Die Bäume tragen weiße Mützen, vom Dach der kleinen Holzhütte hängen lange Eiszapfen und davor türmt sich ein Berg aus Schnee. Dieses Bild könnte aus den aktuellen Nachrichten stammen, hat der Winter Deutschland doch seit zwei Tagen fest im Griff.
Doch heute Abend ziert diese Szene auch die Bühne des Münchener Circus Krone, die sich heute in eine verschneite Winterlandschaft verwandelt hat. Nur die Kälte musste glücklicherweise draußen bleiben. Zwei Gitarren, eine Harfe und ein Kontrabass deuten an, was die Gäste an diesem Abend erwartet: Ein dreistündiges Weihnachtsprogramm mit Volksmusik, Geschichten und traditionellen Bräuchen. Denn die aktuelle Tour „Melodien der Berge“ widmet sich ganz dem christlichen Fest.
Und so ist eine der Tannen mit bunten Kugeln geschmückt, daneben steht ein Tisch, auf dem ein Adventskranz mit roten Kerzen steht. Hier wird heute Abend noch so mancher Schlagerstar Platz nehmen. Es fehlt nur noch der Plätzchenduft, dann wäre das Winterwonderland perfekt. Eine Klingel ertönt – nein, keine Weihnachtsglocken, sondern das Zeichen, dass die Show nun beginnt.
Und passend zur Dekoration wird diese auch mit der deutschen Version „Walking in a Winterwonderland“, „Wandern durch den weißen Wunderwald“, eröffnet. Nach und nach treten die Protagonisten des Abends auf die Bühne:
- Die Zellberg Buam
- Francine Jordi
- Sigrid & Marina und
- die Ladiner
werden mit lautem Beifall begrüßt. Moderator Michael Harles zeigt sich erfreut, wieder in München zu sein, wo die „Melodien der Berge“ vor 12 Jahren ihren Anfang nahmen. „München und die Berge haben eine Menge miteinander zu tun. Immerhin haben wir den Olympiaberg!“, scherzt er.
Die Zellberg Buam machen an diesem Abend den Anfang. Keine leichte Aufgabe, scheint das Publikum doch noch etwas steif gefroren zu sein. Und so sind die Reaktionen auf „Tirolerzeit“ noch etwas verhalten. Doch bei ihrem Weihnachtshit „A bisserl Fröhlichkeit braucht’s auch zur Weihnachtszeit“ scheinen die Hände langsam aufgewärmt zu sein und es wird fleißig geklatscht.
Auch Michael Harles trägt wesentlich zur Auflockerung der Stimmung bei. Unter anderem liest er aus einem roten Buch die Geschichte einer armen Greisin vor, die in ihrer Not einen Brief an Gott schreibt mit der Bitte um 50 Euro, um ihre Liebsten beschenken zu können. Als Empfänger schreibt sie kurzerhand „Lieber Gott, Amt Rosenheim“ auf den Umschlag – und so landet dieser prompt beim Finanzamt. Der Leiter des Amtes zeigt Mitgefühl und sammelt Geld für die arme Frau. 40 Euro bekommt er zusammen und schickt diese stolz an die Greisin zurück, die sich daraufhin in einem weiteren Brief bei „Gott“ bedankt – und anmerkt, dass das Finanzamt wohl schon etwas von dem Geld abgezogen hätte.
Erheitert durch diese Geschichte nimmt das Publikum Sigrid & Marina voller Freude in Empfang, die passend zum Wetter ihr „Lied von der Winterzeit“ zum Besten geben. Mit dem „Herrgottsjodler“ ermahnt das Duett das Publikum, dankbar für all die schönen die Dinge zu sein, die ihm in diesem Jahr wiederfahren sind.
Einen besonderen Gänsehautmoment bescheren sie ihren Fans mit einer Akustikversion von „A Weihnacht wie’s früher war“, das sich Michael Harles von den beiden gewünscht hat. Dabei begleiten sich die Sängerinnen selbst auf der Gitarre und singen ohne Mikrophon. Ihre Stimmen verschmelzen so perfekt miteinander, als kämen sie aus einem Mund. Ein ganz intimer, andächtiger Moment. Fast hat man das Gefühl, mit den beiden daheim in der Stube vor dem Kamin zu sitzen und nicht in der Manege des Circus Krone. Die Spannung entlädt sich in einem tosenden Applaus.
Auch Francine Jordi weiß ihr Publikum zu verzaubern. Ursprünglich waren statt ihrer Oesch’s die Dritten angekündigt, doch sie ist mehr als ein würdiger Ersatz. Mit ihrem Charme, ihrer kräftigen, einzigartigen Stimme und ihrem Schweizer Akzent zieht sie die Zuschauer sofort in ihren Bann. Und nicht nur das: Sie bindet es auch aktiv in das Programm mit ein.
Bei „Jingle Bells“ fordert sie alle auf, ihre Instrumente herauszuholen. Das Publikum reagiert zuerst irritiert, bis es versteht, dass damit die Hausschlüssel gemeint sind. Und tatsächlich, mit etwas Fantasie klingt das Geklimper der Schlüssel wie kleine Glöckchen. Wer nichts zu schütteln hat, klatscht in die Hände oder singt mit. Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt. Dafür wird Francine von einem Fan mit einem verfrühten Weihnachtsgeschenk belohnt. Und nicht nur sie, auch die Ladiner und Michael Harles können sich aus Gaben aus dem Publikum freuen.
Leider können die Ladiner mit „Von der Weihnachtszeit“ und „Ich male Rosen in dein Herz“ zunächst nicht ganz an den temperamentvollen Auftritt von Francine Jordi anschließen. Doch mit ihrem einstigen Grand Prix-Hit „Beuge dich vor grauem Haar“ treffen sie genau den Nerv des zum Großteil schon ergrauten Publikums.
Der erste Teil des Abends schließt mit dem Song „Wir sind das Licht“, bei dem alle Protagonisten noch einmal mit Kerzen in der Hand auf die Bühne kommen.
Im zweiten Teil wird es etwas gemütlicher und persönlicher. Die Musiker berichten von den Traditionen aus ihrer Heimat und zeigen dazu Bilder auf der großen Leinwand. Francine Jordi outet sich als „Weihnachtskind“, das bereits Mitte November mit dem Schmücken beginnt und von dort an nur noch ihre rund 80 Weihnachts-CDs hört. Und zwei ihrer Lieblingsweihnachtslieder singt sie auch gleich selbst: Das „Ave Maria“ von Bach und das „Gloria in Excelsis Deo“.
Sigrid & Marina beweisen mit dem „Andachtsjodler“ ihre Jodelkunst und die Ladiner wünschen mit „Advent, es ist Advent“ eine besinnliche Zeit.
Und auch der Nikolaus schaut vorbei – in Form von Überraschungsgast Alfons Schuhbeck! Er bringt einen großen Korb voller Gewürze und Weihnachtsleckereien vorbei und klärt das Publikum über die medizinische Wirkung von Zimt auf. Das hilft nämlich den Blutzucker und das Blutfett zu regulieren! Man darf sich zu Weihnachten also guten Gewissens das eine oder andere Weihnachtsplätzchen gönnen, solange nur Zimt darin ist. Sigrid & Marina verpflichten Alfons Schuhbeck sogleich zu einem kleinen Terzett. Seine Textschwäche bei „Aber Heidschi Bumbeidschi“ gleicht das Publikum mühelos aus. Schade nur, dass an diesem Abend nur zwei Zuschauer etwas aus dem prall gefüllten Korb bekommen. Der Rest soll auf der weiteren Tour verteilt werden. Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass die Akteure selbst die eine oder andere Leckerei stibitzen wollen.
Gemeinsam mit den Zellberg Buam räuchert Michael Harles die Manege mit Weihrauch aus – eine alte Tradition zur Geistervertreibung aus dem Zillertal. Mit dem Wiegenlied „Es wird schon gleich dumpa“, das alle Musiker gemeinsam singen, verabschieden sich die „Melodien der Berge“ und entlassen das Publikum mit der Zugabe „Oh du Fröhliche“ zurück in das Winterwonderland außerhalb des Circus Krone.