Wenn wir in den Allgäuer Dialekt, genauer die allgäuische Dialekt-Gruppe eintauchen möchten, bis wir vor lauter phonetischen, grammatikalischen und linguistischen Eigenarten kaum noch hochdeutsche Luft atmen können werden, wollen wir erstmal den Begriff „Allgäu“ klären. Ganz dem oben genannten Klischee dienend, kommt das All von den Alpen. Das gäu kommt von Geäuen, einem altertümlichen Plural von Aue. Und wer weidet uns auf einer grünen Aue, wenn nicht das Leben im Allgäu? Einzelne Bauernhöfe hier und dort prägen das Bild der ewigen Wiesen mit den hohen Bergen am Horizont. Wem da das Herz nicht plötzlich ganz schwer wird, der hat keines.
Und wo wird die Mundart dieses wundervollen Fleckchens nun genau gesprochen, fragt sich der interessierte Leser. Und der Clou liegt hier. Weil man nämlich im Prinzip alles, was im Allgäu gesprochen wird und nicht Hochdeutsch ist, Allgäuerisch nennt, kann man ganz simpel sagen: Im Allgäu. Da allerdings unterscheiden sich einzelne Nuancen des Dialekts. Die Umgangssprache kennt das Westallgäuerische, das Oberallgäuerisch und das Ostallgäuerische.
Weil die allgäuische Kultur im Laufe der Jahre, wohl aufgrund der hübschen Kulisse, vor der sie sich befindet, auch in den Rest der Republik überschwappen konnte, kommen einem einige Wörter bekannt vor, auch wenn sie sich grundlegend von ihrem hochdeutschen Pendant unterscheiden. Der Bua ist der Junge – kann man wissen. Dass Grind der Kopf ist leuchtet hingegen nicht sofort ein. Vermutlich ebenfalls wegen der geographischen Besonderheiten der Region, kennt das Allgäuerische eine besondere Wetterlage - Obheiter: Sonne auf den Bergen, fiese Wolken im Tal. Da fehlt dem Hochdeutschen doch tatsächlich ein Begriff für.
Es hanged a roata Schtrumpf am Ofe. Die Bedeutung dieser Phrase liegt nicht unmittelbar auf der Hand, man muss schon intellektuell zugreifen: Es bedeutet nämlich, dass man ungewollt belauscht wird. Hosch mi? - hast du mich verstanden? In dem Fall wohl nicht. Ein weiterer Grund für die Kenntnisse vom Allgäu dürften darauf zurückzuführen sein, dass es berühmte Vertreter sein Eigen nennen kann. Hans Magnus Enzensberger zum Beispiel, Karl-Heinz Riedle oder Richter Alexander Hold.
Auch sonst kann das Allgäu mit einigen Besonderheiten aufwarten. Dort wurde die letzte Hexe zum Tode verurteilt. Ob das Urteil vollstreckt wurde oder nicht, ist nur halb so relevant, weil die Allgäuer alljährlich beim sogenannten „Funken“ eine Strohhexe verbrennen - Vergangenheitsbewältigung sozusagen.
Für den Integrationswilligen sind bei der Aussprache einige Dinge zu beachten: Das 's' wird praktisch immer zum 'sch', das 'ch' wird in der Kehle gekrächzt ('chrr'). Der Einfachheit halber werden vermeintlich überflüssige Konsonanten schlicht weggelassen und statt der formellen Anrede „Sie“ bevorzugen Allgäuer das feudalistisch anmutende „Ihr“.
Das Allgäu als Heimat
Das Allgäuer Mundartlied „Hoimat“ ist Lebensgefühl in melancholisch liebevollen Worten. In „Hoimat“ singt ein lyrisches Ich von seinem Bauernhof, der seine Heimat darstellt. Damit spricht er den meisten Allgäuern direkt aus dem Herz. Ist es auch nicht das große Geld, das winkt, die Verbundenheit mit dem Hof, der Familie bedeutet ihm alles.
„Seit über siebezg Johr haus i do hindaduss
Oi saget, des halt koinar aus
Doch no isch lang it schluss
Mitleid braucht mer niemed hau, es hot s no allat dau
Guet beinand sind Hof ond Feald, zfriede isch mei Vieh
I woiss, d Verwandtschaft watet gau, bis i übergib
Se wottet s gean, die Sieche blangrets, doch i lass no it luck
I sag: do bin i drhoi, do dana kher i na, do kenn i jedan Schtoi, do bin i drhoi
De Nachbaur dienet hert gau auf, ar schafft iatz auf m Bau
In Urlaub will ar endlich mol, wie soll i des verschtau ?
Wenn i ums Haus rum mächle ka, brauch i suscht niena na
I gang au gean amole fut, so will i gar it sa
Vom Remsar Tobel nauf ins Gschnaidt ond dann ins Reintal na
Ond jedsmol freits mi wieder, well bei eis Drhoi isch es doch so schie
I sag: do bin i drhoi, do dana kher i na, do kenn i jedan Schtoi, do bin i drhoi
I sag: do bleib i drhoi, do dana kher i na, do kenn i jedan Schtoi, do bleib i drhoi
Zum Leabe han i gnue, mei Hof isch zwar reacht klei
S goht halt allat grad dringum, meh muess es au it sei
Schmeck i duss des frische, gmähte Gräs, dann goht s mer guet
D Johr gand rum, nix bleibt wie s isch
Iatz hock i dinn im Heim, krieg s Easse auf de Tisch
Dienet stoht mei Höfle, mit feuchte Auge lueg i num
Do war i drhoi, do dienet kher i na, do kenn i jedan Schtoi, do war i drhoi
I sag: do bin i drhoi, do dienet kher i na, do kenn i jedan Schtoi, do bin i drhoi.“
Allgäuer Dialekt und seine musikalische Vielfalt
Wieder einmal haben wir Euch eine Top-10 von Mundartkünstlern zusammengestellt, die Ihr, wenn Ihr sie noch nicht kennt, unbedingt kennenlernen müsst.
Auf Platz eins haben wir Werner Specht. Der Liedermacher feiert seine allgäuische Heimat nicht nur durch die Mundart in der er singt, sondern auch durch das Spielen der Harfenzither, einem traditionellen allgäuischen Instrument.
Die sechs Mädels und der eine Kerl von den sieben Ludarleaben, sind natürlich die Herzensbrecherinnen des Allgäus. Julia Gotthardt, Teresa Dorn, Veronika Lax, Ulrike Rietzler, Johanna Waibel, Katharina Probst, Regina Sandler und Harald Probst sind die Stammbesetzung, der allerdings auch immer mal wieder von hochkarätigen Unterstützern ausgeholfen wird. Harald ist auch der Komponist und möchte seinen heimatverbundenen Liedern stets einen weltoffenen, humanistischen Touch verleihen. Progressiv im Konservativen. So schön kann das Allgäu sein.
Der Singer-Songwriter Bernd Obermayr kann auch so manches Herz brechen. Ist sein seriöser, gentlemanhafter Stil doch genau das, was man von einem klassischen Mundartkünstler eher nicht erwartet. Umso schöner, genau das auf der Bühne zu sehen, wenn Bernd Obermayr seine Lieder selbst am Klavier begleitet.
Seit 2002 besteht die Band Sabai Corner, benannt nach einer Strandbar auf der fernen Insel Koh Yao Noi. Das sind vier Männer, haben sie doch allesamt die 40 bereits geknackt und eine Sängerin, die allerdings noch nicht so viele Jahre auf dem Buckel hat. Funky, Reggae- und Ethnoeinflüsse eint man hier und eins weiß man: Ganz hohes Niveau, auf dem sich Sabai Corner da bewegt.
Losamol singen in allgäuischer Mundart und überraschen dabei mit einem frischen, unverbrauchten Sound, der dem Schlager gar nicht mal so nah liegt. Eher hören wir da Reggae-, Dancefloor- oder Raga-Einflüsse. Und zwar in verdammt guter Qualität. Vor Seeed und ihrem berlinerischen Dialekt brauchen Losamol Mundart sich nun wirklich nicht zu verstecken. Marta und Beane stammen beide aus dem Allgäu und schaffen es, die allgäuische Mundart auch einem jungen Publikum mundgerecht schmackhaft zu machen. Das Lied „Nauf auf die Bank“ von Losamol zum Reinhören und Nachlesen:
„Losamol Losamol es isch Festwoch
Hee Leit Hee Leit es isch Festwoch
Losamol Losamol es isch Festwoch
Hee Leit seids ihr bereit für die Allgäuer Festwoch
Dann heb dei Weizaglas dann heb Geißamaß
Nauf auf die Bank Nauf Nauf auf die Bank - ey
Isch auf eich Leit verlass komm na zeigat was
Nauf auf die Bank Nauf Nauf auf die Bank
Trinksch du a Radler oder hosch du an Wein im Glas
Nauf Nauf
Bisch du dr Fahrer heb dei Bluna, Fanta, Spezi, Cola, Wasser, Säftle Schorle, Eistee, Kaffee,
Sprudel – Nauf
I gang in meiner Lederhosa auf dia Festwoch
I stand neba am Mädla losamol hosch du di fesc gmocht
So viele schene Dirndl – dass ma glei a lescht hot
Scho wieder hot dia Festwoch dia Hasa aus ihrm Nescht glockt“
Kunst und Politik – ist das denn möglich? Also dass Kunst politisch ist, weiß jedes Kind, nur dass wir Politik nicht Ästhetisieren wollen, wissen wir spätestens seit den Nazis. Peter Rist hat den Spagat geschafft. War Bürgermeister in Reutlingen und Musiker – und was für einer. „Kultur schafft Heimat“ war sein erstes Album und siehe da – wer könnte diese Aussage eher verwirklichen als gerade er: Peter Rist?
D'Holzschuah sind vier junge knackige Jungs und Mädels, die sich gerne in traditioneller Kleidung präsentieren und die dazugehörigen Instrumente spielen. Steirische Harmonika, Kontrabass, seit 2013 auch ein Schlagzeug. Damals stieß zu den Geschwistern Anna, Andreas und Franz nämlich ihr Cousin Thomas.
Die Allgäu Feager nennen sich selber „Die Allgäuer Partyband“ - und wissen, wovon sie sprechen. 2003 fingen sie an. Damals noch mit Papa, als sie dem Onkel ein Ständchen zum Geburtstag spielten, sind die Geschwister heute auch ohne ihn souverän unterwegs, spielen regelmäßig auf kleinen und großen Festen und sind stets die Helden des Abends. Andreas, Anita und Josef sind die Party-Geschwister des Allgäus.
Und was ist mit den Westallgaiern? Diese fünf trachtentragenden Troubadoure haben sich ganz dem Oberkrainer Stil verschrieben. Jochen Breuss, Oliver Frommknecht, Bernhard Kolb, Hermann Röck und Walter Hartmann sind die Besetzung. Und der Ruf von ihrem Charme, den sie immer und überall versprühen, eilt ihnen voraus.
AllgäuPower! Honni, Maggie, Jakob, Max, Moritz, Mampfi und Wolle sind die Band. Und sie sind nicht nur gekommen, unsere Top-10 abzuschließen, sondern vor allem, um zu feiern. Mit Power! Rockig geht’s zu und in Mundart. Und mit lauter, schneller, grandioser Musik. Da bleibt kein Dorfzelt stehen. Also Augen zu und durch. AllgäuPower spürt man im ganzen Körper.