Kaum noch Ohrwurm-Hits: Sind wir nur „Atemlos“?
„Ein bisschen Spaß muss sein“, „Griechischer Wein“ oder „Ein Bett im Kornfeld“ – Diese Schlager können fast alle Deutschen mitsingen. Doch warum gibt es aktuell nur so wenig Schlager, die sofort im Ohr hängen bleiben?
Es ist ein altbekanntes Phänomen: Im Nachhinein scheint früher alles besser, schöner und interessanter gewesen zu sein. Deutsche Schlager boomen zwar wie selten zuvor, doch die großen Hits, die mehrere Jahre überdauern, bleiben Mangelware. Bei Liedern wie „Anita“, „Santa Maria“ oder „Ein Bett im Kornfeld“ können noch heute fast alle Deutschen zumindest den Refrain mitsingen. Zeilen wie „Ein bisschen Spaß muss sein“ und „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ haben es sogar in den alltäglichen Sprachgebrauch gebracht. Doch welche aktuellen Hits können da mithalten? Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“, na klar! Aber dann gibt es nicht mehr viele weiterte Songs, die wirklich alle mitsingen können. Dass früher alles besser war, muss das aber trotzdem nicht bedeuten.
Weniger Präsenz in TV und Radio
Die Schlagerstars vergangener Jahrzehnte hatten einen entscheidenden Vorteil: Es gab wesentlich mehr wichtige TV-Sendungen, in denen sie ihre Hits präsentieren konnten. Außerdem gab es zu Sendungen wie der „ZDF Hitparade“ weniger Konkurrenz, da es noch keine Privatsender gab. Auch bei den Radiosendern sorgte die Einführung des dualen Rundfunksystems für einschneidende Veränderungen. Während bis in die 1980er Jahre Schlager noch selbstverständlich in den Hauptprogrammen liefen, verdrängte die zunehmende Formatierung des Radios den Schlager in die Spartensender. Heute spielen fast nur noch diese Anbieter Deutsche Schlager, während die meisten Radiostationen die Top 40 der Charts oder internationale Pophits spielen.
Immer mehr Auswahl
Zunehmende Konkurrenz entstand aber nicht nur hinsichtlich der Medienlandschaft. Immer wieder entwickelten sich neue Genres, die für eine Erweiterung der Musikauswahl sorgten. Und auch im eigenen Lager veröffentlichten immer mehr Interpreten ihre Lieder. Die alten Stars hörten nicht auf zu singen und die jungen Sängerinnen und Sänger versuchten ebenfalls ihr Glück. So nahm auch das Tempo und die Anzahl der Neuveröffentlichungen zu. Die Fans konzentrierten sich nicht mehr so lange auf ein und denselben Song. Heute erscheinen in sozialen Netzwerken wie Facebook täglich neue Lieder auf der Startseite. Auf YouTube finden Nutzer Millionen von Clips, die immer wieder auf weitere Videos verweisen. Da verwundert es nicht, dass manche Melodien nicht mehr die Zeit bekommen, sich im nachhaltig im Kopf festzusetzen.
Coverversionen, Revival-Partys und Hommage-Shows haben den Hype gefördert
Viel Zeit hatten aber die Schlager-Evergreens wie „Fiesta Mexicana“, „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ oder „Moskau“. Sie hatten nicht nur die Plattformen in TV und Fernsehen sowie weniger Konkurrenz zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung, sondern eben auch die Zeit sich zu verbreiten: Seit Jahrzehnten fehlen sie auf keiner Schlager-Party. Jährlich singen tausende Fans die Lieder auf dem Schlagermove. Bei sämtlichen Schlager Revivals waren sie bereits Kult und wurden dementsprechend doppelt gefeiert. Und Sänger wie Guildo Horn oder Dieter Thomas Kuhn erweiterten mit ihren Coverversionen den Bekanntheitsgrad der Lieder noch ein weiteres Mal.
Hits entstehen sofort, Evergreens erst nach ein paar Jahren
Hits entstehen direkt nach der Veröffentlichung, Evergreens sind eben erst nach ein paar Jahren erkennbar. Manche Hits sind so groß wie „Atemlos durch die Nacht“ oder „Verdammt, ich lieb’ dich“, dass es schneller geht. Bei anderen Liedern dauert es etwas länger. Und wer genauer hinsieht, erkennt auch schnell, dass in den letzten Jahren einige Lieder dazu gekommen sind, die noch lange in Erinnerung bleiben: Wer „Ein Stern (der deinen Namen trägt)“ oder „Du hast mich tausend Mal belogen“ anstimmt, braucht bestimmt nicht lange zu suchen, um Mitsänger zu finden.
Was wird aus dem klassischen Schlager?
Helene Fischer bricht mit Dance-Beats sämtliche Rekorde, Andreas Gabalier gibt den VolksRock‘n‘Roller und der „Stadl“ setzt auf eine Verjüngungskur. Allein diese Beispiele zeigen: Der deutsche Schlager verändert sich. Wohin führt der Weg?