Wir treffen Jürgen Drews in einer Hotelbar am Münchner Hauptbahnhof. Geschäftsleute in schwarzen Anzügen unterhalten sich über Aktienfonds und Börsenkurse. Im hinteren Bereich sitzt Jürgen Drews, der gerade noch ein weiteres Interview gibt. Gut sieht er aus, drahtig, er achtet auf seine Figur – deswegen gibt es auch Kürbissuppe statt 200 Gramm Pfeffersteak. Drews wirkt aufgedreht und redet ohne Unterlass. Er beginnt das Interview, indem er sich selbst die Fragen stellt, die er anschließend beantwortet: „Herr Drews, warum haben Sie eigentlich einen englischen Titel auf der CD?“ „Das kann ich Ihnen sagen: Weil ich damals für die Les Humphries Singers, die es wieder gibt, wo ich aber ganz selten nur mitmachen kann, weil es mich Geld kostet. Aber ich mach‘ als Hobby gerne noch kreativ mit und wenn es mal irgendwo ‘ne wichtige Sache gibt stehe ich mit auf der Bühne.“
Unser großes SchlagerPlanet-Interview mit Heino könnt Ihr hier nachlesen.
Anna-Maria Zimmermann ganz privat - SchlagerPlanet hat auch die Sängerin zum Interview getroffen.
Die Les Humphries Singers, seine alte Band, sind für Jürgen Drews nach wie vor eine Herzensangelegenheit. Hier sang der Entertainer Lieder wie „Mexico“ oder „Mama Loo“, eingängige Melodien mit Texten auf Englisch, die nach Gospel und Rock’n’Roll klingen, nach der großen weiten Welt. Genau das, wonach sich die Jugendlichen in der Enge der Nachkriegszeit sehnen. Raus in die Welt! Und bloß kein deutscher Schlager! Doch für Drews kam alles anders. Der Hit „Ein Bett im Kornfeld“ verschaffte ihm den Durchbruch in der Schlagerszene, es folgte die Solo-Karriere, das Come-Back mit Partyschlagern. Zuletzt hat er im September sein neues Album „Kornblumen“ veröffentlicht.
Mittlerweile treten die Les Humphries Singers wieder gemeinsam auf und auch Jürgen Drews ist mit dabei. „Hab jetzt aber einen neuen Titel geschrieben, unter anderem für die Les Humphries Singers“, erzählt er - ungefragt. „Und jetzt kommt der auf die LP, da singen die Humphries zwar noch nicht mit, aber ich werde den zum Humphries-Song umfunktionieren.“
SchlagerPlanet: Du meinst den Song „Hey, Don’t want Nobody“ – siehst Du, ich habe gedacht, der Titel sei an das Lied „Don’t want Nobody“ angelehnt, das Du 1981 in den USA veröffentlicht hast.
Jürgen Drews: Weißt Du, wie das zustande kam? Mir fiel keine Zeile ein und ich hatte einen ganz anderen Refrain und durch Zufall habe ich mich an meinen amerikanischen Titel, den ich auch irgendwann nochmal machen will, erinnert und dann dachte ich mir: „Warum nehm‘ ich eigentlich nicht die Zeile nochmal?“ Die passt geil!
SP: Es ist aber etwas völlig anderes dabei herausgekommen, es ist sehr technoid.
JD: Oh ja. So ein Bisschen in Richtung David Guetta.
SP: Gefällt Dir sowas?
JD: Ja, ich komme ja aus der Ecke. Meine musikalischen Wurzeln liegen nicht im Schlager, ich habe mit Jazz und Pop angefangen. Ich konnte früher nichts mit Schlager anfangen. Ich hatte Vorurteile gegen alles was Deutsch war, ich komme ja aus der Nachkriegszeit.
SP: Was hast Du damals mit dem Deutschen verbunden?
JD (flüstert): Ich wollte davon nichts wissen, ich wollte nicht sagen, dass ich Deutscher bin. Und deswegen mochte ich auch keinen Schlager. Guildo Horn hat mich auf den anderen Trip gebracht. Als er seine LP produzierte, hat er mich ins Studio eingeladen und er sagte: „Mensch, mach das doch auch mal! Sing‘ doch mal ‘nen Titel mit mir, such Dir doch mal einen Titel raus, den Du nicht ertragen konntest und guck mal, ob das wirklich an der Melodie liegt oder ob es vielleicht an der Interpretation und der Auffassung liegt.“ Da liegen Juwelen! Und ein solches Juwel habe ich herausgepickt – ist auf der LP „Kornblumen“ - „Liebeskummer lohnt sich nicht“ von Siw Malmkvist. Ich habe Siw Malmkvist anmoderiert, eine reizende Frau, tolle Sängerin. Aber das ist eben eine Interpretation, mit der Du als 16-Jährige mit Liebeskummer auch nicht mit klargekommen wärst. Stell Dir vor, Deine Mutter wär‘ damals reingekommen und hätte gesagt, (singt fröhlich) „Liebeskummer lohnt sich nicht my Darling, whohoo!“ Deswegen habe ich das so aufgefasst, obwohl sie es toll gemacht hatte.
Das Gleiche gilt für das Lied „Wunder gibt es immer wieder“ von Katja Ebstein, für mich eine der begnadetsten Sängerinnen, aber was sollte sie machen? Ihre Interpretation entsprach der damaligen Auffassung von Schlager. Du konntest dem ja damals gar nicht entkommen, auch wenn Du gar nicht auf Schlager gestanden hast. Aber als Guildo den Titel gemacht hat, mit seiner Band, da hab‘ ich gesagt „Mensch Guildo, ist das ein geiler Titel!“ Und Guildo sagte zu mir „Siehst Du? Und Du machst sowas auch!“ Ich habe mir dann zehn Titel ausgesucht, aus Spaß an der Freude und mittlerweile steh ich auf Schlager!
Ich sag’s Dir auch noch ungefragt, wie ich dazu gekommen bin – es gibt einen Texter namens Dr. Michael Kunze und von dem stammt der Text zu dem Lied „Ein Bett im Kornfeld“, weil er meine Geschichte kannte. Er hat die Geschichte in einem Songtext niedergeschrieben, und da konnte ich nicht anders, als es zu singen.
Drews fährt fort die Geschichte zu seinem berühmten Klassiker zu erzählen – wie er als 16-Jähriger nach St. Tropez getrampt ist. In Basel wird er von einer jungen Frau in einem Cabrio Alfa Romeo mitgenommen – sie war Französin, „sehr, sehr gutaussehend“ wie Drews beteuert. Die Frau fragte ihn, wo er hinwolle und der junge Drews antwortet „nach Grenoble“. „Ich war fürchterlich schüchtern, fast verklemmt, kriegte den Mund nicht auf“, erzählt er. Die Dame bot dem Teenager an, mit zu ihr zu kommen, aber er traute sich nicht und schlug stattdessen sein Zelt in einem Feld auf.
SP: Du hast aber in einem Interview gesagt, dass das Lied „Ein Bett im Kornfeld“ lange Zeit nicht Deinem Bauchgefühl entsprochen hat. Hast Du Dich mittlerweile damit versöhnt?
JD: Ja, ich habe mich musikalisch gedreht. Das heißt, ich habe gemerkt, dass Schlager mir richtig Spaß macht. Das hätte ich mir früher nicht vorstellen können. Das hatte aber was mit Vorurteilen zu tun. Ich mache ja poppigen Schlager und Party und dadurch habe ich meinen Weg zum Glück gefunden. Aber ich glaube auch, wenn ich es nochmal schaffen sollte, auch auf Antenne Bayern gespielt zu werden, dann wäre es mit einem Titel wie „Olé, ich freu mich drauf“. Ein Rockschlager. Wenn ich damit bei Antenne Bayern landen würde, weiß ich, dass der Titel ein Riesen-Hit werden würde. Das weiß ich. Die richtigen Schlagersender, für die ist das fast schon zu hart, da passt eher so ein Titel wie „Kornblumen“ ins Programm. Aber auch wenn ich bei Antenne Bayern laufen würde, würde ich immer noch daneben modernen Schlager machen. So weit habe ich meine Meinung zum Schlager mittlerweile geändert.
SP: Ist der Titel „Kornblumen“ an das „Kornfeld“ angelehnt? Ist es Dein Versuch, Dich damit auszusöhnen?
JD: Das habe ich schon lange, ich finde das „Kornfeld“ geil. Das Tolle an dem Titel war ja, das habe ich aber auch erst später kapiert, dass die Jugendlichen aufgeschlossen denken – wir haben halt bei dem Lied daran gedacht, dass wir ins Kornfeld gehen und ein Bisschen Liebe miteinander machen. Die Älteren, die Konservativen, die haben einfach nur das Bild gesehen – von einem Bett im Feld - und das Bild ist der Hammer!
SP: Also in etwa so wie bei „Alice im Wunderland“, das man als Kind liest und lustige Hasen sieht und dann liest man es als Erwachsene wieder und sieht Trips.
JD: Du sagst es. Wobei, dieses „Kornblumen“, das ist bloß der Anschluss daran, ich möchte mich nicht verstecken – ich habe das gemacht. Ich habe mir gedacht, dass es dann endlich keine Fragen mehr gibt wie „Singen sie eigentlich das ’Kornfeld’ noch gerne?“ Ich singe es liebend gerne, eigentlich singe ich es ja gar nicht, die Leute singen es, Jugendliche grölen „Ein Bett im Kornfeld“ wie bekloppt, das ist ein Party-Volkslied geworden – schon interessant. Und dann die Neuauflage mit dem Rap-Part unter der Regie von Stefan Raab, das war toll!
SP: Du hast vor kurzem gesagt, dass Du früher nicht ganz verstanden hast, wie der Schlager funktioniert. Glaubst Du, dass Du den Schlager inzwischen verstanden hast? Und, Kannst Du es mir erklären?
JD: Planen kannst Du nie. Aber Du kannst ein Gefühl dafür kriegen, was in den Ohren eines Schlagerkonsumenten harmoniebedingt einigermaßen verständlich ist.
SP: Könnte es Dir passieren, dass Deine Musik von den falschen Leuten gehört wird? Ich musste gerade an den Fall der Toten Hosen neulich denken, als ihr Titel „Tage wie diese“ auf bei den CDU- Feierlichkeiten nach der Bundestagswahl gespielt wurde. Da ging ja ein Aufschrei durch die Fangemeinde. Ist das ein Problem?
JD: Ja.
SP: Warum? Weil die Musik von der CDU instrumentalisiert wurde?
JD: Nö, deswegen nicht.
SP: Sondern?
JD: Weil Du in bestimmte Schubladen geschoben wirst, die zwar dahingehören, wo sie sind, aber die sich das konsumierende Publikum aussuchen muss. Das heißt, wenn Du einen poppigen Schlager, den ich ja zweifelsohne mache, immer nur auf den herkömmlichen Schlagersendern spielst, ist das völlig richtig – aber es gibt auch Lieder, die man genauso gut auch auf den herkömmlichen Sendern wie Antenne Bayern spielen könnte. Und da passiert es aber nicht, und warum passiert es nicht? Stattdessen spielen sie hauptsächlich die Hits aus dem Ausland oder jetzt diese neuen deutschen Pop-Sachen wie – wie heißt der noch, dieser P. Werner, oder so...
SP: Du meinst Tim Bendzko?
JD: Ja, genau der - wenn ich jetzt aber den Tim Bendzko-Titel hätte „Nur noch kurz die Welt retten“, dann würden sie mich aber nicht spielen, weil ich aus dem Schlager-Bereich komme. Ein Titel wie „Olé ich freu mich drauf“ ist ein Song, den Du in den gleichen Bereich einordnen könntest, wo auch „Tage wie diese“ ist. Bloß, die Toten Hosen, wenn die „Olé ich freu mich drauf“ gesungen hätten, würden sie von den Popsendern gespielt werden, ich hingegen nicht. Das ist halt die Krux.
SchlagerPlanet bedankt sich für das Interview und wünscht Jürgen alles Gute für die Zukunft und viel Erfolg mit dem neuen Album!