Norbert Rier im Interview: „Mit eigener Kraft schafft man so vieles“
Kastelruther Spatzen-Sänger Norbert Rier sprach im exklusiven Interview mit SchlagerPlanet über die Inspiration zum neuen Album „Tränen der Dolomiten“, das Bandleben bei den Spatzen und die Zukunftspläne der Kult-Gruppe.
Die Kastelruther Spatzen sind eine absolute Kult-Gruppe und weit über die Volksmusik-Szene hinaus bekannt. Am 29. September 2017 veröffentlichen die Spatzen ihr neues Album „Tränen der Dolomiten“. Damit haben Norbert Rier und seine Kollegen seit 1985 jedes Jahr mindestens ein Album herausgebracht, manchmal sogar zwei oder drei. SchlagerPlanet sprach mit Norbert Rier im exklusiven Interview über die Inspiration im Allgemeinen, das Thema des neuen Albums im Speziellen, das Bandleben bei den Spatzen und was wir in Zukunft von den Südtirolern erwarten können.
„Mich wundert es manchmal selbst“
SchlagerPlanet: Am 29. September erscheint das neue Album der Kastelruther Spatzen. Damit habt Ihr seit 1985 jedes Jahr mindestens ein Album herausgebracht! Woher nehmt Ihr die Ideen und die Kreativität für immer neue Lieder?
Norbert Rier: Mich wundert es manchmal selbst, dass uns immer wieder etwas Neues einfällt, neue Ideen und neue Themen. Das ist natürlich jedes Mal eine neue Herausforderung und es ist auch jedes Mal spannend, wenn die CD dann auf den Markt kommt, wie die Leute reagieren. Wir sind bekannt dafür, Themen zu haben, die aus dem Leben gegriffen sind und das ist nicht immer einfach. Die Erwartungen werden gefühlt immer größer und die Vorbereitungen sind immer sehr aufwendig. Aber, wenn man die Augen und die Ohren offen hält, gibt es, Gott sei Dank, immer jede Menge interessante Themen.
SchlagerPlanet: Das neue Album heißt „Tränen der Dolomiten“ – woher kommt der Titel?
Norbert Rier: Im nächsten Jahr werden es 100 Jahre seitdem der 1. Weltkrieg zu Ende gegangen ist und in den Dolomiten sieht man noch heute die Schützengräben und die Stollen. Es ist sehr beeindruckend, wie die Soldaten zur damaligen Zeit unter extrem schwierigen Umständen gekämpft haben, das Vaterland verteidigt haben. Wir wollen daran erinnern, wie viele Tränen damals hier vergossen wurden.
SchlagerPlanet: Was ist Eure Botschaft – wie soll man mit solchen „Tränen“ der Vergangenheit umgehen?
Norbert Rier: Es ist ähnlich wie mit den Mahnmalen: Das sollen Hinweise sein auf Sachen, die geschehen sind, die sich aber nicht wiederholen sollten. Aber natürlich dauert ein Lied nur knapp drei Minuten, also kann man höchstens den Anstoß zum Nachdenken geben. Man kann ein solches Thema nie komplett behandeln, aber wir wollten ein bisschen „sticheln“, wie man so schön sagt.
Wir haben auch einen Video-Clip zu dem Lied „Tränen der Dolomiten“ gedreht. Darin sieht man etwa, wie sich zuhause der normale Bauer oder der Sohn von seiner Familie verabschieden muss, als er in den Krieg zieht, wie die Mutter Tränen vergießt. Dieser sinnlose Kampf damals. Es sind mehr als die Hälfte oder knapp Zweidrittel der Soldaten durch Kälte oder durch Lawinen ums Leben gekommen. Jeder Krieg ist am Ende sinnlos und bringt wahnsinnig viele Tränen und Opfer. Und wir wollen zeigen, dass so etwas nie wieder geschehen sollte, dass man daraus lernen sollte. Zwar soll man verzeihen, aber vergessen wird so etwas sicherlich nie. Es soll in Erinnerung bleiben und auch die jungen Leute sollen daraus lernen.
SchlagerPlanet: Das ist aber nicht das einzige Thema des Albums – gibt es ein Lied, das Ihnen persönlich ganz besonders am Herzen liegt?
Norbert Rier: „Ich schau mit Freude zurück“ ist etwas ganz Besonderes für mich. Da geht es darum, dass man nach vielen Jahren Danke für das sagt, was man erreicht hat und was man erlebt hat. Und man hofft, dass man den Leuten noch eine Zeit lang mit den Liedern, mit der Musik eine Freude machen kann. Ein anderes Lied ist „Die Besten gehen viel zu früh“, in dem es um unseren leider viel zu früh verstorbenen ehemaligen Kollegen und Freund Andreas Fulterer geht. Natürlich kann ich ihn nicht vergessen. Es wird Ende Oktober ein Jahr seitdem er verstorben ist und das war für uns alle ein schwerer Schlag.
„Jeder sollte das Glück haben, eine Heimat zu haben“
SchlagerPlanet: Das erste Lied auf dem neuen Album trägt den Titel „Dem Leben ins Gesicht gelacht“. Dazu gibt es auch ein wunderbares Video: Sind die Pferde im Video aus Ihrer eigenen Haflingerzucht?
Norbert Rier: Ja, das sind meine Pferde, das freut mich ganz besonders. Wir wollten ein bisschen Freude reinbringen, auch mit dem Kartenspiel, denn auch dabei gibt es Höhen und Tiefen, Freude und Leid. Es soll einfach zeigen: Mit eigener Kraft schafft man so vieles.
SchlagerPlanet: Heimat ist allgemein ein Thema, das Ihr gerne in Eurer Musik aufgreift, aber was genau bedeutet Heimat für Sie?
Norbert Rier: Heimat ist für mich etwas ganz Besonderes, die Bodenständigkeit, das Traditionelle. Die Heimatverbundenheit sieht man auch immer wieder bei unseren Auftritten: Wir blenden Videos oder Bilder ein, wo es um die Schönheit der Heimat geht, die herrlichen Dolomiten, die schöne Landschaft. Aber ich glaube hauptsächlich ist die Geborgenheit das Heimatgefühl und jeder sollte das Glück haben, eine Heimat zu haben. Es heißt immer: „Die heile Welt“ – Ich glaube für jeden sollte „Die heile Welt“ dort sein, wo er sich am wohlsten fühlt und das sollte das Zuhause sein. Da wir viel unterwegs sind, ist es für mich und meine Kollegen auch sehr wichtig, dass man zuhause die Familie hat, den starken Rückhalt, und, dass man immer gerne nach Hause zurückkommt.
SchlagerPlanet: Wie kann man sich das Bandleben bei den Spatzen vorstellen? Verbringt Ihr auch privat viel Zeit miteinander?
Norbert Rier: Die ein oder anderen gehen im Winter gemeinsam Skifahren. Meistens aber nicht die ganze Gruppe. Wenn wir unterwegs sind, kommen wir gut miteinander aus. Wenn es mal Probleme gibt, spricht man sich aus. Auch wenn mal die Fetzen fliegen, ist am Ende alles gut. Ansonsten geht aber auch jeder seinen eigenen Weg. Jeder hat zuhause ja auch seine eigene Arbeit. Es geht immer um gegenseitiges Vertrauen, wie in einer Partnerschaft, darum sich gegenseitig zu respektieren, zu akzeptieren – das ist ganz wichtig.
SchlagerPlanet: Im Januar geht Ihr wieder gemeinsam auf Tour. Auf was können sich Eure Fans bei den Auftritten freuen?
Norbert Rier: Wir haben einen neuen Bühnenaufbau, ein neues Programm, Videoeinspielungen, Bilder. Wir werden natürlich einige Lieder von der neuen CD spielen. Aber man darf auch nie die alten Lieder vergessen. Da muss man sich einfach selbst in die Situation versetzen, wenn man auf ein Konzert von jemandem geht, den man gerne hört, dann will man auch die Lieder und Hits hören, die man von früher kennt – bei denen man auch mitsingen und mitmachen kann. An die neuen Lieder müssen sich die Leute erst gewöhnen. Deswegen wird es auch diesmal bunt gemischt und ich hoffe, dass das wieder gut bei den Leuten ankommen wird. Wenn die Leute nach einem Konzert sagen: Das war wunderbar, wir freuen uns schon auf das nächste Mal – dann hat man das erreicht, was man möchte.
SchlagerPlanet: Jedes Jahr ein neues Album – das ist ein Wahnsinnspensum. Geht das so weiter?
Norbert Rier: Ja ich denke schon (lacht) – So Gott will ja. Mittlerweile hat sich das so eingebürgert, dass eigentlich jedes Jahr im Herbst eine neue Produktion auf den Markt kommt. Wir wollten das mal ändern und es im Frühjahr machen, aber das haben wir nicht hingekriegt, weil ziemlich viel Vorarbeit damit verbunden ist. Deswegen hat es bisher immer ganz gut gepasst, dass wir im Laufe des Junis die Aufnahmen fertig hatten. Dann kommt noch das ganze Abmixen, das Booklet, das Drumherum, da ist wahnsinnig viel Arbeit dahinter, die die Leute oft gar nicht sehen. Aber wir sind ein sehr gutes Team und auch die Arbeit mit der Plattenfirma ist sehr gut, dann geht das schon in Ordnung.
„Bei uns hat vieles gepasst“
SchlagerPlanet: Auch nach knapp 40 Jahren Bandgeschichte ist Eure Musik sehr beliebt, das letzte Album „Die Sonne scheint für alle“ schaffte es 2016 in Österreich auf Platz 1 und in Deutschland auf Platz 2. Was ist aus Ihrer Sicht das Erfolgsrezept der Kastelruther Spatzen?
Norbert Rier: Ich weiß es nicht. Wenn es ein wirkliches Rezept geben würde, könnte man damit wahrscheinlich viel Geld verdienen (lacht). Entscheidend ist am Ende aber immer das Publikum. Man muss sich bewusst sein, dass man Musik auch für die Leute macht, nicht nur für sich selbst. Aber natürlich ist es auch wichtig, dass die Leute merken, dass man mit vollem Herzen dabei ist, dass man hinter dem steht, was man macht. Und ansonsten: Eine gute Produktion, gute Konzerte und den Leuten das Gefühl geben, dass wir ganz normale Menschen sind, so wie jeder andere, und nicht anfangen zu spinnen. Aber da sind wir jetzt alt genug, dass uns das nicht mehr passiert. Wir haben das Glück gehabt zur richtigen Zeit das Richtige zu machen. Bei uns hat da vieles gepasst. Aber es ist sicherlich immer vieles dem Zufall überlassen, das kann man nicht so genau planen. Man kann Gott sei Dank nicht im Vorhinein sagen: Das ist ein Hit. Die Hits, das machen dann die Leute. Deswegen ist es wichtig, dass es unterhaltsam ist und, dass es gut ankommt.
SchlagerPlanet: Und Sie selbst haben den Spaß nicht verloren?
Norbert Rier: Ja, Gott sei Dank nicht. Es gibt natürlich immer wieder Momente, in denen es einem zu stressig wird. Vor allem die langen Fahrten. Aber es gibt dann auch immer wieder Momente, in denen man für vieles entschädigt wird, nämlich dann, wenn die Leute begeistert sind.
Lieber Norbert Rier: Wir bedanken uns herzlich für das nette Gespräch und wünschen Ihnen und den Kastelruther Spatzen auch weiterhin viel Erfolg und Spaß an der Musik.
Nachtrag: Nach dem Interview wurde bekannt, dass Norbert Rier nach dem Spatzen-Fest Mitte Oktober am Herzen operiert werden muss. Deshalb wurde die für November geplante Tournee „Volksmusik meets Classic – die Kastelruther Spatzen und Starpianist Richard Clayderman“ abgesagt. Die Tour im Januar soll aber wie geplant stattfinden.
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