Exklusiv

Isabel Varell im Interview: „Was ich sagen will, das muss raus“

Isabel Varell im Interview: „Was ich sagen will, das muss raus“

Stars hautnah

Im Exklusiv-Interview mit SchlagerPlanet-Chefreporterin Daniela Kerscher spricht Schlagersängerin und Entertainerin Isabel Varell über ihre rebellische Kindheit, ihre innere Kraft und ihre ganz besonderen „Spielplätze“.

Sie ist eine facettenreiche Frau, die sehr respektvoll mit Menschen und Tieren umgeht. Im Exklusiv-Interview mit Schlagerplanet-Chefreporterin Daniela Kerscher spricht Isabel Varell (58, neues Album „Eine Tasse Tee“) über ihre Kraft zu verzeihen und ihre ganz persönlichen „Spielplätze“ des Lebens

SchlagerPlanet: Haben Sie Ihren Tag mit Yoga begonnen?

Isabel Varell: Nein, das ging heute nicht, denn wir haben bereits um 7 Uhr ein Video gedreht. Yoga mache ich wieder am Wochenende. Ich mache es auch gern morgens.

SchlagerPlanet: Auch mit  „Leichtigkeit“, Ihrem Titel aus dem neuen Album, lässt sich bestens in den Tag starten.  Es ist ein wunderbares Lied, das die Zuhörer dazu inspiriert, mal gelegentlich die Vernunft zur Seite zu legen.

Isabel Varell: Ja, da sagen Sie was …

SchlagerPlanet: Ihr weiterer Titel „Geradeaus“ spiegelt Sie selbst gut wider, richtig?

Isabel Varell: Ja, ich bin keine, die hinterm Berg hält. Was ich sagen will, das muss raus. Es gibt ja so Menschen, die sind verschlossen, und das macht einen fast wahnsinnig, dass man da jedes Wort aus der Nase ziehen muss. Ich finde auch, es ist im Moment die Zeit, in der man eine Meinung haben und diese auch äußern sollte. Man kann nicht immer danach gehen, dass man einen guten Eindruck macht. Es ist Haltung angesagt.

© Youtube/Osnaton Records

„Ich bin dankbar, welche große Kraft ich habe“

SchlagerPlanet: Wann haben Sie selbst wahrgenommen, dass sich hinter dem verletzten Mädchen aus den Jugendtagen mit nur wenig Selbstwertgefühl eine echte Stehauf-Frau verbirgt?

Isabel Varell: Im Grunde ist mir das mit dem Reiferwerden klar geworden. Es wird einem bewusst, was für ein Kraftaufwand es für einen ist, sich das Leben selbst zu basteln. Man hat ja als junger Mensch unheimlich viel Kraft und man macht Gott sei Dank einfach mal – ohne viel nachzudenken. Im Rückblick bin ich sehr froh, was für einen großen Akku ich in mir habe.

SchlagerPlanet: Haben diese Kraftreserven Sie selbst überrascht?

Isabel Varell: Das kann man so sagen. Deshalb war mir das Lied „Hätten Sie mal 20 Cent?“ so ein Anliegen. In der Großstadt wird man ja jeden Tag mehrmals von Bettlern angesprochen. Und es steht hinter jedem Menschen eine Geschichte. Es ist im Leben etwas passiert, woran er gebrochen ist. Ich denke, das hätte einem ja durchaus auch passieren können. Wenn man die Kraft nicht hat … Ich bin einfach so froh, dass ich die Kraft habe, psychisch so stabil zu sein und das Leben so zu meistern, seine Energie zu behalten ebenso seinen Humor und diese Sinnlichkeit wie ich sie im Song „Leichtigkeit“ beschreibe. Die Fähigkeit zu haben, sich in schwierigeren Momenten das Leben schöner zu malen.

SchlagerPlanet: In Ihrem erfrischenden Buch „Mittlere Reife“ haben Sie über sich selbst geschrieben: „Ich entscheide mich oft für das Falsche.“ So haben Sie als rebellische Schülerin die Chance auf eine Wiedergutmachung vertan, die Ihnen Ihr Gymnasialdirektor gegeben hat. Wie erscheint Ihnen das im Nachhinein?

Isabel Varell: Das war natürlich die Unsicherheit eines Kindes. Heute habe ich da sicherlich ein besseres Gespür für mich als damals. Meine Aufgabe wäre es gewesen, den Schulhof zu säubern. Ich kann vieles selber heute nicht mehr verstehen, wenn ich darüber nachdenke. Würde mir heute als Schülerin jemand die Chance geben, den Fehler auszubügeln, würde ich diese nutzen. Gar keine Frage. Dann würde ich es auch ganz besonders gut machen. Damals war es für mich schwierig, sich in den andern hineinzuversetzen, ich war so verletzt von zu Hause.

SchlagerPlanet: Da wütete die Rebellin in Ihnen …

Isabel Varell: Das rebellische Kind und das unterwürfige. Das widerspricht sich nicht. Zu Hause musste ich mich unterwerfen, draußen, wo man mir nichts sagen konnte, habe ich genau das Gegenteil gemacht, was man von mir wollte.

„Die dunklen Schatten werden blasser“

SchlagerPlanet: Später sollte es Ihnen gelingen, Ihrer Mutter dennoch zu verzeihen, obwohl Ihnen deren Liebe versagt blieb. Wie leicht fiel Ihnen dies?

Isabel Varell: Das ist eine gute Frage. Es gibt so Momente, wo ich in Frieden bin mit mir und unserer gemeinsamen Geschichte. Es ist nicht abgeschlossen … Es bleibt ja Teil des Lebens. Ich bin ein versöhnlicher Mensch, aber trotzdem kommen immer wieder Fragen auf, zum Beispiel warum das so war? Ich bin dankbar dafür, wie mein Leben gelaufen ist, wie es jetzt ist und wie ich das alles so geschafft habe. Das erfüllt mich mit viel Glück, so dass diese dunklen Schatten immer blasser werden.

SchlagerPlanet: Einen ersten Schritt Richtung Traumberuf unternahmen Sie mit 13 mit einem Auftritt in der Strandhalle von Grömitz. Dabei sangen Sie wie in Trance fast um ihr Leben …

Isabel Varell: Wenn man zum ersten Mal auf die Bühne geht und in dieses gleißende Scheinwerferlicht blickt, das war ganz schrecklich. Gott sei Dank verliert man diese Art von Lampenfieber.

SchlagerPlanet: Auch wenn Sie es nicht aufs Treppchen schafften, spürten Sie genau: „Das ist mein Ding!“

Isabel Varell: Wenn man den Mut hat, sich dort hinzustellen, erfährt man Anerkennung.

SchlagerPlanet: Woher glauben Sie kommt es, dass Sie keine Berührungsängste kennen?

Isabel Varell: Ich bin immer in jede neue Situation reingerannt. Ich hab’ das immer meine „Spielplätze“ genannt, ich war immer neugierig, das hat sich bis heute nicht geändert. Ich habe auch das Glück, dass mein Beruf so vielfältig ist und man dabei auch so viele unterschiedliche Menschen kennenlernt.

SchlagerPlanet: Zu Ihren „Spielplätzen“ sollten neben der Bühne und dem Musicaltheater später auch die Marathon-Strecken und eine TV-Magazin-Sendung gehören. Welchen Ihrer „Spielplätze“ möchten Sie auf keinen Fall missen?

Isabel Varell: Ich bin heute noch leidenschaftliche Läuferin, aber ich laufe keinen Marathon mehr. Im Moment wäre mir das Training zu viel.  Auf Sport könnte ich wirklich nicht verzichten, weil dieser Zufriedenheit in mir auslöst. Es fördert die Koordination und Konzentration, die man körperlich und auch geistig braucht. Und dann gibt es natürlich viele berufliche Spielplätze, das ist zum Beispiel meine Sendung „Live nach 9“, die mir unglaublich viel Spaß macht. Wir haben jetzt gerade zweijähriges Jubiläum gefeiert. Das ist für mich auch wieder so eine neue Aufgabe in meinem Leben, eine Magazin-Sendung selbst entstehen zu lassen, in einem Pool von vielen jungen Journalistinnen und Journalisten zu arbeiten. Und die totale Freiheit vor der Kamera zu haben, die Sendung so zu gestalten wie man möchte. Das ist schon ein ganz großes Lebensgeschenk für mich. Das ist einer meiner Lieblingsspielplätze.

SchlagerPlanet: Die Bezeichnung „Spielplätze“ finde ich auch so zutreffend, weil Sie das Kind in sich bewahrt haben. Wie gelingt Ihnen das?

Isabel Varell: Diese Neugier, die hört bei mir niemals auf. Ich glaube, dass das Alter nur so eine Zahl ist, davon bin ich überzeugt. Es gibt ganz viele junge Menschen, die schon alt im Kopf sind. Und mit “alt“ meine ich jetzt unbeweglich, zu vorsichtig und vernünftig. Und es gibt alte Menschen, die sind herrlich jung. Auch Weisheit hat für mich nichts mit Alter zu tun. Manche jüngere oder Menschen in den mittleren Jahren haben eine Weisheit an sich, aber auch alte Menschen natürlich. Aber es gibt eben auch die Alten, wo man das Gefühl hat, die haben gar nichts begriffen. Deshalb glaube ich, wenn man das Kind in sich hat, das kann nur etwas Gesundes sein. Ich bin froh, dass ich das in mir habe, und ich werde das auch nicht aufgeben.

Mehr über diese vielseitige Künstlerin, über ihre Herzens- und Seelenmenschen lesen Sie in der nächsten Ausgabe von „Stars und Melodien“. Diese gibt’s ab 9. Juli am Kiosk.

Daniela Kerscher
Lade weitere Inhalte ...