Er ist ein Weltstar, der seinesgleichen sucht. 1975 erschien sein erstes Album „Far Beyond These Castle Walls“, was folgte waren zahlreiche Songs, die über Generationen hinweg bekannt sind. Einer seiner größten Hits „Lady in Red“ verkaufte sich weltweit über acht Millionen Mal und dennoch: Chris de Burgh legt keinerlei Starallüren an den Tag. Total entspannt, in Jeans und Pullover und mit einem Lächeln im Gesicht begrüßte er SchlagerPlanet zum Interview in München.
Chris de Burgh und Udo Jürgens: Liebe auf den ersten Blick
Am 15. Oktober feierte der in Irland lebende Popstar seinen 66. Geburtstag, am 24. Oktober erscheint seine neue Platte „The Hands of Man“, sein bereits 20. Studioalbum. Doch auch nach über 40 Jahren Karriere, ans Aufhören denkt Chris de Burgh noch lange nicht. „Das ist das Gute am Showgeschäft. Dort gibt es keine Regeln, man muss nicht mit 67 Jahren in Rente gehen. Aber man muss natürlich den Wunsch haben, seinen Job weiter zu tun, man muss gesund sein und die Stimme muss noch mitspielen. Ich bin wirklich glücklich sagen zu können, dass ich noch immer dieselben Töne treffe, wie vor vielen Jahren.“
Und wie schon Udo Jürgens sang „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an….“. Auch dieser große Künstler feierte ja erst vor kurzem seinen Geburtstag und präsentiert anlässlich dieses Ehrentages am 18. Oktober eine fulminanten Geburtstagsgala im TV. Dort wird auch Chris de Burgh zu sehen sein: „Wir verliebten uns als wir uns das erste Mal sahen...“, sagt Chris de Burgh über Udo Jürgens und lacht: „Wir haben uns bei einigen TV-Sendungen bereits getroffen. Ich weiß auch, dass er generationsübergreifend hier in Deutschland, Österreich und der Schweiz sehr beliebt ist und bewundert wird. Dieser Mann ist ein großartiger Künstler und hat bereits so eine tolle und lange Karriere hinter sich. Er ist in anderen Ländern kaum bekannt, was eine Schande ist, wahrscheinlich weil er nicht auf Englisch singt. Udo ist ein bezaubernder Mensch und er hat mich gefragt, ob ich seinen Song ‚Mit 66 Jahren‘ auf Englisch performen würde. Also habe ich den Song in meinen Worten umgeschrieben und in die Zeilen habe ich eine Verbindung zu zehn meiner eigenen Songs eingebaut, sodass die Leute sich beim Hören an die Titel zurückerinnern.“
„The Hands of Man“ trug der Wind zu mir
Doch ab dem 24. Oktober präsentiert Chris de Burgh nun erstmal seine eigenen neuen Songs dem breiten Publikum. „The Hands of Man“ ist eine philosophische, eine gesellschaftskritische, eine lebensbejahende Platte geworden. Dinge, die den 66-Jährigen beschäftigen und Dinge, die eigentlich jeden beschäftigen, all das hat er in 15 Lieder gepackt. „Das Album enthält eine Vielzahl unterschiedlicher Themen, die ich in den Songs behandele. Es ist eine Serie von Lieder, die zusammen hängen. Es ist wichtig, dass man Songs schreibt, die widerspiegeln wer man ist, Dinge die einen beschäftigen. Ich versuche immer, meine Umgebung sehr genau wahrzunehmen und tue das auch sehr gerne. Heute zum Beispiel bin ich durch München gelaufen, alleine, ohne, dass mich jemand erkannt hätte – das ist für mich mein persönliches Verständnis von Freiheit. Das mache ich nicht jeden Tag, aber wenn ich anfange, an einem Album zu arbeiten, dann tue ich das oft. Mein Kopf ist ein wenig wie ein Garten und manchmal werden Ideen wie Samen vom Wind zu mir getragen und dann habe ich plötzlich eine Idee für einen Song.“
Und was aus diesen Samen entsteht, das sind die Früchte großer Songs der Jetztzeit. Keine oberflächlichen Lieder, die den Zweck haben eine Platte zu füllen, jeder der Titel hat seine ganz eigene Geschichte, ist tiefgründig und regt zum Nachdenken an:
„Auf den Album ist zum Beispiel ein Titel mit dem Namen ‚The Fields of Angincourt‘, der vom Kampf von Agincourt im Jahre 1450 handelt, ich weiß nicht woher die Idee zu diesem Titel kam, aber ich hatte diese Melodie im Kopf. Und plötzlich fühlte ich mich in diese Zeit zurückversetzt, wie in einem Film. Der Albumtitel ‚The Hands of Man‘, als ich den Song geschrieben habe, habe ich über die Dinge nachgedacht, die uns Menschen erst zum Menschen machen, wie zum Beispiel Hände, die uns zur dominanten Spezies werden ließen. Wenn wir jetzt aber keine Daumen hätten, hätten wir uns völlig anders entwickelt. Wir könnten so viele Dinge gar nicht tun. Aber wir haben diese genialen Dinge eben und das ist es, was uns unterscheidet, was uns besonders macht. Und mit unseren Händen haben wir so viele großartige Kunstwerke geschaffen. Literatur, Musik, Architektur, wir haben jemanden auf den Mond geflogen, wir entwickeln medizinische Revolutionen, die Millionen heilen können, wie bei Malaria zum Beispiel. Aber im Gegenzug schaffen wir mit unseren Händen auch Waffen, die jeden auf unserem Planeten töten könnten. Also muss man sich die Frage stellen: ‚Wer sind wir eigentlich?‘ Und diese Fragen die ich mir gestellt haben, führten zur ersten Songzeile die ich auf dem neuen Album geschrieben habe: ‚Das sind die Hände, die diejenigen töten, die wir heilen.‘ Ich habe sehr viel über diese Themen nachgedacht und sie deshalb in einen Song gepackt.“
Bei all seiner Kritik, sei sie nun positiv oder negativ, zeigt Chris de Burgh aber nicht nur mit dem Finger auf andere, er schreibt genauso autobiografisch und erzählt sehr persönliche Erlebnisse aus seinem Leben, lässt seine Zuhörer tief in seine Seele blicken. „Natürlich gibt es auch autobiografische Titel auf meinem neuen Album, so zum Beispiel ‚Big City Sundays‘. Er handelt von der Zeit, als ich Irland verließ um zur Uni zu gehen. Ich verdiente mein Geld mit vielen kleineren Jobs, schlief mal hier, mal dort auf der Couch. Und Sonntag war für mich immer der Tag, an dem ich mich besonders einsam fühlte. Ich bekam auch den Eindruck, es würde an Sonntagen stets regnen und ich lief einsam die Straßen entlang, Blätter aus Zeitungen wurden über die Straße geblasen - das ist so das Bild, das ich in Erinnerung habe. In den letzten Jahren haben 250.000 junge Menschen Irland verlassen. Vielen von ihnen, weil sie es mussten, um einen irgendwo anders einen Job zu finden, einige, weil die die Welt bereisen wollten. Ich glaube auch diesen jungen Menschen geht es so und Sonntage sind für sie einsam.“
Nervosität ist wie Surfen, man muss nur die Welle mitnehmen
20 Studioalben und zahlreiche erfolgreiche Songs – wie schafft man es da mit seiner Platte noch zu überraschen, eine neue Facette zu zeigen? „Das kann ich selbst gar nicht so genau sagen, dafür bin ich viel zu sehr in der Thematik. Das Album ist wie mein neues Baby. Ich kann nur auf meine früheren Platten zurückschauen, denn das ist nun bereits das 20. Album, und meine Meinung zu denen sagen. Was ich sagen kann, ist, dass ich sehr glücklich mit ‚The Hands of Man‘ bin, weil es mich und die Dinge die mich beschäftigen aus heutiger Sicht wiederspiegelt.“ Und wenn dieses „Baby“ dann endlich auf der Welt ist und man es dem Publikum und den Kritikern präsentiert, wie nervös ist Chris de Burgh, der ja schon seit 40 Jahren mit der Musik sein Geld verdient, dann noch? „Ich bin niemals nervös. Ich weiß nicht einmal wieso, mich macht einfach nichts nervös. Auch wenn ich vor 50.000 Menschen spiele macht mich das nicht nervös, es gibt mir einfach wahnsinnig viel Energie. Und das sogenannte Lampenfieber macht das alles kaputt. Wenn man die Nervosität vielmehr nutzt und sie in Genuss und Energie umwandelt, dann hat man vielmehr Freude an seinen Erlebnissen – kann sie vielmehr genießen. Wenn man beim Surfen eine Weile sieht, dann muss man sie nehmen und sie wird einen tragen, wenn man aber vor Schreck starr ist und sie nicht nimmt, dann wird man unter ihr begraben werden.“
Eine Sache gibt es dann aber doch, die einen der erfolgreichsten Künstler der letzten Jahrzehnte aus der Fassung bringen könnte: „Wenn ich mal zum Beispiel in einer Halle wie der Olympiahalle hier in München spielen würde und die Ränge wären halbleer, dann würde ich darüber nachdenken, was da falsch läuft.“
Doch darüber muss sich Chris de Burgh sicher noch lange keine Sorgen machen, denn noch kommen tausende Menschen zu seinen Konzerten um dem begnadeten Songschreiber dankend dabei zuzuhören, wie er sich und die Welt sieht.