Ben Zucker, Beatrice Egli & Co: Wie Schlager-Playlisten und Streamingdienste über den Erfolg entscheiden
Streaming-Dienste krempeln gerade die Musikbranche um. Künftig entscheiden digitale Playlists bei Spotify & Co statt Singles und Alben über den Erfolg der Künstler. Was im Pop und Hip-Hop schon lange angesagt ist, hält nun auch Einzug in die Schlager-Branche. SchlagerPlanet wagt einen Ausblick in unsere neue Musikwelt…
Manche durchaus hörbare Songs von neuen Schlager-Künstlern haben das Haltbarkeitsdatum eines Joghurts. Obwohl noch kein Schimmel dran ist, wandert der Becher ab in den Mülleimer. Andere Schlager-Newcomer, oftmals liebeskommunikativ spektakulär unbegabte Sänger und Sängerinnen, sind erst auf ein paar Kleinstadtfesten zum Playback „live“ aufgetreten und haben schon die Millionenmarke auf YouTube geknackt und hunderttausende Streams in den Musikdiensten.
„Wie kann das gehen?“ Und bevor nun alle endgeilen „Schlagermanager“ in den sozialen Medien die Korken knallen lassen und sich mal wieder selber feiern, fragen wir Schlagerfans uns: Ist diese neue digitale Musikwelt wirklich schön oder nur ein dystopischer Alptraum?
Streaming – Retter oder Ruin der Branche?
Seit es Spotify mit seinen 207 Millionen Nutzern, Apple Music, Amazon prime und andere Streamingdienste gibt, wird unter Künstlern, Label-Managern und Fans diskutiert, ob diese neuen Plattformen die Musikbranche retten oder nun endgültig ruinieren werden. Weil der 2006 in Schweden gegründete Musikdienst Spotify den Künstlern nur den Bruchteil eines Cents Tantiemen zahlte, wurde die Plattform auch schnell der Lieblingsfeind vieler Schlager-Künstler. Aber seit nun zwei Jahren verdient die Musikbranche inzwischen mehr mit digitalem Streaming als mit dem Verkauf von CDs und Vinyl-Platten. Tendenz stark steigend!
Andrea Berg mit „Mosaik“, Beatrice Egli mit „Natürlich“, Ben Zucker mit „Wer sagt das?“, Roland Kaiser mit „Alles oder Dich“ und vor ein paar Tagen erst Eloy de Jong mit „Kopf aus, Herz an…und tanz“ sind sind erfolgreiche Alben aus diesem Jahr.
Aber in der konservativen Schlagerbranche wird immer noch nach einem alten Muster gearbeitet: Vor der Album-Veröffentlichung wird erst eine Single auf den Markt gebracht (inzwischen nur noch digital, nicht mehr als CD), eventuell noch eine zweite, die dann im Radio, Online und in TV-Sendungen fleißig promotet werden. Dann kommt noch ein Remix (beliebt: Stereoact oder Harris & Ford) und erst dann das Album und schließlich ein paar Monate später eine Tournee dazu.
Junge Leute hören in Singles
Das ist beste Schlager-Nostalgie und hat sich im Pop schon lange geändert. Jüngere Leute hören inzwischen in Singles. Durch dieses veränderte Hörverhalten werden immer mehr Songs veröffentlicht, wenn sie fertig sind und nicht erst, wenn das Album rauskommt. Die Playlists der Streaming-Dienste haben die CD endgültig abgelöst, die auch im Schlagergeschäft nur noch eine Halbwertzeit von wenigen Jahren hat. Und ihr Ableben wird sicher noch vor der Eröffnung des Berliner Flughafens betrauert werden …
So werden wir Schlagerfans zwar nicht mehr beim Auslaufmodell der Carmen Nebel-Show aber sicher noch in Zukunft bei Florian Silbereisen statt medienwirksame, topinszenierte Verleihungen von „Goldenen Schallplatten“ dann die Verleihungen „Goldener Playlist-Awards“ mitfeiern dürfen.
Aber diese schöne neue Playlistwelt der Schlager-Zukunft hat für uns Fans auch Nachteile. Schlager-Quantität statt Qualität boomt! Schon jetzt klingen die zahlreichen Neuerscheinungen, nicht nur aus der Pop-Schlager Hochburg NRW, irgendwie alle gleich. Vom Sound, vom kompositorischen Aufbau und leider auch vom Inhalt. Alles wird austauschbarer, wie das von Pop-Schlager-Sängern offen zur Schau getragene Gucci-Kreuz um den Hals …
Produzenten passen ihre Songs an
Zukünftig werden Schlager-Produzenten also noch mehr darauf achten, dass ihre Songs so klingen, wie die, die schon in den erfolgreichen Playlisten drin sind. Denn die Redakteure der Musikdienste wie Spotify, achten ganz genau darauf, dass ihre Playlisten auch „durchhörbar“ sind. Das bedeutet für die Schlager-Zukunft: Die Playlisten wie „Pop-Schlager“, „Party-Schlager“ oder „Schlager-Hits“ werden zum Gleichmacher der Schlagermusik mutieren. Denn wer anders klingt hat keine Chance in die beliebte Playlist zu kommen. Denn das, um im Vergleich mit dem Jogurt zu bleiben, sind alles Titel, bei denen für die Playlist-Redakteure die Milch sauer wird.
Und was das für Auswirkungen hat, wissen Schlagerkünstler, spätestens seit der Einführung vom sogenannten „Formatradio“ bei den öffentlich-rechtlichen Sendern.
Lest in Teil 2 morgen, 25. Juni, warum die klassischen Charts ausgedient haben, wie Algorithmen unser Hörverhalten ändern und warum Schlagersongs immer ähnlicher klingen und kürzer werden...
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