viel differenzierter gestalten sich die Wege nach der nächsten Ausbildung. Wir sind stolz auf viele Musiker, die von uns den Weg in deutsche Orchester gefunden haben, einige unserer Sängerinnen und Sänger haben Stellen an Theatern als Solisten oder Chorsänger gefunden, auch Komponisten, Verlagsgründer, Akademieleiter, Musikschulleiter und sogar eine Hochschulprofessorin sind aus Bad Königshofen hervorgegangen.

SP: Das Modell der Berufsfachschule gibt es in dieser Form nur in Bayern. Andere vergleichbare Institutionen drängen gerade auf den Markt. Woran kann ein Bewerber erkennen, wo die Ausbildungsqualität am höchsten ist?

B.S.: Die Institute, die gerade eröffnet haben, sind fast alle im Bereich populärer Musik angesiedelt, während wir uns in Bad Königshofen der klassischen Ausbildung verschrieben haben. Schon da sollten Bewerber sich entscheiden, in welche Richtung sie gehen möchten. Fällt die Entscheidung für Popularmusik, sollte man trotzdem gründlich überlegen, ob eine klassische Ausbildung eventuell doch eine gute Basis darstellt.

Die Entscheidung für eine Ausbildungsstätte ist letztendlich vom gewählten Hauptfach und dem Lehrer, dem ich mich dort anvertrauen soll, abhängig. Alles andere muss sich dem unterordnen. Eine gute Schule bzw. ein guter Lehrer sind daran zu erkennen, dass sie bei den Schülern keine irrationalen Hoffnungen wecken. Viele Bewerber tappen in eine Falle, wenn ein Lehrer ihnen große Hoffnungen auf eine Karriere macht, wo andere sich eher zurückhaltend geäußert haben.

Weitere Kriterien für eine hohe Qualität können sein: Wie viel künstlerische und pädagogische Erfahrung bringen die Lehrkräfte des Instituts mit? Sind ehemalige Schüler des Instituts erfolgreich? Steht die Schule in Kontakt mit weiterführenden Instituten? Wie beurteilen frühere Absolventen das Institut? Fühle ich mich bei dem Lehrer wohl, dem ich mich vorgestellt habe? War seine Bewertung angemessen? Haben seine Ratschläge mir geholfen? Und das sogenannte Bauchgefühl sollte man auch nicht unterschätzen.

Vielen herzlichen Dank an Frau Schmidt für dieses ausführliche und spannende Interview!

Maximilian Hitzler
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