Die Amigos im Interview: „Wir wollen wachrütteln“

Die Amigos im Interview: „Wir wollen wachrütteln“

"Zauberland"

Im Interview mit SchlagerPlanet spricht Amigos Bernd Ulrich über das neue Album „Zauberland“, die wichtige Botschaft der Amigos, die schönsten Kindheitserinnerungen des erfolgreichen Brüderpaares und wie sie über Helene Fischer denken.

Die Amigos Karl-Heinz und Bernd Ulrich.
Die Amigos Karl-Heinz und Bernd Ulrich.

Die Amigos Bernd und Karl-Heinz Ulrich sind mit ihrem neuen Album „Zauberland“ auf Platz eins der Charts in Deutschland und der Schweiz gelandet, in Österreich auf Platz zwei. Damit unterstreichen die Brüder aus dem hessischen Villingen ihren Status als das erfolgreichste Schlager-Duo überhaupt. Doch Star-Allüren sind den beiden fern. Sie lieben ihre Bodenständigkeit. Über ihr neues Album „Zauberland“, das Geheimnis ihres Erfolgs, die Botschaften ihrer Lieder und Helene Fischer, sprach SchlagerPlanet mit dem Amigo Bernd Ulrich im Interview:

SchlagerPlanet: Ihr seid mittlerweile erfolgreicher als Michael Jackson, Bon Jovi und ABBA. Wie fühlt sich das an?

Bernd Ulrich: Mit dem Ausdruck „erfolgreich“ bin ich ganz vorsichtig. Wir haben in Deutschland zwar mehr Nummer-Eins-Alben als die genannten, aber das sind Weltstars. ABBA und Michael Jackson, das waren absolute Überflieger. Die Zeitungen sind mit solchen Formulierungen recht fix bei der Sache und solche Schlagzeilen klingen ja auch super, keine Frage, aber wir wollen da ja auch nicht vermessen sein. Wir bleiben bei allem Erfolg gern auf dem Boden der Tatsachen – irgendwann heißt es sonst womöglich, jetzt heben die Amigos ab. (lacht) Das wollen wir gar nicht so hoch bewerten. Wir freuen uns, dass wir mit deutscher Musik so viel erreichen. Mit Schlagermusik, die von vielen öffentlich-rechtlichen Radiostationen und Fernsehsendern gar nicht mehr beachtet wird. Aber du siehst, welchen Boom es auslöst, wenn wir zwei alte Dorfmusikanten deutschen Schlager machen. Das verdanken wir einzig und allein unseren Fans. Die können im Radio spielen, was sie wollen. Die Fans, die unsere Musik mögen, wollen sie hören und besorgen sie sich.

SchlagerPlanet: Was ist das Geheimnis Eures Erfolges?

Bernd Ulrich: Ich denke, dass wir ziemlich Fan-nah sind. Viele sagen: „Mit euch kann man reden, ihr seid genau wie wir.“ Und in unseren Texten machen wir nicht nur die typischen Discofox-Geschichten und nicht nur auf heile Welt. Wir singen auch über die alltäglichen Dinge des Lebens, die die Menschen betreffen. Dazu gehören der Tod, Obdachlosigkeit und Kindesmissbrauch. Wir sind seit vielen Jahren Botschafter des Weißen Rings und wehren uns gegen diese Unerträglichkeit des Missbrauchs von Kindern. Wir wollen wachrütteln. Das machen wir auch mit Liedern. Auch auf diesem Album ist wieder ein Lied, das sich ganz klar gegen den häuslichen Missbrauch richtet.

Das neue Album der Amigos „Zauberland“.
Das neue Album der Amigos „Zauberland“.
©Ariola / Sony Music

Wenn Leute aus dem Publikum hören, dass wir darüber sprechen und singen, wächst das Vertrauen und das Schamgefühl wird überwunden. Und das bewirken wir ein bisschen mit unseren Liedern. Oft kommen Leute zu uns und sagen, dass sie betroffen sind. Das sind Geschichten, da läuft es einem kalt den Rücken runter. Aber sie haben Zutrauen und manchmal konnten wir durch unsere enge Verbindung zum Weißen Ring in Einzelfällen sogar schon ein bisschen dazu beitragen, Lebensumstände zu verbessern.

Wichtige Botschaft der Amigos

SchlagerPlanet: Du sprichst den Song an „Sie kam nie mehr zurück“. Darin findet Ihr sehr deutliche Worte für das Thema.

Bernd Ulrich: Es sind klare Worte. Was willst du denn da beschönigen? Die Täter gehören einfach isoliert. Sie sind krank, gehören weggesperrt und dürfen nie mehr mit Kindern in Berührung kommen. Das sind ganz klare Aussagen, die wir machen. Das Leben der ganzen Familien, in denen so etwas geschehen ist, ist kaputt und wird nie mehr so sein, wie es früher war. Die missbrauchten Kinder haben nach dem Übergriff keine glückliche Stunde mehr und tragen das ein Leben lang mit sich herum. Und so ein Drecksack ist nach vier, fünf Jahren wieder auf freiem Fuß und sucht sich ein neues Opfer. Aus diesem Grund wollen wir ein ganz klares Zeichen setzen und den Opfern Mut machen: Jeder der missbraucht wurde, darf nicht schweigen, sondern muss anklagen.

Wir werden manchmal belächelt und kriegen zu hören: Solche Texte haben in der Schlagerwelt nichts zu suchen. Aber über was soll man singen? Über die heile Welt, die es nicht mehr gibt. Wo sich die Menschen in die Luft sprengen und andere in den Tod reißen? Oder nur Über einen Urlaub, den sich kaum noch einer in unserem Land leisten kann? Wir singen über die alltäglichen Dinge, die die Menschen beschäftigen. Und unsere Fans danken uns das.

SchlagerPlanet: Ihr habt auch sehr persönliche Lieder auf dem neuen Album, wie „Spiegelbild“, „Sommer 65“ oder „Trucker wie Papa“. War es bewusst so, dass Ihr diesmal einige biografische Songs im Fokus hattet?

Bernd Ulrich: Ja, selbstverständlich. Zum Beispiel „Spiegelbild“. Irgendwann kommst du in das Alter, in dem du morgens in den Spiegel schaust und dir denkst „Scheiße, das erste graue Haar“. Das ist das Leben. Es geht halt weiter und es kann umso schöner werden, trotz des grauen Haars. Und das Lied „Trucker wie Papa“, hat mein Bruder für seinen Sohn geschrieben, der wirklich Trucker ist. Dessen Sohn ist jetzt fünf Jahre alt und total verrückt nach LKWs. Er fährt mit seinem Vater mit. Das ist also eine ganz persönliche Geschichte.

SchlagerPlanet: Was sind denn Eure schönsten Erinnerungen an die Kindheit?

Bernd Ulrich: Im Sommer 65 war mein Bruder 17 Jahre alt, ich 15, und wir haben schon Musik gemacht mit so einem kleinen Hohner-Verstärker. Die Zeit war anders. Wir haben uns abends mit unseren Freunden im Dorf getroffen und dann war die Bande zusammen. Heute trifft man sich nicht mehr, stattdessen hat jeder ein Handy oder Tablet. Die Zeit ist vorwärts gegangen. Wer heute von den Kindern kein Handy hat, der ist ja schon ein Außenseiter.

Wir hatten eine ruhige Kindheit, wir waren viel draußen, haben viel Fußball gespielt, Musik gemacht und uns mit Freunden getroffen. Wir erinnern uns gerne an unsere Kindheit.

SchlagerPlanet: Ist das auch mit dem „Zauberland“ gemeint, nach dem Ihr das Album benannt habt?

Bernd Ulrich: Das „Zauberland“ haben wir ein bisschen anders interpretiert. In der heutigen Zeit, in der sich Menschen grundlos umbringen, da wünscht sich sicher der eine oder andere, dass man sich in ein Zauberland beamen könnte. Man will in die friedliche Welt, die man sich in Gedanken erschaffen hat, so wie die Welt sein könnte. Im Überfluss werden Obst und Fleisch vernichtet und fünf Kilometer weiter sterben Kinder an Hunger. Die Welt stimmt nicht, sie ist aus dem Gleichgewicht geraten. Dass sich die Mächtigen dieser Welt nie einig werden ist schlimm. Das Leben ist kostbar und so kurz – und dann muss man so was erleben. Unbegreiflich.

SchlagerPlanet: Was möchtet Ihr da mit Eurer Musik bewirken?

Bernd Ulrich: Auf alle Fälle wollen wir Brücken bauen zwischen den Menschen. Wir erleben das ja. Heute haben wir eine Mail von Fans aus Ostfriesland bekommen, die Leute aus Südtirol auf einem Amigos-Konzert kennengelernt haben und jetzt zusammen in den Urlaub fahren. Wir wollen den Menschen die Sorgen nehmen, so dass sie sich für einen Moment in eine andere Welt hineinträumen können.

SchlagerPlanet: Ihr bekommt ja sicher auch mit, wie sich der Schlager in den letzten Jahren entwickelt hat. Helene Fischer geht jetzt im September wieder auf große Tournee. Hättet Ihr nicht auch mal Lust, so eine große Bühnenshow mit Tänzern und Lichteffekten zu machen?

Bernd Ulrich: Vor Helene Fischer ziehen wir den Hut. Was diese Frau schafft und wie hart sie dafür trainiert, ist unglaublich. Wer schlechte Kommentare über sie abgibt, der weiß gar nicht, was diese Frau leistet. Aber wir sind zufrieden mit dem was wir tun. 150 Tage im Jahr sind wir auf Tour in überschaubaren Hallen mit 2.000 bis 3.000 Leuten. Das reicht uns vollkommen. Wir sind glücklich damit.

SchlagerPlanet: Welche Musik hört Ihr privat?

Bernd Ulrich: Alles was es an deutscher Musik gibt, alleine um zu sehen, wie die anderen Künstler arbeiten. Und klassische Countrymusik, nicht Rock- oder Pop-Country, sondern Tom Astor oder Johnny Cash. Meistens haben wir zum Musikhören aber keine Zeit.

©Youtube / AmigosVEVO

„Was ist denn Luxus?“

SchlagerPlanet: Ihr seid für Eure Bodenständigkeit bekannt, aber gibt es vielleicht einen kleinen Luxus, den Ihr Euch hin und wieder mal gönnt?

Bernd Ulrich: Das werden wir oft gefragt. Wir sind nicht so erzogen worden und jeder Wunsch, den wir jetzt noch hätten, der wäre unverschämt. Wir haben keine Wünsche mehr. Und Luxus...was ist denn Luxus? Für mich ist Zeit Luxus. Aber ein goldenes Kettchen für 10.000 Euro, das ist für mich kein Luxus, das ist rausgeworfenes Geld.

SchlagerPlanet: Anfang des Jahres gab es ja die Gerüchte, dass Ihr bald mit Euren Bühnenauftritten aufhört. Das habt Ihr ja alles dementiert.

Bernd Ulrich: Das ist ganz schnell wieder revidiert worden.

SchlagerPlanet: Genau, aber könnt Ihr euch wirklich noch vorstellen, mit 80 auf der Bühne zu stehen?

Bernd Ulrich: Die Gedanken machen wir uns zur Zeit überhaupt nicht. Wir sind dermaßen fit, haben Spaß an der Musik und den Konzerten und fühlen uns gut. Wenn es irgendwann einen gesundheitlichen Tiefschlag gibt, dann wird es wohl vorbei sein. Ich kann nicht in die Zukunft schauen. Die Glaskugel ist momentan kaputt. (lacht) Solange wir uns so fühlen und es so geht wie jetzt, machen wir natürlich weiter.

SchlagerPlanet: Gibt es sonst noch Pläne?

Bernd Ulrich: Wir sind in diesem Jahr bis Dezember auf Tour und im nächsten Jahr beginnt die nächste Tour.

Wir haben gerade die Autogrammstunden-Tour zu „Zauberland“ beendet und machen uns schon wieder Gedanken um das nächste Album für 2018. Getreu nach dem alten Spruch von Sepp Herberger: Nach dem Album ist vor dem Album.

SchlagerPlanet: Lieber Bernd, wir danken Dir für das Gespräch!

Patrick Kollmer
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