Warum sind Playlisten für Künstler denn so wichtig? In ist, wer drin ist. Ein Platz in den Playlisten auf YouTube oder in den Musik-Streamingdiensten wie Spotify garantiert schnell ein paar Hunderttausend Hörer. Und darauf achten künftig Schlagerkonzert-Veranstalter, Booker, Labels, TV- und Radioredakteure. Denn die klassischen Charts, wo keiner weiß, wieviel verkaufte Alben denn nun wirklich hinter einer Top Ten-Platzierung stecken, haben schon bald ausgedient.
Das Schlimme daran ist, dass der Schlagerfan dabei immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird. Sogenannte Algorithmen der K.I. „Künstliche Intelligenz“ und Computerprogramme bestimmen künftig unser Hörverhalten.
Ein Beispiel: Wie oft seid ihr in den letzten Wochen mit dem Titel „Terra Australia“ von Beatrice Egli über diverse Medien in Kontakt gekommen? Etwa zur gleichen Zeit ist der Sommer-Titel von Jessy & Rufus „Chillen #so schön“ veröffentlicht worden. Beatrice Egli wurde in diversen Playlists platziert, wie beispielsweise „Ich find Schlager toll“ auf Youtube von ihrer Plattenfirma Universal Music. Das Ergebnis: 1,7 Millionen Zuseher für Beatrice. Jessy & Rufus haben bis heute gerade mal 988 Aufrufe. Dahinter steckt ein kleines Label aus Burgliebenau.
Plays & Skip Rates sind die neue Währung
War früher noch das Bauchgefühl und die Erfahrung eines Produzenten und seines Künstlers über die Auswahl der Songs und die Reihenfolge auf einer CD entscheidend, so steht heute immer mehr eine Software an deren Stelle. Mit „Publish 2.0“ wird unser Hörverhalten permanent getestet. Das bedeutet: Wie viele Leute den Schlagerkünstler täglich hören („Daily Active Users“), wie oft ein Song angehört wird („Plays“), wie viele Hörer innerhalb von 30 Sekunden zu anderen Songs springen („Skip Rates“), wie viele den Song in einer ihrer persönlichen Playlists speichern („Saves“), die durchschnittliche Durchhör-Rate („Average Completion Rate“) und durchschnittliche Spielzeit der Playlist („Average Playtime“). Das entscheidet dann über den Erfolg eines Songs und ob er in der Playlist bleibt oder nicht.
Schon heute haben die Computer-Algorithmen die Musik und ihre Medien verändert. Schlager sind insgesamt kürzer geworden und im Schnitt nur noch dreieinhalb Minuten lang, in vielen TV-Shows sogar nur noch zweieinhalb Minuten. Und haben klassische Schlager noch wahnsinnig lange Intros, damit die Leute schon tanzen, bis der Text losgeht. Wie beispielsweise „Ich war noch niemals in New York“ von Udo Jürgens, „Die kleine Kneipe“ von Peter Alexander, „Ich liebe das Leben“ von Vicky Leandros, „Die rote Sonne von Barbados“ von den Flippers oder „Adios Amor“ von Andy Borg. So haben die neuen Schlager nur noch kurze Intros. Denn ein Titel in einer Playlist, muss den Hörer in den ersten 30 Sekunden fesseln, sonst schaltet er weg („Skip Rate“). Bedenkt man, dass früher die Produzentenregel galt: Der Refrain eines Songs muss nach einer Minute kommen, werden wir schon bald immer mehr Schlager hören, die in den ersten Sekunden mit dem Refrain einsteigen. Das machen übrigens die Party-Schlagermacher schon seit längerem so.
3:30 – Schlager sind kürzer geworden
Die Musikwissenschaftler der Ohio State University in den USA haben schon herausgefunden, dass das durchschnittliche Intro eines internationalen Top-Ten-Hits von 20 auf fünf Sekunden sank. Das wird sicher auch in naher Zukunft beim Schlager so sein.
Außerdem weiß der Musikdienst Spotify durch seine Computeranalyse genauer als klassische Konzertveranstalter, welche Fans wo welche Songs hören – und kann so auch Konzerte auf seiner Playlist zwischen zwei Songs bewerben.
Übrigens für alle, die nicht an diese Zukunft glauben und wie schon Microsoft-Gründer Bill Gates 1993 prognostizieren „Das Internet ist nur ein kurzfristiger Hype“: Im Handelsblatt bestätigt Mike Pallasch, Leiter der Spotify Playlist-Redaktion, dass er in der nächsten Zeit konservativere Genres und deren tendenziell ältere, stärker ans Album gewöhnte Hörer in den Fokus nehmen will. Mit mehr Schlager-, Metal-, Klassik- oder Jazzplaylisten…