Wir haben mit Annett Bär von der Stage School Hamburg gesprochen und räumen mit den gängigsten Illusionen auf. Nur so viel darf schon verraten sein – der Wunsch nach Ruhm, Anerkennung und Applaus ist nicht genug!
SchlagerPlanet: Frau Bär, welches Ausbildungskonzept verfolgt die Stage School Hamburg?
Annett Bär: Wir arbeiten hier nach dem Motto „ganzheitlich, individuell, vielseitig“. Wir sind eine Schule für Performing Arts, das heißt jeder, der hierher kommt MUSS eine dreigleisige Ausbildung in Tanz, Gesang und Schauspiel mit dem Abschluss zum Bühnendarsteller machen. Da letztlich aber jeder Schüler unterschiedlich ist, erhält auch jeder ab der ersten Woche Einzelunterricht, die ganze Ausbildung durch.
Durch unsere drei Sparten bereiten wir unsere Schüler auf alle Bereiche des Showbusiness vor. Sie werden sehr vielseitig einsetzbar und haben einen viel besseren Stand im Berufsleben. Unsere Absolventen können Anstellungen als Musicaldarsteller bekommen, aber eben auch einzeln in Tanz, Schauspiel oder Gesang. Ein prominentes Beispiel ist Anna Loos, die ja eine große Filmkarriere hingelegt hat. Als sie Frontsängerin der Band „Silly“ wurde, waren alle sehr erstaunt, weil zu diesem Zeitpunkt niemand wusste, dass sie auch singen kann - dabei ist sie als ehemalige Schülerin von uns auch ausgebildete Sängerin. Andersherum wissen viele z.B. bei Lucy von den No Angels nicht, dass sie häufig in Musicals mitgespielt hat.
SP: Müssen Bewerber an der Stage School Hamburg schon alle drei Bereiche „Tanz, Gesang und Schauspiel“ beherrschen, um bei Ihnen studieren zu können?
A.B.: Nein. Da man mit einer Profiausbildung möglichst frühzeitig beginnen sollte, kann man von so jungen Bewerbern nicht erwarten, dass bereits eine sehr gute Vorbildung in all diesen drei Bereichen vorliegt. Aber unsere Profis können in einer Aufnahmeprüfung oder einem unserer Workshops sofort sehen, ob da neben einer tollen Stimme auch das nötige Potential für Tanz und Schauspiel da ist. Dieses Potential auszubilden ist ja dann unser Steckenpferd.
SP: Wie kann man sich als Bewerber auf so eine Aufnahmeprüfung bei Ihnen vorbereiten?
A.B.: Über 90 % unserer Bewerber ersetzen die Aufnahmeprüfung durch die Teilnahme an einem unserer Intensiv-Workshops. Hier haben sie den Vorteil, dass sie direkt testen können, ob diese Dreigleisigkeit das Richtige für sie ist. Und der Vorteil für uns ist, dass wir potentielle Bewerber viel länger beobachten können, als nur für die kurze Zeit während der Aufnahmeprüfung. Ansonsten finden zweimal jährlich Aufnahmeprüfungen statt wo man vor einer Jury alle drei Bereiche präsentieren muss.
Tanzen kann man nicht zwei Wochen vorher beginnen zu lernen. Ein wichtiger Tipp, den man für Gesang und Schauspiel geben kann, ist: Wählt das richtige Stück für euch aus! Es sollte zu eurer Stimme und euren persönlichen Fähigkeiten passen. Denn es beeindruckt niemanden, wenn man ein schwieriges Stück präsentieren möchte, es aber nicht kann. Lieber „kleiner“ als „zu schwer“ und es dafür nicht gut erfüllen. Man muss sich einfach ausprobieren – auch, um Illusionen abzulegen, denn der Alltag ist extrem hart.
SP: Mit welchen Illusionen kommen die Bewerber?
A.B.: Viele Jugendliche und auch Erwachsene lassen sich doch etwas durch die Fernsehwelt blenden. Bei manchen Castingshow-Formaten erhält man vielleicht den Eindruck, jeder könne auf der Bühne so toll singen. Das stimmt nicht – es führt nicht weit, wenn nicht Basis und Handwerk dahinter ist.
Deshalb empfehle ich jedem, der so eine Laufbahn anstrebt eine solide Grundausbildung zu machen, denn sie schult ja nicht nur die künstlerischen Fähigen, sondern auch im Ganzen. Sie bereitet auf den späteren Beruf vor – lehrt den richtigen Umgang mit Enttäuschungen, dem ungeheuren Konkurrenzdruck und dem Druck von Medien der auf einem lastet. Ich würde sogar sagen, dass dieser Beruf an vielen Stellen härter ist als manch anderer Beruf, denn die eigene Persönlichkeit kann hier viel stärker bedroht werden.
SP: Was ist denn das Wichtigste für den Beruf – das Talent oder harte Arbeit?
A.B.: Das eine geht nicht ohne das andere. Jeder Mensch kann zu einem gewissen Grad Singen, Tanzen und Schauspielern lernen, aber nicht so, dass er wirklich auf dem Showbusinessmarkt bestehen könnte. Ohne Talent in mindestens 1-2 Fächern sollte man das also lassen. Aber ohne harte Arbeit wird kein Talent jemals auf irgendeiner Bühne landen.
Auch Leute, die man immer auf den großen Bühnen sieht, wie zum Beispiel Helene Fischer – diese Frau ist einfach unglaublich strebsam. Genauso wie Susan Sideropoulos, die ich damals zu GZSZ vermittelt habe: ich habe selten ein junges Mädchen erlebt das so diszipliniert und hart an sich gearbeitet hat. Die meisten jobben hier auch noch nebenbei am Wochenende um sich alles finanzieren zu können und beweisen insgesamt ein unheimliches Durchhaltevermögen und Disziplin. Ohne Talent würde aber auch mit harter Arbeit wohl nur Mittelmaß herauskommen.
SP: Sie haben ja verschiedenste Programme, um junge Talente zu fördern. Warum ist Ihnen das so wichtig?
A.B.: Ja, Talentförderung ist uns ein großes Herzensanliegen. Wir wünschen uns, dass Kinder schon viel früher spielerisch vorgebildet werden. Denn wir haben festgestellt, dass das Beschäftigen mit den künstlerischen Disziplinen wie nichts anderes die Persönlichkeit des Menschen prägt und stärken kann. Egal, was man später beruflich macht –Kommunikation, soziale Kompetenz, Empathie, Selbstbewusstsein oder Rhetorik dienen jedem Menschen und entlässt sie ganz anders ins Leben.
Mit unserem Young Talent Program können sich Teenager ab 13 Jahren ein Semester lang in zwei Disziplinen nach Wahl schulen lassen. Wenn wir beispielsweise ein junges Talent in einem unserer Workshops sehen, die Person aber noch zur Schule geht, bieten wir ihr im Rahmen unserer Talentförderung an, dass wir ihr die Kosten für die Workshopteilnahme zurückzuerstatten, wenn sie später eine Ausbildung bei uns beginnen sollte.
Außerdem versuchen wir überall so viel Geld wie möglich für Stipendien zusammenzukratzen. Denn ein Talent, und auch ein diszipliniertes Talent, hängt eben nicht vom Taschengeld des Elternhauses ab. Wenn wir aber so eine „Perle“ entdecken, nehmen wir vieles auf uns – verhandeln mit Banken über Kreditformen oder mieten Wohnungen in Hamburg an, damit Schüler günstig WGs bilden können.
SP: Bekommen Sie Ihre Absolventen denn alle auf dem Arbeitsmarkt unter?
A.B.: Ja, die Karrierechancen nach einer Ausbildung bei uns sind überdurchschnittlich gut. Wir sind nicht umsonst die größte Schule dieser Art in Deutschland. Zum einen, weil sie schon während der Schulzeit Auftritte haben, zum anderen, weil wir ihnen Jobs über unsere Künstleragentur vermitteln, zum dritten holen wir als eines der größten künstlerischen Netzwerke Europas weltweit große Castings und Auditions ins Haus, auch aus Amerika.
Wir dürfen nie schlafen oder uns zurücklegen, wir müssen uns ständig neu am Markt orientieren, auch mit unseren Unterrichtseinheiten. Neuerdings haben wir das „Problem“, dass manche Schüler so gut sind, dass die uns schon im zweiten Jahr weggebucht werden und in festen Engagements landen.
SP: Dann gehen auch viele ihrer Absolventen danach ins Ausland?
A.B.: Ja. Ein Teil des Unterrichts läuft immer völlig automatisiert auf Englisch ab, weil wir ein internationales Dozententeam haben. So werden unsere Schüler ganz spielerisch total fit im Englischen. Außerdem machen wir auch Meisterklassen in Korea und haben gerade 10 koreanische Schüler aus Seoul, die dort keinen Job erhalten würden, wenn sie kein großes Ausbildungsinstitut in ihrer Vita haben. Über solche Auslandsanfragen haben wir im Grunde erst gemerkt, wie weit unser Name weltweit reicht. Selbst die Peking Oper hat uns angerufen und um Unterstützung gebeten.
SP: Was können Sie Menschen grundsätzlich raten, die eine Karriere im Musikbereich anstreben?
A.B.: Erstens: Holt euch einen ehrlichen Rat von einem Profi ein, was die eigenen Fähigkeiten angeht. Und zweitens: prüft euch aufrichtig selbst, ob eure Liebe und Begeisterung groß genug ist, um einen der härtesten Berufe der Welt zu erfüllen, mit ständig wechselnden Engagements, etc. Es muss klar sein, ob es eine Berufung ist, oder nur der Wunsch nach Ruhm, Anerkennung und Applaus. Denn letzteres reicht nicht.
Seid ihr auch bereit, den schweißgebadeten Weg dorthin zu gehen und vielleicht ohne Ruhm und Glitzer an einem einfachen Theater zu arbeiten, wo nur wenige Zuschauer sitzen? Wenn dann das Herz noch klopft- dann reicht es.
SP: Vielen herzlichen Dank für Ihre tollen Eindrücke in diesen Beruf.
Habt Ihr noch weitere Fragen zu Workshops und Ausbildung? Herr Sascha Simon von der Stage School Hamburg steht Euch unter der Telefonnummer 040 – 355 40 743 bzw. unter [email protected] gerne zur Verfügung.