Ob man die alemannische Mundart mag oder nicht, sei jedem selbst überlassen, doch fest steht, dass sie in unvergleichlich vielen Ländern gesprochen wird und auch einige berühmte Vertreter hervorgebracht hat.
Das Alemannische ist ein Überbegriff für viele alemannische Dialekte, was aber eigentlich gar nicht korrekt ist, da der Name suggeriert, die Sprache stamme von den Alemannen, also einem germanischen Volk der Spätantike, ab, was jedoch nicht zutrifft. Sprachwissenschaftler sprechen daher lieber von „westoberdeutschen“ Dialekten, was allerdings sehr verkopft klingt, weswegen wir uns damit gar nicht lange aufhalten wollen, sondern lieber beim Begriff des Alemannischen bleiben.
Kaum ein Dialekt wird von derart vielen Menschen gesprochen wie das Alemannische. Etwa zehn Millionen Sprecher – schätzt man – gibt es heute, die sich allerdings durchaus unterscheiden. Außerdem gibt es im Alemannischen teilweise so große Unterschiede, dass nicht einmal sichergestellt ist, dass Menschen, die des Alemannischen im Allgemeinen mächtig sind, andere Menschen verstehen, deren Dialekt ebenfalls als alemannisch bezeichnet wird.
Trotzdem oder auch deshalb wird die alemannische Mundart in unfassbar vielen verschiedenen Staaten gesprochen, überschreitet also spielerisch jedes Konzept von Nationalstaatlichkeit. In Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Österreich, Liechtenstein und Italien finden sich größere oder kleinere Gruppen, die das Alemannische mächtig sind. In Deutschland treffen wir die Sprachgruppe des Alemannischen vor allem in Baden-Württemberg.
Als der bedeutendste alemannische Mundartdichter gilt bis heute Johann Peter Hebel. Der deutsche Schriftsteller, inspiriert von der Sehnsucht nach seiner Wiesenthaler Heimat, schrieb die „Alemannische Gedichte“, die einen riesigen Erfolg erzielten.
Das Alemannische, so heterogen es ist, weist allerlei Besonderheiten auf. Zum Beispiel verzichtet es auf den Genitiv. Eine Faulheit, eine Ungenauigkeit oder einfach eine sympathische Vereinfachung? Sicher ist, dass Dativ-Konstruktionen herangezogen werden müssen, um Besitzangaben machen zu können. Auch – und das macht es demjenigen, der des Dialektes nicht mächtig ist, besonders schwer – wechseln Wörter im Alemannischen teilweise das Genus. So wird die Luft plötzlich männlich oder der männliche Käfig plötzlich neutral. Des Weiteren wird nicht mit -lein oder -chen verniedlicht, sondern mit -le oder -li. Das klingt nun wirklich sympathisch und man fragt sich gleich, warum sich diese Form nicht überall durchzusetzen vermag.
Die Sprache selbst zu definieren, fällt unfassbar schwer, weil es eben so viele verschiedene Ausprägungen gibt. So wird das Haus im Schwäbischen zum Hous, im Oberrheinalemannischen zum Huus oder das Eis im Schwäbischen wird zum Iis im Alemannischen.
Der Alemannische Witzbold – ein bisschen derb vielleicht
Der Dibenger Gogawitz ist eine eigene Literaturgattung, wenn man so möchte. Kurze Texte, die eine Pointe haben und somit als Witz gelten. Es geht um typisch männliche Themen. Frauen, Arbeit, Trinken usw. Ein etwas zahmeres Beispiel mit Übersetzung bieten wir Ihnen im Folgenden:
A neigieriger Nochber, wo emmer elles wissa will: „Ond Karle, wo gohts noh?“ Karle: „Ha noch Schtuegert, an neia Aarsch kaufa, mein alder hot a Loch!“
Wem das zu schwäbisch gewesen sein sollte, kann sich nun die Übersetzung zu Gemüte führen.
Ein neugieriger Nachbar, der immer alles wissen will: „Und Karl, wo geht’s hin?“ Karl: „Nach Stuttgart, einen neuen Arsch kaufen, mein alter hat ein Loch.“
Zugegeben, hohes Niveau sieht anders aus, doch darf das auch mal sein. Zumal man den Schwaben ohnehin eine gute Bildung nachsagt, Zuverlässigkeit, die aus der pietistischen Sozialisierung herrührt, sowie den Hang zum Sinnieren. Auch seien sie ehrlich und freundlich und ab und an eben auch mal etwas grob.
Ludwig Eichrodt – das Lied der Alemannen und der Schwabe an sich
Von Ludwig Eichrodt verfasst, zur Melodie von „Mein Herz ist im Hochland“ performt.
O Heimat am Rhein alemannisches Land
O Heimat am Rhein
alemannisches Land
o Strombraut, geliebte,
dich faßt meine Hand
Hier hoch auf dem Blauen
auf Schwarzwaldhöh
hier grüß ich die Heimat
so weit ich nur seh
Vogesen, darüber der Goldduft wallt
ihr Berge von herrlicher Hochgestalt
ihr fesselt den Blick, dann schweifet er hin
nach Süd, wo die Alpen, die ewigen, glühn
Und waffn ich den Blick und schau ich hinaus
ich schaue die Heimat, die weite, nicht aus
die sonnigen Gauen, voll Reiz und voll Wein
die lachenden Lande, durchströmet vom Rhein
Ihr Fluren, ihr Täler, ihr Waldungen grün
ihr Burgen, ihr Städte mit Münstern kühn
ihr Völklein, Glück und Gefahren vertraut
behüt euch der Himmel, der über euch blaut
Wohl trennen mag Schicksal ein Volk und ein Land
doch einigt die Herzen ein ewiges Band
und macht uns zu Brüdern und schließet uns ein
in ein Paradies, unsre Heimat am Rhein
Die Musik des Alemannischen – eine Perle des Südens
Wieder haben wir Top-Stars ausgewählt, von denen wir meinen, dass sie den alemannischen Sprachraum am besten repräsentieren können. Großartig sind sie alle, die Beschäftigung mit ihnen sei jedem ans Herz gelegt.
Doch beginnen wir mit Goschehobel. Die beiden Jungen Eberhard Jäckle und Urban Huber begannen ihre steile alemannische Musikkarriere im Jahre 1983 im schönen Waldkirch. Heute, über dreißig Jahre später, sind sie weiterhin topaktuell in der regionalen Volksmusikszene unterwegs – und darüber hinaus. 2012 haben die beiden Folkrocker ihre siebte CD „Vagabonde“ herausgebracht und konnten damit nahtlos an die Erfolge davor anknüpfen.
Roswitha Dold weiß mit ihren Balladen immer wieder Jung und Alt zu verzaubern. Ihre Lieder sind immer geerdet, haben sie ihren Ursprung doch mitten im Leben der Sängerin, die 1954 in Hizihäusle im Schwarzwald geboren wurde. Musik macht der Tausendsassa, der selbst komponiert, schreibt, singt und sich mit der Gitarre begleitet, seitdem er 16 Jahre ist. Chapeau!
Uli Führe ist auch einer der modernen Klassiker des alemannischen Liedguts. Der Sänger und Lyriker stürzt sich ehrfürchtig auf das alemannische Kulturgut, drückt ihm seinen Stempel auf und bereichert somit die alemannische Musiklandschaft um einen authentischen, respektvollen Einblick in sich selbst. Uli Führe wurde 1957 in Lörrach geboren, gibt Gesangsunterricht und veröffentlicht regelmäßig eigene Songs und Alben; das letzte war „Dank Hebel“ von 2012, auf dem er Gedichte von Johann Peter Hebel singt.
Martin Wangler ist Schauspieler, Kabarettist und im Rahmen des letzten auch Sänger. Als dieser nennt er sich Fidelius Waldvogel und besticht durch seine teilweise sehr parodistische Herangehensweise. Er singt natürlich in alemannischer Mundart und begeistert allein deshalb eine wachsende Zahl von Fans. 2010 sang er sogar den offiziellen Song zur Junioren-Ski-WM „Ja, so fahren wir Ski“. So richtig trennen lassen sich seine Gesangs- und seine Kabarettkarriere übrigens nicht,tritt er doch bei beiden unter seinem Pseudonym auf und nennt sein Programm auch des Öfteren „musikalisches Kabarett“ – für jeden also etwas dabei!
Aus Freiburg kommen die BächleSörfer. In Freiburger Mundart performen die beiden Herren in buntester Kleiderpracht ein vielfältiges Repertoire zeitgenössischer Musik und echter Klassiker. Bis in die 50er Jahre hinein reicht ihre Darbietung. Jürgen Hack, Jahrgang 1954, und der 1953 geborene Günther Gassenbauer formen gemeinsam die BächleSörfer seit nunmehr einer gefühlten Ewigkeit und erfreuen auf praktisch jeder Party, auf der sie vertreten sind alle Anwesenden, die sich gepflegter Partymusik nicht verschließen wollen.
Ein halbes Dutzend Alben gibt es von den BächleSörfer zu entdecken, das aktuellste ist „Lass die Sau raus!“. Hier präsentieren wir einen Ausschnitt aus dem bis heute wohl bekanntestem Song der BächleSörfer - "dem Freiburg Lied":
Das Freiburg Lied
Dert wo s Münster, in de Himmel schießt,
dert wo s Bächle, durch die Altstadt fließt.
Wo in der Sonne, reift der Rebensaft,
wo de Badner wie e Heftlemacher schafft.
Wo de Hölletäler braust, wo ma Backsteikäs gern schmaust -
bisch allwiel, z Friburg in de Stadt.
Ich häng an Dir – Du bisch die Droge,
wer Dich net brucht, der hät im Lebe s erst mal gloge.
De Sternwald rechts, de Roßkopf links,
wie zwei große Hinkelstei.
Un mitte drin sin d Bobbele daheim.
Wo die Blechlawine in de Schwarzwald rollt,
wo ma jedem grüne Furz glei Beifall zollt.
Wo für d Schwobe, scho lang e Denkmal steht,
wo de Herrgott, au gern Lebe tät.
Wo sich Parkuhre vermehrn, dert wo d Penner niemand störn -
bisch allwiel, z Friburg in de Stadt.
Die Knaschtbrüeder kommen aus dem Wiesental. Jeannot wurde 1951 geboren und Christian 1973. Beide sind von Beruf Grafiker und arbeiten in einem ehemaligen Gefängnis, was wohl der Grund für ihren eigenwilligen Namen darstellt. Sie spielen beide hervorragend Gitarre und dass sie singen können, dürfte angesichts der Tatsache, dass sie sich als Band gefunden haben, auch nicht überraschen. Lustig, frech und manchmal etwas tiefsinnig sind ihre Texte – vor allem aber auf Alemannisch. Die drei Alben der beiden sind alle einen Blick wert und garantiert ein tolles Erlebnis, nicht nur für die Alemannen unter uns.
Fisherman’s Fall sind sechs Musiker – darunter eine Frau, Martina Vetter – die, aus dem Kaiserstuhl Gebirge kommend, ebenfalls die alemannische Gesangstradition hochhalten. Erstmals traten die sechs, zu denen weiterhin Ralf Busch, Ralf Ziser, Arne Busch, Harald Ringswald und Stefan Frank zählen, 1992 auf. Mit ihrer flotten Rockmusik können sie jede Party-Gesellschaft in Bewegung versetzen und haben mit dem Song „Liebe vergeht, Hektar besteht“ auch eine kleine Hymne aufgenommen, die man über ihren regulären Verbreitungskreis hinaus kennen sollte. Hier ein Ausschnitt aus dem Song "Süürä Wii un Mirabällä":
Süürä Wii un Mirabällä
Lehr niä meh in minem Läwä Vokabälä
Lehr nit ässä mit Mässr un Gabälä
Dodrfir gidds hit moderni Medizin
Odr s'isch scho in der Tomätli drin
Gang nimmi zam Friser sondern wirf nur noch ä Pillä
Scho diän sich mini Heerli drillä
Bin au dann küüm vrdutzt
Uff d'richtig Längi sin si au noch gschtutzt
Kindrli wiä üss'm Eili pellt
Wärä nimmi gmacht, sondrn bschdellt
Hoor un Augäfarbä komponiärt
So wärä Kindrli kreirt
Des gidds jetzt fir alli Läbnslagä
Ob Ehekrach odr Hüüsuffgabä.
Ob d'Nasä z'lang, odr was andrs z'kurz
Isch hitzodag doch allis schnurz
Süürä Wii un Mirabällä
gänn im Vattr Kraft ins Knii
So nä Ziig wiä des Viagra
Loss I nit an miin'n... Sackra..fix
Einen Weltrekord stellte die nächste Band auf: Die Gälfiäßler. Die Band besteht aus vier Männern, Herbert, Franz, Bernie und Klaus, doch spielen diese vier Männer ganze 150 Instrumente. Nicht hier und da, sondern während eines Auftritts. Da sind dann natürlich auch schon mal ein paar Kuriositäten dabei. Die vier bestehen seit 1977 und werden sicherlich noch länger für Stimmung sorgen. Ein halbes Dutzend Alben spricht jedenfalls für eine hohe Beständigkeit.
Über 20 Jahre steht Hutch Hensle bereits auf badischen und bundesdeutschen Bühnen und kann mit seiner virtuosen Art, Piano zu spielen, immer wieder die Massen begeistern. Auch er singt in der Mundart seiner Heimat, hier namentlich das Badische. Pop, Soul, R&B – was Hutch Hensle nicht singen könnte, wurde noch nicht erfunden. Mittlerweile auch mehr als ein Geheimtipp und teilweise auch mit anderen Bands unterwegs, kann man sich ruhig mal eins seiner Alben anhören – warum nicht gleich „Vun drusse noch drinne“ von 2009?