Wer Peter Kraus um 22:40 Uhr bei seinem Konzert im CCH in Hamburg über die Bühne wirbeln sieht, weiß: Der Mann will einfach noch nicht aufhören. Der wilde Hüftschwung, Luftgitarreneinlagen am Mikrofonständer und zertrümmerte Gitarren – Peter Kraus hat das alles noch im Repertoire. Und sein Publikum folgt ihm. „Kommt, ich bin noch einmal der 18-jährige Rock ’n’ Roller und ihr seid wieder die 16-jährigen Fans“, ruft er dem Saal zu. Wenige Sekunden später entwickelt sich an der Bühnenkante eine wild tobende Masse aus zum Großteil stark ergrauten Fans.
Eine Reise in die Vergangengeit
Peter Kraus reist auf seiner Abschiedstournee in die Vergangenheit, ohne die heutige Zeit zu vergessen. Er kommentiert die Gegenwart und sein Alter fortlaufend. Mit viel Selbstironie erzählt er seinem Publikum, wie es ihm heute mit seinem bekannten Hüftschwung geht, erinnert an die verklemmte Aufklärung der 50er-Jahre und erklärt mit Hilfe seiner Backgroundsängerinnen die Jugendsprache von heute. Die Gags sind einstudiert. Peter Kraus präsentiert sie aber mit so viel Charme und Freude, dass alle Gags bei seinem Publikum zünden. Er hat sich nicht nur seine kräftige Stimme bewahrt, sondern auch die Entertainerqualitäten, um einen fast dreistündigen Abend locker über die Bühne zu bringen.
Aktuelle Hits im Gewand der 50er-Jahre
Die Outfits seiner Band erinnern an frühere Zeiten, die Lieder spiegeln zum Teil aber auch die Gegenwart wider. Auf dem aktuellen Peter Kraus Album „Zeitensprung“ covert der Sänger eine Reihe von deutschen Hits aus den letzten 25 Jahren und spielt sie im Rock ’n’ Roll-Gewand. Marterias „Lila Wolken“ oder „Hamma!“ von Culcha Candela wirken auch auf der Bühne im CCH 1 äußerst schwungvoll. „Gib mir Sonne“, das im Original von Rosenstolz stammt, sorgt für andächtiges Schweigen. Auch bei der Ballade „Wär’ heut’ mein letzter Tag“ blicken verträumte Gesichter Richtung Bühne. Den Part von Helene Fischer übernimmt Background-Sängerin Christiane. Er habe Helene angeblich gefragt, ob sie mit auf Tour wolle, behauptet Peter Kraus. „Doch sie hat dann einfach nichts gesagt. Sie war ganz atemlos.“
Die alten Hits bleiben jung
Schon vor der Pause inszenieren Peter Kraus und seine Band „Tiger“ als echten Höhepunkt: Zunächst spielen sie den Rock ’n’ Roll-Klassiker als plakativen Walzer und nennen ihn „Seniorenversion“, wodurch die Stimmung im Anschluss bei der Originalfassung hochkocht. Auch in der zweiten Hälfte beschenkt Peter Kraus seine Fans mit seinen größten Hits. „Ich werde immer gefragt, ob es mich nicht stört, mein Leben lang die alten Hits zu spielen. Aber nein, ich liebe es. Weil sie euch einfach immer noch so gut gefallen“, erklärt der 75-Jährige. Lieder wie „Kitty Cat“ oder „Sugar Baby“ gehören auch 2015 noch zu den Höhepunkten des Abends. Beim Rock ’n’ Roll-Medley mit Klassikern wie „Blues Suede Shoes“ oder „Jailhouse Rock“ stürmt der Saal endgültig nach vorne. Peter Kraus hat wieder einmal die 50er zurückgeholt – ohne Wehmut und mit viel ehrlicher Freude.