Eine Liebeserklärung an Bertolt Brecht in Berlin
Sie greift zur Gitarre und schmettert bekannte Lieder von Bertolt Brecht: Nina Hagen trat im Berliner Ensemble auf. Auf der Bühne wurde überraschend kräftig gefeiert…und das hatte auch einen Grund.
Bertolt Brecht ist eine Inspiration für Jemanden, der mit seiner verrückten Art selber viele Menschen inspiriert. Dass Nina Hagen ein großer Fan des Schriftstellers ist, wurde in den ersten Minuten ihres Konzertes klar. Es war bereits ihr 18. Auftritt in Sachen „interaktiver Brecht-Lieder-zur-Klampfe Abend“. Ja, das Programm heißt wirklich so und findet im schillernden Berliner Ensemble statt.
Nina Hagen ist auch mit 60 Jahren nicht ruhiger geworden. Und schon gar nicht weniger politisch. Wenn eine Botschaft am Abend stark herausgetragen wurde, dann, dass die schrille Künstlerin sich Weltfrieden und Gerechtigkeit wünscht. Und auf Bertolt Brecht steht.
Eine Diashow mit Fotos des Schriftstellers lief im Hintergrund während Nina Hagen einen Song nach dem anderen von Brecht vorträgt. Von „Lob des Lernens“, über „Lied von der Moldau“ oder „Über die Verführung der Engel“ waren viele bekannte Werke dabei.
Hilfe für Flüchtlinge
Doch nicht ausschließlich: Immer wieder griff Nina Hagen auch zum Mikrofon um Stücke vorzutragen, die die Friedensbotschaft transportierten und Misstand aufzeigten. So berührte „Lampedusa“ von Ilona Haslbauer viele Zuschauer des Berliner Ensembles und führte ein Bild vor Augen, dass in den letzten Wochen überall zu sehen war. Ein Schiff auf hoher See ist kurz vor Lampedusa, wo sich am Strand bereits die Leichen stapeln. Ein Thema das schwer zu verarbeiten, doch wichtig zugleich ist. Nina Hagen macht klar, dass den Flüchtlingen Hilfe geboten werden muss.
Des Weiteren wurde die „Ballade vom Briefträger William L. Moore“ gespielt, des Künstlers Wolf Biermann. Besonders prägnant war der immer wiederkehrende Refrain „Black and White – Unite, Unite!“. Dazu Ninas Botschaft á la „Krieg ist scheiße!“.
Überraschungsgäste bei Nina Hagen
Doch Nina Hagen scherzte trotzdem auch während des Konzerts. Sie erzählte ihren Fans von den Soundchecks, die aus organisatorischen Gründen immer zu kurz kommen. „Wisst Ihr, ich bin so ein Nervenbündel. Ich wundere mich, warum ich noch keinen Herzinfarkt hatte.“ Und so setzte sie trocken und humorvoll hinzu: „Naja, ich glaube ich kriege auch keinen!“
Auch dass Brechts Lieblingsbuch die Bibel gewesen sein soll, nahm sie als Anlass zu scherzen. „Auch Kritiker kommen an dem inspirierten Wort Gottes nicht vorbei“, sagte sie. „Doch dass sich hier auf Erden welche als regelrechte Kontrollfreaks aufspielen, ist mir unerklärlich“.
Geburtstag á la Hagen
Am späten Abend gab es dann eine kleine Überraschung: Mutter Eva-Maria Hagen wurde auf die Bühne geholt und prompt wurde „Happy Birthday“ angestimmt. Nina Hagens Mutter wurde gestern 81 Jahre alt. Ein Alter das man ihr kaum ansieht.
Kein Wunder also, dass die Schauspielerin selbst kurz durcheinander kam und sich versehentlich, im Gespräch mit Nina, auf 71 Jahre verjüngte und sich der Versprecher als witzige Szene entpuppte. Geglaubt hätte man ihr sicherlich auch eine 61.
Ninas Mutter zeigte sich nämlich energiegeladen und stimmgewalt. Sie sang zusammen mit Nina den Song „Gegen die Objektiven“, ehe sogar Enkelin Cosma Shiva Hagen die Bühne betrat. Zu dritt feierten sie gemeinsam mit dem Publikum Geburtstag und ließen den Abend im großen Stil ausklingen.
Ausklang des Abends
Der „interaktive Brecht-Lieder-zur-Klampfe-Abend“ klingt verrückt, ist aber literarisch anspruchsvoll. Nina Hagen hat sich für ihre Auftritte im Berliner Ensemble Werke ausgesucht, die zum Nachdenken anregen. Viele Friedensbotschaften verkündet sie während ihrer Veranstaltung, nicht nur verbal sondern auch musikalisch. Insgesamt war es ein sehr gelungener und unterhaltsamer Abend, der mit seinem Programm garantiert die Zuschauer polarisiert. Eins ist klar geworden: Wer zu dem Bertolt Brecht Abend geht, muss mit anspruchsvollen Liedern rechnen. Nina Hagen hingegen selbst gibt sich auf der Bühne wie eh und je. Schrill, schriller, Nina Hagen eben.