Neues aus dem Land der Ottifanten

De âlde Friezen

In den rauen Gefilden der Nordseeküste lebt ein Volk, einst Fischer und Wattwanderer, das heute vor allem für unterhaltsame Witze herhalten muss. Doch auch die Kultur der Nordlichter hat einiges zu bieten.

Der Pilsumer Leuchtturm auf dem Nordseedeich.

Die friesischen Sprachen - die Letzten ihrer Art, oder?

Die friesische Sprache wird heute noch in Norddeutschland, den Nordniederlanden und der süd-westlichen Küste Dänemarks gesprochen. Sie zieht sich also fast durchgehend an der Nordseeküste entlang. In den Niederlanden wird die friesische Sprache sogar als Amtssprache gehandelt, während der Mundart in Deutschland keine derartige Bedeutung zukommt, obwohl sie in einigen Regionen durchaus zum Alltag der Einwohner gehört.

Die friesischen Sprachen lassen sich in drei Hauptsprachen unterteilen. Nordfriesisch, was in Nordfriesland und auf Helgoland gesprochen wird sowie auf den kleineren Inseln, die außen vorgelagert sind. Nordfriesisch gilt heute als aussterbende Sprache. Das Ostfriesische ist heute bereits fast vollständig ausgestorben. Laien widersprechen hier gerne, denn das friesische Platt wird im Alltagsgebrauch auch gerne als echtes Friesisch ausgegeben, was es aus sprachwissenschaftlicher Sicht aber nicht ist. Lediglich in der Gemeinde Saterland wird das original Ostfriesische noch gesprochen. Das Westfriesische hingegen ist noch gut vertreten. Vor allem in den Niederlanden wird es von einer knappen halben Million Menschen gesprochen und wirkt nicht so, als würde es langsam altersmüde werden wollen.

Alt ist das Friesische aber auf jeden Fall, bzw. die friesischen Sprachen mit ihren Unterteilungen und regionalen Dialekten. Die ersten Aufzeichnungen finden wir im Jahr 500 n.Chr., ab 1300 n.Chr. dann erste vollständige Texte auf Altfriesisch. Während das Alt-, Nord- und Westfriesische bereits genügend dokumentiert sind, lassen sich vom Altnordfriesischen keine Texte mehr finden. Feststeht aber, dass sich die drei Hauptkategorien der friesischen Sprache ab dem 16. Jahrhundert herausgebildet haben und heute so weit voneinander entfernt sind, dass man sich untereinander nicht mehr verstehen kann. Sie gelten als drei verschiedene Sprachen, die nur ein gemeinsames westgermanisches Erbe teilen.

In der deutschen Kulturlandschaft dürfte aber vor allem das ostfriesische Platt Aufmerksamkeit erregen. Noch recht nah am Hochdeutschen zeichnet sich der Dialekt unter anderem dadurch aus, dass er alles und jeden verniedlicht. Zumindest für unsere heutigen Ohren klingt es sehr danach. Das liegt daran, dass an das Wort ein -je, -tje oder -ke gehängt wird. Ein Hühnchen zum Beispiel finden wir in der Mundart des ostfriesischen Platts als Tüütje.

In den Rest der Bundesrepublik hat sich dieser Brauch insofern vorgewagt, als dass manche Namen, vor allem Frauennamen mir Verniedlichungsform entstanden sind. Dann fallen noch die speziellen Personalpronomen auf, die die Mundart von denen um sie herum unterscheidet: „hör“ für „ihr“ zum Beispiel, oder „hum“ für „ihn/ihm“.

Die Ostfriesen sind eine der anerkannten Minderheiten in Deutschland. Ihr berühmtester Vertreter, Otto Waalkes oder aber auch etwa Karl Dall haben es aber geschafft, jegliche Vorurteile, die sonst gerne mit einem Minderheitenstatus einhergehen, derart auf die Spitze zu treiben, dass man das Volk an der Nordsee nur noch sympathisch finden kann.

Der Ostfriesenwitz - Teil deutschen Kulturguts?

Wer wächst nicht mit ihnen auf, wer kennt nicht hunderte von ihnen? Gut möglich, dass ein Großteil der Witzeerzähler nie einen Friesen zu Gesicht bekam - von Otto Waalkes einmal abgesehen - doch einen Witz auf Kosten des norddeutschen Küstenvolks kennt fast jeder.

Die Struktur der Witze ist denkbar simpel: Frage – Antwort.
Was macht ein Ostfriese... warum geht ein Ostfriese... was sucht ein Ostfriese...
Es ist selten hohe Literatur, doch immer unterhaltsam. Hier ein Klassiker: Warum nehmen Ostfriesen ein Messer mit ans Meer? – Um damit in See zu stechen. Bei allem Witz, gemein wird es nie. Wir mögen sie ja.

De âlde Friezen - Die Friesen-Hymne

„Vom hohen Olymp“, so der Originaltitel der Melodie, doch verziert, verschönert und verfriest durch den wunderbaren Text Eeltsje Hiddes Halbertsmas. 1875 wurde sie zur offiziellen friesischen Nationalhymne ausgerufen, auch wenn es nie eine friesische Nation gab und somit das Offizielle doch sehr relativ bleiben musste. Die vier Strophen, die noch dazugehören, sind heute aber höchstes Kulturgut der Friesen und ein zauberhafter Song.

„Frysk bloed tsjoch op! Wol no ris brûze en siede,

en bûnzje troch ús ieren om!

Flean op! Wy sjonge it bêste lân fan d'ierde,

it Fryske lân fol eare en rom.

Refrain: Klink dan en daverje fier yn it rûn

Dyn âlde eare, o Fryske grûn!

Dyn âlde eare, o Fryske grûn!

Hoe ek fan oermacht, need en see betrutsen,

oerâlde, leave Fryske grûn,

Nea waard dy fêste, taaie bân ferbrutsen,

dy't Friezen oan har lân ferbûn.

Fan bûgjen frjemd, bleau by 't âld folk yn eare,

syn namme en taal, syn frije sin.

Syn wurd wie wet; rjocht, sljocht en trou syn leare,

en twang, fan wa ek, stie it tsjin.

Trochloftich folk fan dizze âlde namme,

Wês jimmer op dy âlders grut!

Bliuw ivich fan dy grize, hege stamme

in grien, in krêftich bloeiend leat!“

Unsere Top Ten der friesischen Mundart Künstler

Als kleiner Junge bereits mit dem Spielen der Posaune zu beginnen, zeugt von einer menge Talent. Und so bewies der 1941 in Stettin geborene Knut Kiesewetter auch mit seiner Karriere, dass friesische Mundart und Jazz hervorragend zusammenpassen können. Sein Album „Leeder vun mien Fresenhof“ bekam glatt die Goldene Schallplatte verliehen.

Knut Kiesewetter
Knut Kiesewetter und seine Posaune.
©Knut Kiesewetter

Wer sich mit dem Liedermacher Rainer Martens auseinandersetzt – was durchaus empfehlenswert ist, weil seine Musik nicht nur klug und bewegend, sondern auch schlicht gut ist – erkennt sehr bald schon, wie wichtig ihm seine Herkunft ist. Er wirbt für sich nämlich unter anderem mit seiner Heimatstadt Garding. Ein echter Friese eben.

Dragseth, das sind Manuel Knortz und Kalle Johannsen. Ab und zu dann noch mit zwei weiteren Musikern, Jens Jesse und Gerd Beliaeff, so bei ihrem Album „Stää un Stünn“ - feinster Folkrock aus den Tiefen des Friesischen. Doch die beiden Dragseth-Duo Standartbesetzungsmitglieder sind schon viel länger gemeinsam unterwegs, 25 Jahre hat ihr Projekt auf dem Buckel, klingt aber nach wie vor genauso mythisch wie zu Beginn.

Otto Groote ist noch nicht so lange unterwegs. 2005 kam sein Debüt-Album „In't blaue Lücht van d' Nörden“ heraus und bald schon suchte er sich Verstärkung. In Form von Matthias Malcher und Ralf Strotmann fand er sie und seitdem ist er mit ihnen als Otto Groote Ensemble unterwegs. Als norddeutscher Singer-Songwriter finden wir starke Einflüsse der angelsächsischen, der irischen, ja einfach der nördlichen Kulturen in seinen Songs. Und die sind grandios.

Otto Groote Ensemble
Das „Otto Groote Ensemble“ - bestehend aus Matthias Malcher, Otto Groote und Ralf Strotmann.
©Otto Groote

Helmut Kroon, Johannes Ackermann und Wilfried Rieken gründeten 1975 die Folk-Alternative Strackholt mit dem Anspruch, ihre große Leidenschaft, irische Folkmusik dem begeisterten Publikum in ihrer friesischen Heimat präsentieren zu können. Immer wieder lädt die Gruppe, die mittlerweile auch noch angewachsen ist, namhafte Künstler zu sich ein und lassen sie Konzerte vor friesischem Publikum geben. Eine echte Bereicherung für Land und Leute.

Friesisch herb sind LAWAY, die 1979 von Gerd Brandt gegründet wurden. In Jever, deshalb das friesisch Herbe. Allerlei Auszeichnungen zeugen heute von der Qualität der Fünfertruppe, wie 1983 beispielsweise der Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Das Genre ihrer Wahl ist der Folk. Für christliche Themen sind sie sich nicht zu schade und überhaupt geben sie sich Mühe, das Ohr immer dort zu haben, wo das Herz des kleinen Mannes gerade schlägt. Gefühlvoll und schön.

Im Jahre 1953 erblickte Jan Cornelius das Licht der friesischen Welt. Seine ersten musikalischen Gehversuche finden sich in der BEAT-Musik und dann die akustische Musik. Als Lehrer und studierter Germanist liegt auf der Hand, dass seine Texte nicht einfach nur so dahingekritzelt sind. Jan Cornelius schreibt mit Gefühl und technisch versiert und das spürt der Hörer. 2013 erschien das Album „Spöölwark“, auf dem Jan Cornelius von einem Cello und einer Gitarre begleitet wird. Reinhören lohnt sich.

Jan Cornelius
Lehrer, Autor und Interpret - der ostfriesische Liedermacher Jan Cornelius.
©Jan Cornelius

In Osteel, dem heutigen Marienhafen wurde 1950 Siemen Rühaaak geboren. Seine Ausdrucksstärke ließ ihn nicht nur als Selbstdarsteller und Schauspieler Beachtung finden, sondern auch als Musiker. Sein größtes Werk ist unbestritten „Leevtalligkeit“ - in ostfriesischer Mundart performte Liebeslieder. Da bleibt kein Auge trocken.

Als ehemaliges Mitglied der Band LAWAY hat natürlich auch Herbert Bartmann seinen Platz hier verdient. Er beherrscht allerlei Instrumente, so zum Beispiel Dudelsack, Flöten und Gitarre und kann natürlich auch engelsgleich singen. Folk, Pop, Klassik, Herbert Bartmann kann jedes Genre bedienen und fügt dabei dem Ganzen seinen ganz persönlichen, bereichernden Touch hinzu. 2007 erschien „Temmi“, das Album, das seit Längerem wieder die friesische Mundart in den Mittelpunkt rückt.

1928 in Rahester Moor geboren und 1984 verstorben, bildet Hannes Flesner eine der Legenden der ostfriesischen Musikszene. Der Liedermacher schrieb auch als Journalist für verschiedene Medien und zudem auch seine Liedtexte selbst. Der Tausendsassa war mehr als berühmt – er war beliebt. Heute erinnert ein Gedenkstein an den Ausnahmekünstler, was nicht viele von sich behaupten können oder können werden.

Hannes Flesner Gedenkstein
Der Hannes Flesner Gedenkstein in Aurich-Rahester Moor.
©Wikipedia/Gregor Helms