Tony Marshall hat den Schlager in Deutschland wie kaum ein anderer Entertainer geprägt. Als „Fröhlichmacher der Nation“ sorgte er mit seiner berühmten „Schönen Maid“ und vielen weiteren Stimmungskrachern wie „Junge, die Welt ist schön“, „Ich fang für euch den Sonnenschein“ oder „Lass das mal den Tony machen“ auf jeder Schlagerparty für Gute Laune und Tanzspaß. Mit 80 Jahren meldet sich Tony Marshall jetzt als „Rentertainer“ und seinem neuen Album „Senioren sind nur zu früh geboren“ zurück – und ergreift mit seinen humoristischen aber manchmal auch nachdenklichen Liedern Partei für die älteren Menschen im Lande. SchlagerPlanet sprach mit Tony Marshall im Interview über sein neues Album und vieles mehr:
SchlagerPlanet: Was erwartet uns auf Ihrem neuen Album „Senioren sind nur zu früh geboren“?
Tony Marshall: Darauf sind typische Lieder für ältere Menschen, für Rentner. Die Idee zu dem Album kam vom Produzenten Günther Behrle und ich war sofort angetan davon, etwas für unsere älteren Mitmenschen im Lande zu tun. Die kommen in vielen Bereichen zu kurz. Es gibt auch so viele Altenheime. Man sieht Bilder von Menschen im Rollstuhl, die vor sich hindösen. Das mischen wir mit meinem Album jetzt ein wenig auf.
SchlagerPlanet: Wobei kommen die Alten in Ihren Augen zu kurz?
Tony Marshall: Man sollte jeden mit Musik erreichen können. Doch es wird bei Musik-Shows oder auch im Radio oft nur für die Jugend produziert, die Älteren kommen bei Neuproduktionen aus meiner Sicht zu kurz. Es ist mir daher ein großes Anliegen, dass diese zig-Millionen ältere Menschen in Deutschland auch bedient werden. Ich will einfach nicht, dass der deutsche Schlager stirbt. Dafür leiste ich mit meinem neuen Album einen Beitrag. Und ich möchte, dass die alten Menschen daran ihre Freude haben.
Tony Marshall will alten Menschen Freude bereiten
SchlagerPlanet: Mich haben vor allem die Texte auf dem neuen Album begeistert. Da sind so schöne Reime drin, wie „Im Mund da ist noch Platz für einen Zahnersatz“. Was war ihnen beim Texten wichtig?
Tony Marshall: Es sind keine Chanson-Texte und wir wollen auch nicht die Welt verändern. Ich singe Texte aus dem Leben der älteren Generation, die jeder versteht. Wir artikulieren uns humorvoll, aber auch in aller Deutlichkeit. Viele ältere Menschen im Land wollen einmal wieder richtig gute Stimmung haben und dafür fühle ich mich zuständig, schon seit Jahrzehnten. Als „Fröhlichmacher der Nation“ bin ich bekannt. Und ich glaube, dass ich als 80-Jähriger mit diesem Album für die Generation 66 plus die Menschen erreichen werde.
SchlagerPlanet: Wie haben Sie Ihren 80. Geburtstag gefeiert?
Tony Marshall: Im Kreise meiner Familie, das war mir das Wichtigste. Dann kam mein Freundeskreis hinzu, der nicht mehr so groß ist, weil schon viele gehen mussten, und noch viele andere liebe Wegbegleiter, ehemalige Schulkameraden von der Volksschule und vom Gymnasium. Sogar aus Hamburg kam ein Schulkamerad, der mit mir auf dem Gymnasium in Baden-Baden war. Viele leben ja gar nicht mehr. Da wurde mir wieder bewusst, wie schön es ist, bei bester Gesundheit alt werden zu dürfen. Darauf kommt es an. Auch Frank Elstner und Bata Illic waren da. Es war eine illustre Gesellschaft und wir haben von Vormittags bis in die Nacht hinein gefeiert.
SchlagerPlanet: Das war in Baden-Baden?
Tony Marshall: Ja, in Baden-Baden, in der Geroldsauer Mühle. Die Oberbürgermeisterin war auch da und ich habe die Zusage der Stadt, dass ich im Mai die Ehrenbürgerschaft verliehen bekomme. Das ist eine ganz große Ehre! Seitdem es Baden-Baden gibt, bin ich der 31.! In diesen Kreis gehört auch der alte Otto von Bismarck. (lacht) Das ist ein Wahnsinn, gell!?
SchlagerPlanet: Herzlichen Glückwunsch!!! Sie stehen ja bereits seit 63 Jahren auf der Bühne.
Tony Marshall: Ja, ich hatte meinen ersten Auftritt 1955 im Kurhaus Baden-Baden. Da habe ich Louis Armstrong parodiert. Ich hatte damals noch kein eigenes Repertoire und habe beim Pennälerball „C'est si bon“ gesungen. Für eine Wahnsinnsgage von fünf D-Mark. Mein Bruder war Klassenprimus, er hatte mich gefragt, ob ich dort ein paar Lieder beitragen will. So kam es zustande, dass ich fast nur a-capella gesungen habe. Früher, das kann man sich gar nicht mehr vorstellen, war ein Klavier als Begleitband ok; wenn es das nicht gab, war es ein Akkordeon. (lacht) Oder man hat a-capella gearbeitet. Wunderschön! Das sind Erinnerungen, die werde ich in mir tragen bis zum Ende.
Da fing es an. 1957 bin ich dann auf die Hochschule für Musik nach Freiburg, habe da ordentlich Musik studiert und später das Staatsexamen gemacht. Eigentlich wollte ich Opernsänger werden. Aber dann habe ich 1962 geheiratet und hatte gleich eine Familie. Marc, der älteste Sohn war geboren, der heute ja auch sehr erfolgreich als Sänger unterwegs ist.
Ich habe mein Studium finanziert, indem ich am Casino in Baden-Baden als Croupier gearbeitet habe. Dadurch habe ich richtig gut verdient. Als ich fertig war mit dem Studium hat man mir angeboten, für 270 Mark monatlich nach Stuttgart ins Ensemble zu kommen. Da habe ich erst mal gelacht, weil ich damals eine Familie zu versorgen hatte. Darum sagte ich mir: Das hat alles noch Zeit mit der Klassik, jetzt verdienst du erst mal Geld und guckst wie es weiter geht. Und so kam das Eine zum Anderen, wie die Begegnung mit Jack White, der für mich den Riesenhit „Schöne Maid“ geschrieben hat. Wir haben sehr lange zusammengearbeitet, er war bis vor fünf Jahren mein Produzent. Genauso gewachsen und vertrauensvoll war das Verhältnis zwischen mir und meinem Manager Herbert Nold, wir waren 44 Jahre zusammen. Ich hoffe, dass ich damit bald mal ins Guinness-Buch der Rekorde komme. (lacht). Es war eine ehrliche Zusammenarbeit, darauf lege ich großen Wert.
SchlagerPlanet: Gibt es so etwas wie eine Bilanz, die Sie nach dieser langen Bühnenzeit ziehen können?
Tony Marshall: Würde mich jemand fragen, ob ich das Ganze noch mal machen möchte, würde ich sagen: Ja! Das steckt seit der Geburt in mir drin. Mein Vater hat gleich gesagt, weil ich als Säugling so geschrien habe, aus dem wird mal ein Sänger. (lacht)
SchlagerPlanet: Da scheint etwas dran zu sein, Ihre Söhne sind ja auch musikalisch sehr erfolgreich.
Tony Marshall: Ja, Marc und Pascal, beide verfügen über eine hervorragende Stimme.
Woher kommt der Spitzname "Fröhlichmacher der Nation"?
SchlagerPlanet: Wie kamen Sie eigentlich zu dem Spitznamen „Fröhlichmacher der Nation“?
Tony Marshall: Dieser Spitzname geht zurück auf eine Postkarte aus der damaligen DDR, die adressiert war, an den „Fröhlichmacher der Nation“, kein Ortsname, kein Straßenname, nichts. Und diese Karte kam an. Die habe ich dann zur „Hitparade“ nach Berlin mitgenommen und Dieter Thomas Heck gezeigt. Seit dem Abend hat er mich immer als „Fröhlichmacher der Nation“ angesagt. Seitdem habe ich meinen Spitznamen weg und fühle mich sehr wohl damit. Das steht auch in Verbindung mit meinem neuen Album. Wir brauchen mehr Fröhlichkeit, nicht immer diese Ohnmacht und dieses Gefühl, dass man eh nichts ändern kann. Kürzlich stand in der Zeitung, Frau Merkel verurteilt, was in Syrien und im Jemen passiert. Ja, wer macht das nicht. Das ist mir zu wenig von der internationalen Politik. Die könnten vieles verhindern, wenn sie wollen. Aber es hat wohl Gründe, warum das nicht so ist. Ja, ja, das ist die andere Seite vom Tony, gell. Diese Ungerechtigkeit und Gewalt, das regt mich auf.
SchlagerPlanet: Sie machen sich viele Gedanken über das politische Weltgeschehen?
Tony Marshall: Sicher, schon immer. Ich bin gegen Ungerechtigkeit. Auch in der Familie diskutieren wir oft, was bei uns im Land und auch weltweit los ist. Aber ich würde mich jetzt nicht zu einer Partei speziell äußern wollen.
SchlagerPlanet: Was müsste denn politisch für Senioren aus ihrer Sicht gemacht werden?
Tony Marshall: Allgemein bekannt sind ja die Schwierigkeiten in der Pflege. Das Personal ist unterbezahlt, das ist eine Frechheit! Ich würde gerne mal einen Politiker für das Geld in ein Seniorenheim schicken und einen alten Menschen waschen, die Windeln anlegen lassen und so weiter. Dieser Beruf müsste der hochbezahlteste in Deutschland sein. Ich weiß, worum es geht, deswegen mache ich mit dem neuen Album auch etwas für die Senioren. Jetzt gibt es nicht nur den katholischen Missionar, sondern auch den Schlager-Missionar. Ich habe einen Auftrag für die alten Menschen im Land.
Die Leute, die heute im Seniorenheim sind, sind ja mein ehemaliges Publikum. Ich bin doch mit denen und sie sind mit mir groß geworden. Ich habe schon in Altenheimen gesungen und werde dort auch weiterhin etwas für die alten Menschen machen.
Zusammenarbeit mit Helene Fischer
SchlagerPlanet: Sie haben ja in dem Musical „Anatevka“ die Hauptrolle gespielt. Auf der Bühne stand mit ihnen eine Schauspielerin, die heute Hallen füllt und Millionen Menschen begeistert: Helene Fischer. Wie haben Sie sie damals erlebt?
Tony Marshall: Ja, sie war in dem Stück von 2004 bis 2006 meine jüngste Tochter. Helene war damals schon hochbegabt. Wir haben alle gesagt, aus dem Mädel wird noch was – und heute hat sie Weltformat.
SchlagerPlanet: Das war damals schon offensichtlich?
Tony Marshall: Sicher. Sie war damals 18, 19 Jahre alt, hat wunderbar getanzt, sah attraktiv aus, hatte eine unglaubliche Aura und eine tolle Stimme. Sie braucht sich hinter niemandem zu verstecken und das ist gut so. Solche Leute braucht das Land.
SchlagerPlanet: Wenn Sie die Schlagerwelt in ihrer Hochzeit der 60er, 70er Jahre mit der heutigen Zeit vergleichen, was hat sich da aus ihrer Sicht verändert?
Tony Marshall: Der Schlager ist ein wenig in den Hintergrund getreten, nicht weil er nicht gut ist, sondern es fehlen die Hunderttausenden Musikboxen in den Lokalen, wo man die Schallplatten hörte. Nach einem Auftritt in der „ZDF-Hitparade“ hat man 30.000 Singles verkauft, die dann in den Tanzlokalen und überall dort, wo man Musik hören konnte, gespielt wurden. Das gibt es so nicht mehr.
SchlagerPlanet: Schlager ist für Sie der fröhliche Schlager, der gute Laune macht?
Tony Marshall: Ja, klar. Ich bin doch dafür da, Menschen glücklich und fröhlich zu machen.
Mit 80 auf der Bühne
SchlagerPlanet: Gibt es noch einen Wunsch, den Sie sich gerne erfüllen würden?
Tony Marshall: Ja, aber das hat nichts mit Musik zu tun. Das wäre der Weltfrieden, der vielleicht möglich wäre, wenn es keine korrupten Politiker gäbe. Das ist mein erster Wunsch. Dann wünsche ich mir natürlich, meine Familie noch lange um mich zu wissen. Sie sollen mich alle überleben, das ist das Wichtigste für mich. Ich will der erste sein, der Tschüss sagt. Alles andere würde ich nicht ertragen. Wenn mir das gelingen sollte, dann habe ich ein tolles Leben gehabt.
SchlagerPlanet: Welche Pläne haben Sie in diesem Jahr noch?
Tony Marshall: Ich habe viele Auftritte, bis hinauf nach Dänemark. Alles mit dem Auto. Mein Sohn, der Pascal, steuert und ich lasse es mir nebendran gut gehen. Und dann noch einige TV-Auftritte. Ende März bin ich mit meinem Sohn Marc bei Markus Lanz zu Gast.
SchlagerPlanet: Lieber Tony Marshall, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Termine & Tickets für die Auftritte von Tony Marshall gibt es hier!