Ganz schön mittelalterlich...
Das Westfälische kann, wie so viele regionale Dialekte noch tausendfach untergliedert werden, wobei tausendfach sicher 900fach übertrieben ist. Der Einfachheit halber widmen wir uns den vier Hauptgruppen, in die man das Westfälische, das wiederum eine Unterkategorie des Niedersächsischen ist, grob einteilen kann. Diese Mundartgruppen sind das Münsterländer Platt, das Sauerländer Platt, Ostwestfälisch und das Westmünsterländische. Doch das Westfälische ist noch weiter verteilt, so finden sich einige weitere Ableger, die etymologisch zur Mundartfamilie des Westfälischen gehören, beispielsweise auch in den Niederlanden.
Das Münsterländer Platt spricht man, der Name nimmt es vorweg, im Großraum Münster. Westmünsterländisch folglich westlich davon, im Raum Bocholt. Das Sauerländerplatt, auch hier lässt der Name bereits eindeutige Schlüsse zu, im Sauerland und das Ostwestfälische kann man im Raum Osnabrück, im Tecklenburger Land sowie in Ostwestfalen-Lippe vernehmen. Ein ganz schön großer Sprachraum also, der auch eine geschichtsträchtige Vergangenheit aufweist.
So waren es Klöster und Kleriker im Allgemeinen, die dafür sorgten, dass sich das Altwestfälische durchzusetzen vermochte. Nur in einer kurzen Zeitspanne hielten Kleriker das Altwestfälische in ihren Texten fest und liefern uns heute einen Nachweis dafür. Bis etwa 1050 finden sich Texte in der Mundart, danach - so scheint es - griffen die Mönche wieder auf ihr altbewährtes Latein zurück.
Etwa Anfang des 14. Jahrhunderts tauchte dann erneut ein Vorgänger der Westfälischen Mundart auf. Heute sprechen wir vom Mittelniederdeutsch. Es gibt aber so viele niederdeutsche, hochdeutsche und süddeutsche Dialekte, dass es fast unmöglich scheint, den Überblick zu behalten, weswegen wir versuchen, schnell in die Gegenwart fortzuschreiten, weil wir uns da wieder auskennen.
Für die Verbreitung des Mittelniederdeutschen hatte in erster Linie die Hanse gesorgt. Diese verlor aber langsam an Einfluss: Der Buchdruck krempelte sowieso alles von Grund auf um, was geschrieben wurde und der Norden Deutschlands verlor gegenüber dem Süden an wirtschaftlicher Bedeutung. Damit versank auch das Mittelniederdeutsche im ewigen Sumpf der Sprachlosigkeit.
Später durch die Bildungsexpansion bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich neben all den kleinen Regionalsprachen auch das Hochdeutsche in Norddeutschland, zumindest als Zweitsprache etabliert. Und da stehen wir heute.
Dass sich in einer derart langen Geschichte auch zahlreiche Prominente finden, die über den Westfälischen Sprachraum hinaus auf sich aufmerksam machen konnten, liegt auf der Hand. Denken wir nur an Annette von Droste-Hülshoff. Ende des 18. Jahrhunderts bei Münster geboren, findet sich heute wohl kaum ein Germanistik Student, der sie nicht kennt. Ihre Judenbuche findet sich mindestens auszugsweise in jedem Deutschbuch.
Es gibt einige sprachliche Besonderheiten des Westfälischen. Der Hund zum Beispiel heißt dort „Rüe“. Besonders prägnant ist auch die „Westfälische Brechung“, bei der alte Kurzvokale in offener Silbe aufgebrochen werden. Sehr mittelalterlich klingt es deshalb, wenn der Westfale vom „Iäten“ spricht, was „essen“ bedeutet, oder „Fuegel“ statt „Vogel“ sagt.
Ein Dickkopf vor dem Herrn – aber ein guter Dickkopf
Der Westfale, so meint der Volksmund einmal wieder besserwisserisch zu wissen, ist der geborene Sturkopf. Nur was er will, kommt ihm in die Tüte und wenn da einmal etwas drin ist, bleibt es da auch. Dafür gilt er auch als zuverlässig. Ein Westfale, ein Wort sozusagen. Und was er anpackt, bringt er auch zu Ende. Das ist nicht das schlechteste Vorurteil, das eine regionale Gruppe über sich ergehen lassen muss. Gleichzeitig seien die Westfalen Neuen gegenüber allerdings wenig aufgeschlossen. Man müsse erst einen Sack Salz mit ihnen essen, bevor man sich mit ihnen verstehe. Das ist wahrscheinlich nur halb wahr, aber Klischees gehören nun mal gepflegt.
Wenn es eine Sache gibt, die alle Westfalen, ungeachtet ihrer genauen Herkunft eint, so ist es die Mettwurst. Große Fans derer sind sie alle, nicht nur die Westfalen.
Das Westfalenlied
Es gibt heute mehrere Lieder, die sich „Westfalenlied“ nennen. Sicher ist aber, dass es nur eines gibt, das wirklich vielen Westfalen ein Begriff ist und deshalb auch tatsächlich den integrativen Charakter aufweist, den eine Hymne – ob national, regional, international oder kosmopolitisch – besitzen sollte, um als Hymne wahrgenommen zu werden und als solche überhaupt eine Existenzberechtigung zu haben.
Die bekannteste Version also stammt von Emil Rittershaus. Sein Text wurde erstmals im Jahr 1869 im „Wochenblatt für den Wahlkreis Iserlohn-Altena“ veröffentlicht. Die Melodie dazu folgte bald von Peter Johannes Peters. Das Lied selbst beschäftigt sich mit dem Land und den Leuten, wobei es versucht, die Eigenarten der Westfalen und deren Kultur greifbar zu machen und zu erklären. Gönnt es euch ruhig, es ist ganz schön aufschlussreich.
Ihr mögt den Rhein, den stolzen, preisen,
der in dem Schoß der Reben liegt,
wo in den Bergen ruht das Eisen,
da hat die Mutter mich gewiegt.
Hoch auf dem Fels die Tannen steh'n,
im grünen Tal die Herden geh'n,
als Wächter an des Hofes Saum
reckt sich empor der Eichenbaum,
da ist's, wo meine Wiege stand, O grüß dich Gott, Westfalenland! (2x)
Wir haben keine süßen Reben
und schöner Worte Überfluss
und haben nicht so bald für jeden
den Brudergruß und Bruderkuss.
Wenn Du uns willst willkommen sein,
so schau auf's Herz, nicht auf den Schein,
und sieh uns grad hinein ins Aug',
gradaus, das ist Westfalenbrauch!
Es fragen nicht nach Spiel und Tand, die Männer aus Westfalenland (2x)
und unsre Frauen, unsre Mädchen,
mit Augen, blau wie Himmelsgrund,
sie spinnen nicht die Liebesfädchen
zum Scherz nur für die müß'ge Stund'.
Ein frommer Engel hält die Wacht
in ihrer Seele Tag und Nacht,
und treu in Wonne, treu in Schmerz
bleibt bis zum Tod ein liebend Herz.
Glückselig, wessen Arm umspannt, ein Mädchen aus Westfalenland. (2x)
Behüt' dich Gott, du rote Erde,
du Land von Wittekind und Teut,
bis ich zu Staub und Asche werde,
mein Herz sich seiner Heimat freut!
Du Land Westfalen, Land der Mark,
wie deine Eichenstämme stark,
dich segnet noch der blasse Mund
im Sterben, in der letzten Stund'!
Du Land wo meine Wiege stand, o Grüß dich Gott, Westfalenland! (2x)
Die westfälischen Musikerinnen und Musiker
Nicht nur die Geschichte hat große Westfalen hervorgebracht, auch die Beschäftigung mit der aktuellen, musikalischen Kulturlandschaft lohnt sich. Was wäre die deutsche Popmusikgeschichte ohne Nena, die wohl berühmteste Kurzhaarträgerin der Welt. Geboren wurde sie 1960 in Hagen, 1983 feierte sie ihren größten Erfolg. Die „99 Luftballons“ oder „red balloons“, wie sie im englischen Sprachraum heißen, kennt jedes Kind und sind bereits zum Sprichwort geworden. Auch privat setzt sich Nena, die mit „99 Luftballons“ ein ewiges Statement gegen Krieg und menschliche Abgründe geschaffen hat, für den guten Zweck ein. Fast 20 Alben hat die wohl berühmteste Vertreterin der Neuen Deutschen Welle bis heute veröffentlicht. Sie ist bekannt wie ein bunter Hund und gehört zu jedem sinnvollen Musikkanon einfach dazu. Heute lebt Nena mit ihrer Familie in Hamburg-Rahlstedt.
Wer kennt ihn nicht – den nuschelnden Hutträger, der die deutsche Musiklandschaft seit einer gefühlten Ewigkeit mitdefiniert: Udo Lindenberg. Kaum eine Auszeichnung, die er nicht erhalten hat, ob musikalisch oder literarisch. Kaum ein Preis, den er nicht gewonnen hat, Bambi, Echo, Goldene Schallplatten oder Grimme-Preis – Fast jede Kategorie wurde bereits von Udo Lindenberg dominiert. Und erst 2008 mit dem letzten Nummer 1 Album mit „Stark wie zwei“. Denn das ist Udo Lindenberg mindestens.
Die meisten kennen sicher auch Alphaville. In dem Jahr, in dem Nena ihren größten Erfolg mit „99 Luftballons“ feierte, gründete sich die Band aus Münster. Die Urbesetzung bestand aus Marian Gold, Bernhard Lloyd und Frank Mertens. Von den Gründungsmitgliedern haben sich aber zwei bereits verabschiedet, noch dabei ist nur Marian Gold. Stattdessen sind nun David Goodes und Jakob Kiersch dabei.
Die Singles von Alphaville sind keine Unbekannten auf guten Parties: „Big in Japan“ von 1984 etwa oder der ewige Klassiker „Forever Young“. Beide erschienen auf dem Album „Forever Young“. Auch sollte „Forever Young“ allen ein Begriff sein, weil es kaum einen Song gibt, der häufiger gecovert wurde. Sicher 50 Coverversionen sind für jeden Fan auffindbar, wenn er suchen möchte. Das Original bleibt aber das Original und das ist von Alphaville.
Aus Ostwestfalen-Lippe kommt Ben Schubert, der Singer Songwriter, der mit dem ganzen melancholischen Weltschmerzzeug der anderen Vertreter seiner Zunft nicht so viel anfangen kann. Wie diese besingt auch er die tragischen Dinge des Lebens, hütet sich dabei aber, den Humor über all der Melancholie zu verlieren. Ein erfrischender Ansatz, den sein Album „Lieblingskind“ auszeichnet. Der junge Mann, der sich selbst am Klavier begleitet, beweist hierdurch Mut und vor allem auch ein gesundes, erquickendes Gespür für Musik.
Bad Oyenhausen ist die Heimat der Band Fünftürer. Torsten Junggebauer, Ilias Beermann, Giovanni Fusarelli, Michael Beimel und Dennis Fründ sind die fünf Türen. Seit 2008 machen sie Musik, die das beschauliche Bad Oyenhausen inzwischen langsam, aber sicher aufzumischen weiß. Funky Funky ist die Musik, der Gesang deutsch und „Groove Pop“ das Genre ihrer Wahl. Zumindest wäre es das, wenn sie sich auf ein Genre festlegen wollten, was ihnen aber eigentlich fernliegt. Feststeht nur, dass die E-Piano Klänge und rhythmischen Beats kein Tanzbein stillstehen lassen.
A-capella aus Münster? Gibt es auch. Und zwar allerhöchster Güteklasse. 6-Zylinder, da ist die Verwechslungsgefahr mit einem starken Motor nicht gerade gering. Doch das ist sicher auch beabsichtigt, denn der Name ist Programm und motorengleich sind die Stimmen der fünf, die einmal als sechs begannen, fest und glasklar, kräftig und treibend. Die Jungs können singen. Gegründet haben sie sich 1983 – scheinbar das Jahr der westfälischen Musik.
2005 gründete sich die B-Five-Bluesband um Klaus Schaake, der 2012 ausschied, weil er nach Frankreich zog. Ihn ersetzte Gernot Schreiber, der „Rocked Man“. Aus den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft – Polizei, Medien, Medizin und mehr – kamen fünf Jungs zusammen, um gemeinsam den Blues zu spielen, denn Blues geht immer. Die fünf interpretieren vor allem die Klassiker und sind vor großem wie vor kleinem Publikum äußerst renommiert.
1969 in Hattingen an der Ruhr wurde André Wörmann geboren. Sein Leben stand immer im Zeichen der Musik, doch erst 2009 sollte er seine erste eigene CD aufnehmen. Es dauerte nicht lange, da machten sich seine Bemühungen bezahlt. Sein Heimatverein, Borussia Dortmund wurde auf den Sänger aufmerksam. Eigentlich war es sogar besser: André Wörmann machte auf sich aufmerksam, weil er bei einem Wettbewerb derart grandios sang. Damit errang er so viel Aufmerksamkeit, dass er dann später bei jedem Heimspiel die Vereinshymne sang. Gibt es für einen Fußballfan eine größere Ehre?