Als Mike und sein Freund nicht ins Fernsehen durften
Ross Antony, Paul Reeves oder Patrick Lindner sind nur ein paar Beispiele, die heute ganz offen zu ihren Partnern stehen können. Homosexualität war lange Zeit ein Tabuthema in der Schlagerbranche. Ein Lied über verliebte Männer erst recht.
Als in den 1960er- und 1970er-Jahren Studenten gegen das Establishment kämpften und die Welt über freie Liebe diskutierte, versuchte die Schlagerbranche an tradtionellen Werten und konservativen Ansichten festzuhalten. Zur heilen Welt gehörte die Ehe zwischen Mann und Frau und nicht zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Partnern. Als Bernd Clüver 1976 seine Single „Mike und sein Freund“ über ein homosexuelles Paar veröffentlichte, durfte er damit nicht im Fernsehen auftreten. Und in Interviews musste der heterosexuelle Sänger bestätigen, dass er nicht schwul sei.
Homosexualität in den Medien – früher und heute
Allein dieser Fall deutet an, welch wichtige gesellschaftliche Rolle die Medien schon immer spielten. Und das sowohl wie hier im negativen, als aber auch im positiven Sinne. „Sie können durch positive Bilder Mut machen und für diejenigen, denen etwas fremd erscheint, Nähe bringen und Ängste nehmen. Und selbstverständlich kann auch das Umgekehrte der Fall sein.“ erklärt der Sozialverein für Lesben und Schwule e.V. (SVLS).
Und auch der Verein OGays e.V. ist der Meinung, dass Medien oftmals hilfreich sein können: „Einerseits kann Aufklärung und Werben für Akzeptanz und Coming Out nun viel einfacher von jedem Schwulen und jedem Hetero erfahren werden, da der Zugang zu Informationen viel niederschwelliger ist als früher. Das ist gut, denn Coming Out findet so viel früher im Leben statt und dies wiederum tut der Seele eines jeden endlos gut. Es gibt nichts Schlimmeres, als sich selbst verleugnen und verstecken zu müssen!“
Homosexuelle Sänger wie Rex Gildo lebten ihr Liebesleben nur im Verborgenen, weil sie auch aufgrund einer reißerischen Berichterstattung um ihre Karriere bangen mussten. Anfeindungen und die Erfahrung von Ausgrenzung sorgten dafür, dass nur wenige Sänger wie Jürgen Marcus den Mut fanden, ihre Homosexualität offen auszuleben.
Mittlerweile sieht die Situation anders aus: Patrick Lindner, Ross Antony oder Paul Reeves sind nur ein paar Beispiele dafür, dass die sexuelle Orientierung für eine Karriere in der Schlagerbranche egal ist. Ross Antony kann das bestätigen: „Früher war es eher Karriere hemmend, wenn ein Künstler sich zu seiner Homosexualität bekannt hat. Das ist heute anders, glücklicherweise. Es gibt sicherlich noch einiges, was bewegt werden kann, aber ich denke, dass wir in unserer Gesellschaft auf dem richtigen Weg sind.“ Die Gesellschaft öffnet sich langsam.
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland sieht durchaus eine positive Entwicklung, aber auch immer noch Handlungsbedarf in der Medienlandschaft: „In der Medienberichterstattung über lesbisches und schwules Leben hat sich vieles zum Besseren gewandelt. Während ein Teil der Medien inzwischen seriös und angemessen berichtet, hält ein anderer Teil an reißerischer und voyeuristischer Aufmachung fest oder schweigt lesben- und schwulenpolitische Fragen überwiegend tot.“ Das sieht OGays e. V. ähnlich: „Viele Medien transportieren immer noch ein zu schräges, zu schrilles und zu klischeebehaftetes Bild von Schwulen. Aber was völlig Normales ist halt langweilig und will keiner angucken. Also muss es in Filmen oder auch durch schrill-schräge Künstler bedingt immer was Extravagantes sein, sei es im Auftreten, im Verhalten oder in der Kleidung.“
LSVD: „Die volle rechtliche Gleichstellung ist immer noch nicht verwirklicht.“
Auch die Gesetzgeber passten die rechtliche Situation an. Sogar bis 1994 stand Homosexualität noch als strafbare Handlung im StGB. Weitere Gesetze bezüglich der Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensweisen folgten. Dazu gehört auch das Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft aus dem Jahr 2001. Für den LSVD ist die Entwicklung aber noch nicht am Ende: „Für eine demokratische Gesellschaft sollte es selbstverständlich sein, Lesben und Schwule als gleichberechtigten Teil gesellschaftlicher Normalität anzuerkennen. In jahrzehntelangen Kämpfen wurden wichtige Fortschritte bei der rechtlichen Anerkennung erreicht, trotzdem ist die volle rechtliche Gleichstellung immer noch nicht verwirklicht.“
Es herrscht ein Wunsch nach Gleichberechtigung, dies könne aber nicht durch „Schwulengesetze“ erreicht werden, da diese aus Homosexuellen erst eine Besonderheit machen, weiß Ralf Bauer, Vorsitzender des OGays e.V. Darum plädiert er für die Zukunft nicht für „Schwulengesetze“ oder die „Homoehe“, sondern für „gleiche Rechte für alle. Es dürfen da keine Unterschiede mehr gemacht werden. Jugendliche sollen in einer Gesellschaft und in Elternhäusern aufwachsen, wo sie angstfrei und ohne Druck und Zwang herausfinden dürfen, wer sie sind und was sie von ihrer Sexualität her sind. Es geht doch um Liebe und nicht um den Weltuntergang!“
Ross Antony: „Was hilfreich wäre: Wenn mehr für Aufklärung getan wird.“
Auch Schlagerstar Ross Antony sieht weiterhin handlungsbedarf: „Es gibt sicherlich noch viel zu tun. Was hilfreich wäre: Wenn mehr für die Aufklärung getan wird." Die Offenheit der Gesellschaft hat weiterhin Grenzen. Ein Beispiel dafür: Homosexuelle Schlagerstars können offen ihre Liebe ausleben, ohne um ihre Karriere zu bangen. In anderen Branchen sieht das noch lange nicht danach aus. Das Outing des ehemaligen Fußball-Nationalspielers Thomas Hitzlsperger bleibt in der beliebtesten Sportart der Deutschen die Ausnahme. Rocksänger Marcus Wiebusch hat 2014 ein Kurzfilm-Musikvideo veröffentlicht, um auf diese Problematik hinzuweisen.
„Koalition für Gleichstellung und für eine vielfältige Gesellschaft“
Ein Anfang ist gemacht, die Entwicklung hin zu einer offenen Gesellschaft darf aber noch nicht zu Ende sein . Für diese Aufgabe sind allerdings nicht Verbände und Aktivisten alleine zuständig. Es ist die Aufgabe der gesamten Bevölkerung gegen Diskriminierung vorzugehen. Und so hofft der LSVD „auf eine breite zivilgesellschaftliche Mobilisierung gegen die Welle von Homophobie und Rassismus, die wir 2014 bei der Agitation gegen Bildungspläne für eine Schule der Vielfalt oder bei den Pegida-Demonstrationen erleben mussten. Beides hängt eng zusammen. Wir müssen gesellschaftliche Bündnisse gegen diese Politik mit dem Vorurteil schmieden, eine Koalition für Gleichstellung und für eine vielfältige Gesellschaft.“