Heino: zwischen Eisberg und Herzbub
Wer ist Heino? Dies werden sich nach „DSDS“ vermutlich mehr Leute fragen als vor den Jury-Auftritten des ehemaligen Volksmusikers: Er ist der zurückhaltende, trockene, undurchschaubare aber irgendwie auch liebenswerte blonde Mann mit Brille.
Man kann nicht sagen, dass Heino der Neue in der Jury ist, denn schon seit vielen Jahren wechseln die Gesichter neben Dieter Bohlen wie die Beleuchtung in einer Disco. Mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten der zeitgenössischen Musikbranche fanden neben dem Platzhirsch, der die einzige Konstante in 13 Jahren „DSDS“ ist, vorübergehende Obhut. Wohl gestanden: Heino ist schon ein anderes Kaliber, als so mancher Goldkettchenträger oder Teenieheld, der teilweise einen Platz hinter der blauen Bande fand. Dementsprechend überraschend ist es, wie glanzlos Heino teilweise hinter seiner matten Sonnenbrille erscheint. Welche Gedanken gehen in Heinos 76 Jahre altem Kopf vor? Was soll seine modische Mischung aus Steppweste und Totenkopfring uns sagen? Und noch viel wichtiger: Weiß er überhaupt, warum er in der Jury sitzt?
Schon in der ersten Ausgabe der diesjährigen Staffel wirkte Heino zuweilen etwas teilnahmslos. Mehr als ein müdes Zucken seiner Lachmuskeln konnte ihm kaum ein Kandidat entlocken. Gestandene Souveränität oder resignierte Langeweile? Entspannt zurückgelehnt sitzt Heino in seinem Sessel und trommelt vermutlich ungeduldig mit den Füßen, bis die Kandidateneinöde ein Ende nimmt. Nicht einmal eine extra für ihn gestaltete Torte rockte ihn aus seinen Schlagersocken. Sieht so Begeisterung für ein Sendeformat aus?
Die Stimme aus dem Off
Manchmal scheint es als seien die anderen Jurymitglieder selbst überrascht, wenn eine übermäßige Regung von Neu-Rocker Heino kommt. Im Kopf gehen sie vermutlich schon das nächste „Das hat mir nicht gefallen“ durch, wenn der gebürtige Düsseldorfer dann doch einiges an Kreativität walten lässt. Wenn mal wieder diese seltene amüsante Situation eintritt, blicken die restlichen Jury-Visagen in verwirrter Anteilnahme in ihre leeren Gesichter, als hätte der Herrgott selbst gesprochen. Während die Jurymitglieder kurz darauf ihr Gesicht vor Lachen verziehen, thront Heino stolz wie Ödipus auf seinem Plastikstuhl.
Aufgeschlossenheit und Sachlichkeit
Mit der Ruhe eines Gebirgsblocks bringt Heino seine Entscheidungen an die Zuschauer. Sachlich: Ein „Du hast nicht gut gesungen“ wird man von ihm eher hören als „Dein Gesang macht mich an wie ein Arsch von einem Bonobo“. Dennoch eckt er mit seinen Entscheidungen immer mal wieder vor allem bei Poptitan Dieter Bohlen an. Die ein oder andere Diskussion zwischen den beiden Musikdinosauriern konnte auf RTL schon beobachtet werden. Auffällig dabei: Für den modernen Schlager ergreift Bohlen eindringlicher Partei als der Ex-Volksmusiker Heino, der als gelernter Bäcker seine Brötchen lange Zeit mit Heimatklängen verdiente.
Jedoch zeigt der Neu-Rocker Aufgeschlossenheit für verschiedenste Strömungen: Von der pinken Plastik-Blondine bis hin zum raubeinigen Rüpelrocker hat jeder eine realistische Chance bei ihm weiterzukommen. Nur leider machen die anderen Jurymitglieder Heinos Gutmütigkeit oftmals erbarmungslos einen Strich durch die Rechnung.
Ein Mann ohne Prinzipien
Was an Heino in der Rolle des Jury-Mitglieds gefällt? Der Mann hat keine Prinzipien! Dies bewies er auch musikalisch, als er der Volksmusik den Rücken kehrte. Da ist es nur konsequent, dass Heino sich jeglichen Musikrichtungen stellt und scheinbar kein Kandidat allein mit seinem Auftreten, seinem Outfit oder seiner Songauswahl für ein K.O.-Kriterium bei ihm sorgen kann. Dies kann wahrlich nicht von allen Jury-Vertretern behauptet werden. Trotz seiner kühlen Fassade bringt Heino etwas Herz in die Jury und nutzt sein Jury-Podest nicht um Böswilligkeit an den Kandidaten zu bringen. So mancher würde ihm vielleicht mangelndes Profil unterstellen, ein anderer könnte jedoch einfach schließen: Für Musikveteran Heino, der fast 50 Jahre in der Musikbranche überdauerte, ist „DSDS“ nur eine weitere Herausforderung, von der er sich nicht aus der Ruhe bringen lässt.