Als Guildo Horn den „Eurovision Song Contest“ wiederbelebte
Mitte der 90er-Jahre hatte der „Eurovision Song Contest“ hierzulande seinen Glanz verloren. Ein verstaubtes Image und das schlechte Abschneiden der deutschen Teilnehmer sorgten dafür. Dann kam Guildo Horn und brachte den „ESC“ zurück ins Rampenlicht.
Wer Mitte der 1990er-Jahre noch den „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ guckte, gehörte wahrscheinlich zur eingefleischten Fangemeinde. Der Wettbewerb wirkte eingestaubt und altbacken. Das Abschneiden der deutschen Teilnehmer war außerdem auf dem Tiefpunkt angekommen. Der Sieg von Nicole mit „Ein bisschen Frieden“ lag bereits fünfzehn Jahre zurück. Und die deutschen Beiträge beim „ESC“ scheiterten jedes Jahr aufs Neue kläglich: Stone & Stone landeten 1995 mit „Verliebt in dich“ auf dem letzten Platz. Leon scheiterte ein Jahr später mit „Planet of Blue“ sogar in der Qualifikationsrunde. Da wirkte der 18. Platz von Bianca Shomburg im Jahr 1997 fast schon wie ein Erfolg. Die goldenen Zeiten der 1980er Jahre mit einem ersten und vier zweiten Plätzen waren längst vorbei.
Guildo Horns Show war das Gegenteil des Gewohnten
1998 holten Guildo Horn sowie sein Team um Stefan Raab und Michael Holm den Wettbewerb aus der Lethargie. Das Auftreten des Sängers, sein Look, die extatische Art über die Bühne zu wirbeln – das komplette Image von Guildo Horn brach mit den bekannten Gewohnheiten des „Eurovison Song Contest“s. Das Lied „Guildo hat euch lieb“ war musikalisch letztendlich ein gewöhnlicher Schlager. Doch das Gesamtpaket war schrill und stieß in der Vorberichterstattung auf Ablehnung. Zudem verteilte auch Komponist Stefan Raab einen kleinen Seitenhieb, indem er sich den Künstlernamen Alf Igel (in Anlehnung an Starkomponist Ralph Siegel) gab. Durch die liebe Revolte mit Prilblumen und fettigem Haar interessierte sich auf einmal auch die Jugend wieder für den „ESC“. Stefan Raab war jüngeren Zuschauern außerdem als Spaßtreiber vom TV-Musiksender VIVA bekannt.
Comeback des Schlagers
Durch sein Auftreten war Guildo Horn die Aufmerksamkeit der deutschen und internationalen Presse gewiss. Er entschied nicht nur den Vorentscheid für sich, sondern knackte auch beim „ESC“-Finale im englischen Birmingham die Top Ten. Gleiches gelang ihm in den deutschen Single-Charts. Bis auf den vierten Platz kletterte das Lied hierzulande. Und auch in Österreich und der Schweiz war „Guildo hat euch lieb“ ein Hit.
Guildo und seinem Team gelang sogar noch mehr: In Deutschland kam es zu einem regelrechten Revival des Schlagers. Sampler mit den größten Hits der 60er, 70er und 80er Jahre kamen auf den Markt. Der „Schlagermove“ knackte ertmals sechsstellige Besucherzahlen und Schlager war wieder ein Thema für die Charts.
Kurios bis zur Punktevergabe
So kurios wie der ganze Auftritt von Guildo Horn wirkte ging es letztendlich auch bei der Punktevergabe zu. Bei der Addition der Punkte gab es nämlich einen Übermittlungsfehler: Spanien hatte dem deutschen Beitrag als eines von drei Ländern die Höchstpunktzahl (Zwölf Punkte) gegeben, diese fanden zunächst jedoch keine Berücksichtigung. Nachträglich korrigierte die austragende BBC allerdings ihren Fehler und sorgte dafür, dass „Guildo hat euch lieb“ mit einer Gesamtpunktzahl von 86 Punkten vom achten sogar noch auf den siebten Platz vorrückte.
Tausende feiern jährlich auf dem Spielbudenplatz in Hamburg
In der Zwischenzeit musste der „ESC“ zwar erneut mehrere Krisenzeiten überstehen. Nach schlechten Plätzen modifizierte die ARD immer wieder den Modus der Vorentscheide. Teilweise halfen Pro Sieben und Stefan Raab aus und sorgten 2010 mit der Kandidatin Lena Meyer-Landrut sogar für den zweiten deutschen Erfolg beim „ESC“. Doch auch in weniger erfolgreichen Jahren verschwand der Wettbewerb nicht mehr aus dem öffentlichen Interesse. Mittlerweile hatte sich der „Eurovison Song Contest“ als Event etabliert. In den letzten Jahren fand die deutsche Punktevergabe regelmäßig live auf dem Spielbudenplatz in Hamburg statt. Dort trafen sich die „ESC“-Fans zum Public Viewing mit hochkarätig besetztem musikalischem Rahmenprogramm. Vor zwanzig Jahren war das noch kaum vorstellbar – mit Sicherheit auch ein Verdienst von Guildo Horn und Stefan Raab.