„Eine Musikausbildung ist wie ein Angelschein“

Basics für Berufsmusiker

Was erwartet mich heute, wenn ich als Musiker durchstarten will? Was bringt mir eine Ausbildung dafür? Und wie merke ich, ob dieser Beruf das Richtige für mich ist?

Die FMW bildet Berufsmusiker mit Herzblut aus.

Unsere Interviewpartner, Bodo Neumann-Gutzeit und Bernhard Sperrfechter, stehen als Musiker und Dozenten der Frankfurter Musikwerkstatt (FMW) mit beiden Beinen im Musikbusiness. Mit SchlagerPlanet sprechen sie über die heutigen Herausforderungen des Musikbereiches, aber auch über wichtige Eigenschaften und Werte für Berufsmusiker - und für solche, die es werden wollen.

SP: Was sind die heutigen Herausforderungen der Musik-Branche, was blieb gleich, was ändert sich?

B.S.: Eine Herausforderung vor der man als Künstler immer steht, ist, sich richtig zu platzieren. Dabei muss er einerseits die Kunst lieben und das Bedürfnis haben sich auszudrücken und andererseits Möglichkeiten finden, sich selbst zu vermarkten und seine eigene Profession in der Öffentlichkeit darzustellen. Ich glaube, vor allem letzteres hat sich sehr verändert.

B.N-G.: Das liegt meiner Meinung nach auch daran, dass es heute viel einfacher ist, z.B. etwas selbst aufzunehmen oder sich auf einer Website zu präsentieren. Dazu kommen die Möglichkeiten der sozialen Netzwerke. Heutzutage wird eher eine „eierlegende Wollmilchsau“ verlangt, jemand, der, je nach Möglichkeiten, Bereiche von beispielsweise Produktion, Vermarktung und Booking selbst übernimmt.



Bodo Neumann-Gutzeit

Ist Schulleiter der FMW Frankfurter Musikwerkstatt. Er ist Schlagzeuger und hat viele Jahre in der deutschen Worship-Szene mitgewirkt. Den spirituellen und heilenden Aspekt, von Musik findet er selbst hochspannend. Außerdem liebt er an Musik, dass man dabei ganz die Zeit um sich herum vergessen kann.


B.S.: Was sich aber auch noch verändert hat, ist, dass man früher noch den Traum hatte, von einem Projekt, z.B. einer Band, leben zu können. Das würde heute nicht mehr reichen, um einen Musiker zu ernähren. Als Musiker muss man deshalb ein Berufsspektrum abbilden, das alles bedient: Man muss musikalisch viel können, aber auch sehr flexibel sein, um gleichzeitig in mehreren Projekten zu arbeiten. So kann es sein, dass man in mehreren Bands spielt und gleichzeitig eine Lehrtätigkeit ausübt.

B.N-G.: Letztlich ist das ja das große Versprechen von Castingshows: dass man ein Star wird.



Bernhard Sperrfechter

Beschreibt sich als Musiker, Gitarrist und „Akkord“-Arbeiter aus Leidenschaft und ist für diese Leidenschaft sehr dankbar. Er hat bereits mit vielen Leuten, von Schlagerstars über Bigbands und Jazz gespielt, und sieht sein Talent darin, dass er immer Spaß an der Gitarre gehabt hat und daran, „naiv zu arbeiten“.


SP: Viele Castingshow-Sieger wären ohne fundierte Ausbildung wahrscheinlich gar nicht so weit gekommen. Was sind denn Ihrer Meinung nach die Vorteile einer solchen Ausbildung?

B.N-G.: Ich glaube, mit einer fundierten Ausbildung kann man besser auf Veränderungen im Musikbusiness reagieren – und zwar nicht, weil man unbedingt alles kann, sondern weil man weiß, wo man es findet. Es ist wichtig für einen Künstler, sich immer wieder neu zu erfinden, wenn man ein Leben lang bestehen möchte. Das wird immer mehr gefordert und das ist ja auch ein Teil der Ausbildung bei uns – den Leuten lebenslanges Lernen ans Herz zu legen und beizubringen.

SP: Wie bringen Sie Ihren Studenten das konkret in der Ausbildung bei?

B.N-G.: Das fängt schon bei den Basics an: „Üben bedeutet, etwas zu tun, was man nicht kann“. Das ist ja schon eine ganz grundlegende Information, die viele nicht haben. Die ewig und drei Tage das Gleiche spielen, immer wieder von vorne anfangen, nicht variabel üben und nicht variabel lernen. Ein profanes Beispiel aus dem Musikschulalltag wäre beispielsweise, dass es dann zu Hause vielleicht geklappt hat aber beim Vorspielen nicht.

B.S.: Eine Ausbildung bedeutet ja auch, dass die Schüler von jemandem lernen, der in dem Business insgesamt schon weiter ist, von Profis die mitten im Leben stehen. Durch diese Erfahrungen, die schon gemacht sind, verkürzt jeder Einzelne diese eigene Lern-Strecke. Denn ein Lehrer macht auf Schwächen aufmerksam, die es zu verbessern gilt, und gibt Hilfestellung dabei. Außerdem hat man in einer Ausbildung den ganz großen Vorteil der Vernetzung: Einerseits lernen sich die Studenten untereinander kennen, bilden Gruppen, vergeben sich Auftritte und schustern sich Projekte zu. Und andererseits sind die einzelnen Hoch- und Musikschulen miteinander vernetzt und bieten einen Austausch. So bildet sich mit jeder Studentengeneration quasi eine eigene Szene um die Schule herum, die wieder eine Künstlergeneration ausbildet.

Musikstudentin am Klavier
Übung macht den Meister - nur wer sich hierbei Herausforderungen stellt kann über sich selbst hinauswachsen.
©Frankfurter Musikwerkstatt

SP: Wie stehen Sie zu dem Vorurteil „Musik als Beruf ist brotlose Kunst“?

B.N-G.: In der heutigen Gesellschaft sind die Annahmen leider immer noch verbreitet, dass Künstler bzw. Musiker unzuverlässig sind und ein unregelmäßiges Einkommen haben. Das ist genauso eine steinzeitliche Vorstellung, wie die, dass der Schlagzeuger nur für den Rhythmus in der Band alleine zuständig ist. Das sind Dinge, mit denen werden wir vielleicht nie aufräumen. Aber zumindest die Leute, die hier an der FMW ihre Ausbildung machen, bekommen die Information, „dass jeder Holz holen muss, um das Feuer am Leben zu erhalten“. Jeder Musiker muss sein eigenes Timing haben und darf sich nicht auf dem anderen abstützen. Um auf das Beispiel des Schlagzeugers zurück zu kommen: Es dürfen sich nicht alle auf dem Schlagzeuger abstützen, sondern alle müssen auf eigenen Füßen stehen, selbst agieren und reagieren. Nur so kann man Gestalter von Musik sein.

B.S.: Also brotlos ist die Kunst natürlich nicht. Eine Schule hat natürlich auch den Vorteil einer gewissen Legitimation. So kann ich aufgrund eines Scheines nachweisen, dass man
ausgebildeter Musiker und Instrumentalpädagoge ist und das wird vom Finanzamt anerkannt. Dadurch kann man beispielsweise Instrumente steuerlich absetzen, da man durch diese Ausbildung als Freiberufler gewertet wird. Würde man das autodidaktisch machen, bräuchte man Jahre, um diesen Ist-Zustand nachzuweisen, dass man ausgebildeter Musiker ist. Im Prinzip ist eine Musikausbildung wie ein Angelschein – Sie dürfen angeln, aber Sie müssen auch wissen wo. Genau darauf ist die Ausbildung dann auch angelegt, dass die Leute wissen, wo sie ihr Brot finden. Und mittlerweile haben auch schon 250 solcher Profis unsere Schule verlassen.

SP: Welche Fähigkeiten geben Sie Ihren Studenten in der Ausbildung denn mit, um sie fit für die Karriere zu machen?

B.S.: In erster Linie natürlich handwerkliche-instrumentale Fähigkeiten, aber auch Improvisation, Songwriting, Komposition und Anleitung für den Aufbau jeglicher Form von Ensembles. Denn man muss als Musiker genauso gut eine Backline von Schlagerstars bilden können, wie bei einem World Music Projekt.

B.N-G.: Unsere Schule ist auch ein Stück weit Persönlichkeitsbildung. Neben Dingen wie „Zeitmanagement“ und „Umgang mit Geld“ müssen die Leute auch erkennen, was ihre Werte sind und um ihre Kernkompetenzen wissen. Außerdem ist es wichtig, dass sie den Wert ihres sozialen Umfeldes und Netzwerkes sehen, dieses pflegen und Hilfestellung bekommen, mit Erfolg richtig umzugehen. Sie müssen auch nach dem großen Applaus beim Sonntagskonzert lebensfähig bleiben, wenn sie am Montag in den Alltag zurückkehren. Ein Aushängeschild der FMW ist ja, dass hier ausgebildete Pädagogen unterrichten, die ihr Fach verstehen und nicht nur Rezepte an die Hand geben und Konzepte, die gut funktionieren. Sie sollen den Leuten vielmehr beibringen, was hinter den Konzepten steht und sie befähigen, diese Konzepte und Modelle zu analysieren – damit sie daraus ihr eigenes Konzept entwickeln können.



Frankfurter Musikwerkstatt

Die Frankfurter Musikwerkstatt (FMW) ist eine private Institution in Hessen und wurde 1984 gegründet. Seitdem starten hier jedes Semester zwischen zehn und 25 neue Studenten in Vorstudium und Studiengang mit dem Doppelabschluss zum staatlich anerkannten Berufsmusiker und Instrumentalpädagogen für Jazz und Populäre Musik.


SP: Was sind denn die häufigsten Beweggründe Ihrer Bewerber, bei Ihnen anzufangen?

B.N-G.: Leidenschaft. Die Leute haben wirklich den Wunsch, mit Musik der Welt etwas Gutes zu tun und die Welt zu beschenken. Vor allem selber kreativ werden zu können und etwas zu schaffen. Keine andere Kunst kann so unmittelbar berühren wie Musik. Wenn das Menschen entdecken, dann wollen sie das weiterentwickeln. Der letzte Beweggrund ist, reich und berühmt zu werden ;-)

SP: Müssen sich Ihre Studenten vor Studienbeginn ihrer Leidenschaft schon sicher sein, oder ist das Studium auch für diejenigen etwas, die noch nicht ganz wissen, ob und was das Richtige für sie ist?

B.S.: Man kann alles entwickeln. Man kann Instrumente lernen, sich Rhythmusgefühl aneignen und eine Leidenschaft entwickeln. Deshalb sind Leute, die hierher kommen, weil sie denken „ich probier´s mal mit Musik, denn ich singe ja gerne“, bei uns genauso gut aufgehoben wie die Leute, die sich auf ganz hohem Niveau weiterbilden möchten. Sie können in unserem Vorstudium Orientierung finden, hereinschnuppern, andere Studenten kennenlernen, die schon länger da sind und eigene Projekte machen und Bands haben etc.

B.N-G.: Das ist ja genau der Vorteil, den wir an der FMW haben und was unsere Expertise ist – Leute an die Hand zu nehmen und ihnen eventuelle Wege und Chancen aufzuzeigen. Und sie aber auch zu begleiten, wenn sie merken, dass es nicht das Richtige für sie ist. Die meisten
unserer Studenten sind entweder bereits voller Leidenschaft, oder haben sich bisher noch nicht getraut eine Musikerausbildung zu starten. Das ist eine fantastische Sache mit anzusehen, wie diese Talent-Explosion stattfindet und die Leute richtig anfangen aufzublühen.
Aber längerfristig, um das Leben als Musiker durchzuziehen, braucht es diese Leidenschaft. Ich habe aber noch niemanden erlebt, der das ohne diese Leidenschaft und dieses eigene Gefühl dafür macht. Das ist immer mit involviert. So etwas ist natürlich auch eine pädagogische Herausforderung – individuell auf den Einzelnen einzugehen und anzuleiten.

Außenansicht der Schule
Die Frankfurter Musikwerkstatt bietet Interessenten eine Vielzahl an Studiengängen.
©Frankfurter Musikwerkstatt

SP: Gehört Talent Ihrer Meinung nach erst einmal nicht als Grundvoraussetzung für einen Beruf als Musiker dazu, weil man alles lernen kann?

B.N-G.: Natürlich ist bei den Menschen, die an der Weltspitze sind, Talent dabei. Aber im Endeffekt sind es ca. 5-10 % Talent und der Rest ist harte Arbeit und Glück, im richtigen Moment am richtigen Platz zu sein. Leider kann gerade Talent Leute lange davon abhalten, etwas zu lernen und sich weiterzuentwickeln.

B.S.: Man muss Talent auch vorsichtig definieren. Viele Menschen denken, Talent ist eine Segnung. Das ist es aber nicht, denn Talent ist geformt durch das soziale Umfeld. Prinzipiell ist jeder Mensch, der sprechen kann, für Musik talentiert und die Frage ist vielmehr wann das verschüttet wurde und ob man es nochmal freilegen kann. Talente sind ja so unterschiedlich: Einer hat ein tolles Gehör, ein anderer groovt wahnsinnig, und wieder ein anderer kann in zwei Wochen achtstimmige Chorsätze schreiben. Soll heißen – ja, jeder ist talentiert, wenn man die Verschüttung entdeckt. Und genau das zu entdecken kann sehr viel Leidenschaft freisetzen, die dann auch über eine lange Zeit bestehen bleibt. Das ist auch ein weiterer Vorteil der Ausbildung, dass man sich hier ausprobieren darf, und erste Erfolge macht.

SP: Können Sie angehenden Berufsmusikern zum Abschluss dieses Gesprächs noch einen Rat mit auf den Weg geben?

B.S.: Habt einfach Spaß an der Musik.

B.N-G.: Lasst euch nicht vom Kommerz blenden, von Zahlen und Versprechungen. Bemüht euch nicht um den schnellen Erfolg, aber seid vorbereitet, um auf Chancen zu reagieren, die sich bieten. Macht eine gute Ausbildung und geht besonnen mit Freude und Genuss durchs Leben.

Wir bedanken uns herzlich bei unseren großartigen Interviewpartnern!