Tony Marshalls Geschenke des Lebens
Geschenke zu Weihnachten haben für Tony Marshall keine Bedeutung. Es sind andere Faktoren, die als die stützenden Säulen seines Lebens unverzichtbar sind. Es sind die kleinen und großen Geschenke des Lebens, die ihn noch heute zum Strahlemann machen.
Der Weihnachtsmarkt in Baden-Baden füllt sich mit schallendem Kinderlachen und nach und nach eröffnen die kleinen Büdchen, die mit Glühwein die Hände wärmen und mit so mancher Nascherei das Herz erfreuen. In der Nähe wartet Tony Marshall für sein exklusives Interview mit SchlagerPlanet. Etwas abseits vom Trubel des Baden-Badener Weihnachtsmarkts entsteht ein interessantes Gespräch über das bald anstehende Weihnachtsfest und den Dingen, die dem 76-Jährigen wirklich am Herzen liegen.
Tony Marshall auf einer Weihnachts-CD, wie er „Leise rieselt der Schnee“ und „Oh Tannenbaum“ singt und Tony Marshall als Nikolaus: All das ist kein fremdes Bild, doch was steckt dahinter? Im Interview mit SchlagerPlanet zeigte sich Tony Marshall wenig begeisterungsfähig bezüglich Weihnachtsgeschenken, Weihnachtsliedern und der Botschaft, die an Weihnachten vermittelt wird. Es sind andere Dinge, die er als Geschenke des Lebens gerne entgegen nimmt.
Strahlende Kinderaugen zu Weihnachten
Den Kindern überlässt Tony Marshall gerne die Freude an dem weihnachtlichen Fest, auch wenn er dem Ganzen nur wenig Positives abgewinnen kann. Leuchtende Augen und freudige Momente zeigen eine große Wirkung bei dem Entertainer, der sich seit 1999 mit seiner Tony-Marshall-Stiftung für behinderte Kinder engagiert. Am Abend des 15. Dezember mimte er auch wieder für behinderte Kinder den Nikolaus auf einer Veranstaltung des SWR. „Das bedeutet mir sehr viel. Persönliche Menschen sind mir tausendmal lieber als alle Politiker dieser Welt.“ Die Freude, die die Kinder zeigen, wenn er so manches Weihnachtslied anstimmt, ist das einzige Geschenk, das er zu Weihnachten wirklich begehrt.
In seiner eigenen Familie ließ er seinen drei Kindern die Freude am Fest. „Kinder müssen sich nicht den Erwachsenen anpassen, sondern die Erwachsenen müssen sich den Kindern anpassen. Ich habe mich da gar nicht eingemischt: Ihren Gefühlen freien Lauf gelassen, nie den Finger gehalten.“ Und auch noch heute duldet er die weihnachtlichen Melodien, die aus dem Wohnzimmer erschallen, wenn seine Frau und seine Kinder gemeinsam singen. Auch wenn er selbst lieber Schumann oder Mahler bei dem Familienfest hört. „Ich gehe aber nicht aus dem Raum, wenn meine Familie singt.“ Am zweiten Weihnachtsfeiertag kocht seine Frau für die ganze Familie – der Mittelpunkt der Weihnachtszeit für Tony Marshall. „Am zweiten Weihnachtstag kommen immer alle zu uns nach Hause und meine Frau deckt dann für circa 14 Personen immer eine große Tafel. Dort sitzen wir zusammen und erzählen uns vom vergangenen Jahr.“
Weihnachten ist für andere
Mit Besorgnis betrachtet Tony Marshall die Entwicklung, die Weihnachten in den letzten Jahrzehnten genommen hat. „Man muss sich das mal überlegen: Es kommt Unruhe auf, wenn zur Weihnachtszeit der Umsatz fünf Prozent einbricht. Das muss man sich mal vorstellen. Das ist pervers.“ Tony Marshall ist der Ansicht, dass es nicht notwendig ist, zu Weihnachten mit großen Geschenken aufzuwarten. Das schönste Geschenk seien kleine Aufmerksamkeiten, lobende Worte und Zuwendung, mit welchen er bei seinen Lieben regelmäßig und immer wieder aufwartet. „Kinder umarmen, liebkosen, tief in die Augen schauen, die Wange streicheln, durch die Haare fahren, sagen ‚Ich liebe Dich‘.“
Weihnachten als Konsumfest lautet bei Tony Marshall die Befürchtung. Mit verschmitztem Lachen erzählt der Musiker einen kleinen Witz, um seine Ansicht zu verdeutlichen. „Gottesdienst, Kirche, überfüllt. Der Pastor beginnt seine Predigt. Da kommt ein kleiner Junge. Er geht durch den Mittelgang vor, an die Krippe. Zur Weihnachtszeit. Er kommt sich unbeobachtet vor, greift sich den Josef aus der Krippe, steckt ihn sich in die Tasche und verschwindet wieder. Zehn Minuten später kommt er wieder, aber dieses Mal hat ihn der Pfarrer gesehen. Der Junge merkt es nicht, greift sich die Maria und legt einen Zettel in die Krippe. Dann fragt sich der Pfarrer, was los ist, geht herunter und guckt, was auf dem Zettel steht: ‚Liebes Christkind, wenn ich zu Weihnachten nicht mein neues Iphone kriege, siehst Du Deine Eltern nie mehr wieder‘.“ Der Witz greift zugleich auf, wie kritisch Tony Marshall der Kirche gegenüber steht, die seit 2.000 Jahren die Geburt Jesu als großes Fest propagiert. „Ich werde jetzt bald 77. Ich habe jetzt schon fast 76 Mal die Geburt Jesu miterlebt. Eigentlich stellt man das einmal fest: Da wurde Jesus für die Christen weltweit geboren. Da man es aber jedes Jahr feiert, ist es auch Konsum.“ Selbst findet er den Buddhismus noch am sympathischsten. „Der Buddha, das ist ein richtiger Typ, wohlgenährt.“
Die Familie ist sein Stolz
Weihnachten ist für den Musicaldarsteller ein Familienfest, jedoch nicht der Moment, in dem die Familie sich exklusiv an einem Tisch versammelt. „Wir sind ja eh ständig in Verbindung. Unsere Kinder wohnen ja alle in Baden-Baden. Alle versorgt.“ Tony Marshall ist stolz auf seine Familie, seine Frau und sich selbst. „Das Beste ist natürlich meine Familie und meine Frau an meiner Seite. Wir kennen uns jetzt schon 60 Jahre und sind seit 53 Jahren verheiratet.“ Zusammenhalt und Konstanz sind ihm wichtig: „Zweimal geschieden, hier und da, könnte ich ja gar nicht ertragen.“, fügt er hinzu. Seine Familie ist für ihn das höchste Gut: „Das ist das höchste, was es gibt. Bei Fauna und Flora oder bei uns Menschen, das ist eigentlich überall gleich. Man kann auch in Tierfilmen beobachten, wie besorgt Tiermütter um ihre Kleinen sind.“
Bei all diesem familiären Glück wartet ein weiterer Höhepunkt auf Tony Marshall: Er wird erstmals Urgroßvater. „Als mein Enkel uns das gesagt hat, seiner Omi und mir, habe ich gesagt: Gut, gemacht Junge.“
Eine Heimat in den Hügeln
Nach der Familie kommt bei Tony Marshall gleich die Heimat. Die Stadt Baden-Baden, nahe Karlsruhe, die ihm bereits den Tony-Marshall-Weg gewidmet hat, ist seine Heimat durch und durch. Dort wurde er geboren, wuchs er auf und erlebte seinen ersten Auftritt – gleich nebenan im Casino, wo heute einer seiner Enkel arbeitet.
Konstanz ist dem Musiker, der die Musicalbühne sein zweites Zuhause nennt, in seinem Leben wichtig. Er braucht ein Heim, in das er jederzeit zurückkehren kann. „Man muss doch wissen, für was man lebt.“ Auch für vermutlich bessere Karrierechancen verließ er die Stadt an der Oos nicht. „Alle haben immer gesagt, ich soll nach Berlin.“ Mit den Weinbergen, dem alten Schloss und der Menschlichkeit ist er noch heute in die Stadt verliebt. „Ich habe mich in diese Ecke verliebt. Als Kind bin ich hier groß geworden.“ Verträumte Jahre der Jugend und Kindheit verbrachte er hier: „Da oben im Alten Schloss habe ich viel Zeit verbracht. Ich war immer auf der Suche nach dem Schatz in dem alten Gemäuer, das sind Erinnerungen! Es wäre furchtbar, wenn ich jetzt in Hamburg wäre und sagen müsste: ‚Das war ja schön damals in Baden-Baden‘. Ich bin hier geblieben, im Nest.“
Seine Familie wird es ihm danken, denn auch sie wohnen nun als Erwachsene mit eigenen Familien in Baden-Baden. Beim Schreiten über den Weihnachtsmarkt wird spätestens klar, dass auch die Baden-Badener den ausgebildeten Opernsänger nur sehr ungerne gehen lassen würden. Doch Tony Marshall ist auch Ehrenbürger von Bora-Bora – in dieses Paradies möchte er bald zurückkehren. „Im März will ich mal wieder hin. Ich gebe da zwei Konzerte auf Bora-Bora und auf Tahiti. Es gibt da ein SOS-Kinderdorf und dort bin ich Botschafter.“
Mehr als eine „Schöne Maid“
Auch seine Liebe zur Oper und zum Musical begleitet Tony Marshall seither. Als Musical-Darsteller gestartet, landete er mit „Schöne Maid“ einen großen Erfolg, der ihn auch fernab der Theaterbühne bekannt werden ließ. Jedoch liebt Tony Marshall auch heute noch die Musical-Bühne, wo er unter anderem mit „My Fair lady“ und „Anatevka“ das Publikum begeistert. Vor rund zehn Jahren stand er mit Schlagerstar Helene Fischer auf der Bühne und spielte den Vater der damals 20-Jährigen. „Ich war von ihrem Können überzeugt. Sie war damals auch auf der Musicalschule und ist dann auch ausgestiegen, weil sie ihre Privatkarriere anstrebte. Ich hatte da gleich Verständnis aber sie hat gefehlt.“ Heute eine kleine lustige Geschichte, die er gerne erzählt.
Doch Tony Marshall lebt nicht in der Vergangenheit, sondern blickt nach vorne. Für das neue Jahr hat er bereits einige Pläne. „Ich mache jetzt eine CD. Wir sind im Studio. Zwei Titel sind schon synchronisiert. Im Frühjahr soll die CD erscheinen.“
Geschenke des Lebens
Doch eines ist bei Tony Marshall frappierend – bezüglich seiner Zukunft, seiner Gegenwart und der Vergangenheit: die Dankbarkeit, mit welcher Tony Marshall das Leben und seine Facetten entgegen nimmt. „Ich werde jetzt 77. Wenn man da nicht dankbar ist, hat man einen Fehler gemacht. Deshalb bin ich ja auch so ausgeglichen und zufrieden. Auch wegen all dieser Beispiele. Viele großartige Künstler hatten ja gar nichts vom Leben“, bezieht er sich auf Sänger wie Michael Jackson oder Elvis Presley.
Im Laufe seiner Karriere erlebte er viele Höhepunkte und wenige Tiefpunkte. Alle Ziele, die er erreichen wollte, konnte er erschließen. So zum Beispiel eine Musicalrolle, die er seit Jahrzehnten begehrt hatte. „Guck mal! Du bist jung. Ich bin über sechzig. Wenn Du das Alter mal erreicht hast, kannst Du versuchen, die Rolle zu spielen. Das ist nicht leicht“, sagte ihm der damalige Darsteller vor vielen Jahrzehnten. „Und ich war 65 als ich in Frankfurt auf der Bühne stand.“ Mit Erfolg wie das ehrliche Kompliment einer israelischen Journalistin ihm zeigen sollte: „Sie ging nach der Vorstellung auf die Bühne und war nicht eingeladen zu reden. Sie sagte: ‚Sehr verehrte Damen und Herren, ich komme aus Tel Aviv. Ich bin zur Zeit für einige Tage in Frankfurt und lassen Sie mich eines sagen: Ich kenne sie alle, alle Tevjes dieser Welt und wissen Sie was, Tony Marshall ist der Beste‘!“
Weihnachten ist nichts, auf das Tony Marshall in seinem Leben Wert legt, nichts, dass ihn in seinem Alltag in irgendeiner Form berührt. Das scheint auch richtig so: Er braucht keine singenden Engel, duftenden Plätzchen und großen Geschenke, um der Welt etwas von seiner Freude abzugeben.