Andreas Gabalier – Kuhglockenidylle und King of Rock’n’Roll

Gesamtkunstwerk

VolksRock’n’Roller, Alpen-Elvis oder Mountain Man: Für das Gesamtkunstwerk Andreas Gabalier gibt es mittlerweile viele Bezeichnungen. Doch was macht den Musiker aus der Steiermark so erfolgreich?

Andreas Gabalier verbindet Gegensätze zu einem Gesamtkunstwerk.

Mit seinen kräftigen Waden könnte er Milch zu Butter stampfen, mit seinen starken Armen Nussknacker und Mörser in der Küche ersetzen und dennoch lässt er sich lieber bekochen. Das charmante Zwinkern hat er stets im Gesicht, doch auch die ein oder andere Träne lässt er durchblitzen. Kernig und trotzdem butterweich. Andreas Gabalier ist der coolste Kompromiss zwischen Kuhglockenidylle und King of Rock’n’Roll.

Doch wie cool kann das sein? Ist es das Konzept, das die Welt gesucht hat? Ein Mann, der aus den Alpen, in seine Lederhose hineingepflanzt, herabstieg, seine Harmonika auspackte und seine steierischen Heimatklänge mit der 50er Musikkultur der USA paarte? Davon schien zumindest der 30-jährige VolksRock’n’Roller überzeugt zu sein, denn schon früh ließ er sich eben jene österreichisch-amerikanische Verbindung patentieren. Der ehemalige Marketing-Student ist der einzige offizielle VolksRock’n’Roller und deswegen schmückt diese Wortkreation auch seither seine strammen Beine.

Kunst der Kompromisse

Andreas Gabalier ist ein Verwandlungskünstler. In der einen Sekunde singt er von den Zuckerpuppen, die ihm seinen letzten Verstand rauben: ist dabei Animateur und Animierter in einem. In der nächsten Sekunde bittet er sein Publikum um absolute Stille und schlägt traurig-befreiende Töne für seine verstorbenen Familienmitglieder an. So gewinnt der Künstler nicht nur Authentizitätspunkte, sondern auch die Herzen einer wachsenden weiblichen Fangemeinde. Wenn Andreas Gabalier auf der Bühne steht, heißt es: „Liebe dein Land, deine Sprache und vertiefe diese Liebe durch einen bunten Griff ins amerikanische Konservenglas!“ Tolle und Lederhose, Tattoos und Wadenwärmer, Hamburger und Apfelknödel: Bei dieser Kombination könnte dem Alpen-Elvis fast schon Weltoffenheit unterstellt werden.

Kunst der Kontroverse

Und mit dem Stichwort „Weltoffenheit“ kommen wir zu dem nächsten Standbein des Marketing-Moguls Andreas Gabalier. Homosexualität, Familienpolitik, Nationalstolz: Zu diesen viel diskutierten Themen liefert der Musiker häufig eine Aussage. Nicht im besten Licht stand der Künstler nach Äußerungen über das konservative Familienmodell oder den angeblichen „Homo-Hype“ – jedoch stand er so stets in einem Scheinwerferkegel, der den bei seinen Stadiontourneen und seiner „VolksRock’n’Roll Show“ übertreffen konnte. Ein kleines Feuerchen wie die akute Familiendebatte pustet der Musiker gekonnt an und schon befindet er sich im wohlig-warmen Licht der Öffentlichkeit.

Doch wer mit dem Feuer spielt, sollte sich auch hüten. Eine durchgestylte Kunstfigur wie der VolksRock’n’Roller lebt von der Polarisierung. Seine Kritiker schimpfen ihn als abgehoben und homophob, seine Fans lieben ihn für seinen Charme des Grashalm kauenden Burschen. Doch noch viel wichtiger ist es, dass der Künstler selbst die Kontrolle über die Windrichtung behält. Auf, dass seine eigens tollkühn gelegten Feuerchen nicht auch auf seine Fanbase überschlagen, denn für viele dieser war er bereits eine Art „Mountain Man“, bevor er sich selbst als selbiger aus erkor.