Jogl Brunner mit „Lebenslust“ allein auf weiter Flur
Reisende soll man nicht aufhalten. Brunner&Brunner trennte sich nach Streitigkeiten 2010. Nun, nach vier Jahren, begibt sich auch der zweite Bruder Jogl Brunner auf ein Solo-Abenteuer und diese Reise ins Ungewisse führte ihn auch zu sich selbst.
In cooler Lederjacke, die sich sträubenden Haare zum Scheitel gezwungen, und mit der Akustikgitarre auf den Rücken geschnallt, erwartet uns Jogl Brunner. Er hat die Aura eines Vagabundierenden, jedoch nicht einer der sucht, sondern schon die spannende nächste Etappe seines Seins entdeckt hat. Eine Etappe, die etwas Ungewisses aber auch Reizendes verspricht. Lange Zeit bewegte sich Jogl Brunner in der Natur, suchte dort Inspiration, suchte sich selbst und fand sein Selbstbewusstsein. Vier jahrelang war er nur im stillen Kämmerchen musikalisch aktiv. Im SchlagerPlanet Interview hat er verraten, warum es nun für ihn an der Zeit ist von seinem Berg herabzusteigen und sich der Welt zu offenbaren.
Der Moment für die Musik
Jahrzehntelang stand Jogl Brunner mit seinem älteren Bruder Charly gemeinsam im Rampenlicht. Brunner&Brunner galt lange Zeit als eines der erfolgreichsten Schlager-Duos und der Inbegriff der Bruderliebe. Doch vor vier Jahren dann der Bruch: Trennung bei den Gebrüdern Brunner. Charly machte schon bald alleine weiter. Aber Jogl? „Ich habe ein Jahr zum Nachdenken gebraucht und mich gefragt, ob ich in den ersten 50 Jahren nicht schon genug gearbeitet habe.“
Es folgten noch drei weitere Jahre der musikalischen Funkstille. „Mein Inneres hat sich aber gegen die Leere gewehrt, ich bin ein Tatenmensch. Und Musik ist mein Lebensinhalt und meine Leidenschaft.“ Eine Leidenschaft, die in den vier Jahren Abstinenz immerzu glimmte und schließlich neue „Lebenslust“ entfachte.
Bruderliebe vs Musikliebe
Sein eigenes Musikkonzept, das mit „Lebenslust“ nun startet, bietet ihm die künstlerische Freiheit, die in einem Duo schon von Natur aus nicht geboten werden kann. „Wir haben eben gemerkt, dass wir uns nicht mehr so großartig ergänzen wie am Anfang unserer Karriere. Diese Konfrontationen, Unstimmigkeiten oder Uneinigkeiten in unseren kreativen Prozessen wurden immer mehr.“ Nur um den guten Namen aufrechtzuerhalten, wollte keiner der kreativen Geister weitermachen. „‚Komm, lassen wir uns frei und jeder kann seinen Weg gehen‘, haben wir uns gedacht.“ Charly Brunner veröffentlichte schon 2011, ein Jahr nach dem Bruch, sein erstes Sololied.
„Ich glaube auch, dass man als Künstler irgendwann selbst erfahren möchte, ob man allein einen Text, ein ganzes Lied schreiben und es auch allein singen kann“, sagt der Musiker über die ersten musikalischen Gehversuche ohne die starke Schulter Charlys. „Ich habe die Zeit genutzt, habe sehr viel an meiner Gesangsperformance gearbeitet, auch an meinem Gitarrenspiel.“ Jedoch zeigte sich, ohne Selbstbewusstsein, nützt auch das virtuoseste Gitarrenspiel nichts.
Die Suche nach dem Selbstbewusstsein
„Das Singen war am Anfang ziemlich schwierig, da hab ich natürlich ein bisschen an meinem Selbstvertrauen arbeiten müssen.“ Auf dem nun allein beschrittenen Weg fand der Sänger seine Persönlichkeit. „Entscheidungen allein zu treffen ist sehr angenehm, auch wenn sie falsch sind - aber ich treffe sie.“ Absolutes Selbstbewusstsein, aber durchaus Respekt vor der neuen Lage – diese scheinbaren Widersprüche vereint Jogl Brunner nun in sich.
Im Entstehungsprozess waren Momente des Selbstzweifels nicht fern. „Könnte dieses Wort noch peinlich sein? Oder jener Satz, weil er doch nicht so toll ist?“, fragte er sich immer wieder in der zweijährigen Entstehungsphase seines ersten Albums. „Das war ein steiniger Weg, ich hab mich oft in Frage gestellt.“ Doch, seine CD so wie sie jetzt aufgenommen ist, bestärkt den Musiker in seinem Handeln. „Dann kommen Sätze und ich denke –‚Boah, das ist von dir!‘ Das ist das Schöne am kreativ sein.“ Im gesamten Gespräch ist zu spüren, wie stolz Jogl auf seinen ersten Zögling ist und wie frei und unbeschwert er sich in seiner neuen Rolle fühlt.
Mit dem Smartphone auf Reisen
„Ich liebe akustische Instrumente.“ Dies ist auch auf seinem Album zu hören. „Je mehr Menschen spielen, umso lebhafter ist das Ganze. Das ist bei meiner Musik ziemlich wichtig, dass das nicht alles mit dem Computer gemacht wird.“ Und auch für die Entstehung seiner Texte setzte er mehr auf Natur als auf Technik: „Ich setze mich nicht hin und sag: ‚So, heute muss mir irgendetwas einfallen!‘ Die Ideen kommen einfach, ich greife sie auf wenn sie da sind.“ Wenn Jogl Brunner in der Natur unterwegs ist, hat er stets sein Smartphone dabei, das alle Ideen dankbar in sich sammelt.
Auf dem Album öffnet sich der neugeborene Solokünstler den Hörern. „Ich beschäftige mich gerne mit meinem Geist und so gesehen muss auch der Text einen Inhalt haben.“ So nimmt Jogl Brunner seine Fans zum Beispiel mit auf eine Reise in seine Kindheit. „Damit gebe ich nicht nur etwas von meiner Jugend preis, sondern ich glaube auch, dass ich vielen Menschen damit sage: ‚Hey, nur nicht aufgeben und an sich selbst glauben, auch wenn es eine Zeit dauert. Lass dich nicht abbringen von deinen Zielen.‘“
Ein Leben live
Auf die Albumveröffentlichung am 13. März soll schon bald eine Tour folgen. „Ich freu mich wahnsinnig drauf, den Menschen meine Musik live zu präsentieren.“ Jogl Brunner bezeichnet sich selbst als Musiker mit Leib und Seele, dem die schrillen Lichter der großen Bühne am meisten fehlten: „Ich glaube, ich werde so lange auftreten wie Udo Jürgens. Wenn nicht bis 80, dann zumindest so lange, bis ich die Augen zu mache.“
„Es macht mir wahnsinnigen Spaß, nur akustisch zu spielen. Es kommt aber auch großartig wenn mein Sohn Raffael mich auf dem Cajon begleitet.“ Raffael war jedoch ebenfalls am neuen Album beteiligt. „Mein Sohn wird kein anderer Mensch sein als ich, da wird es auch zu Konfrontationen oder Unstimmigkeiten kommen“, sagt Jogl Brunner auf die Frage, ob er nicht Angst vor musikalischen Differenzen mit nahestehenden Menschen hat. „Die Kunst im Leben besteht darin, dass man diese so früh als möglich erkennt und darüber redet.“
Als Brüder wiedergefunden
Auch die Gebrüder Brunner konnten so manche Unstimmigkeiten aus dem Weg räumen, auf der großen gemeinsamen Bühne sieht sich der Musiker bisher jedoch nicht. „Ich hab lange gegrübelt, ob es die richtige Entscheidung war. Aber dann bin ich draufgekommen, dass ich nicht aus irgendeiner Trotzaktion heraus aufgehört hab, sondern wir aus Überzeugen den Schlussstrich unter diese Karriere gesetzt haben.“ Als sein Bruder solo startete, war Jogl jedoch ein aufmerksamer Zuhörer: „Wer kennt denn Charly besser als ich oder wer kennt mich besser als er? Wir haben miteinander über 50 Jahre verbracht. Das ist sein Denken, sein Fühlen, sein Singen - und das hat er authentisch umgesetzt.“
Jetzt soll es aber erst einmal alleine weitergehen. Damit stellt er sich auch den Brunner&Brunner Fans: „Ich hab - wie auch damals in den Zeiten von Brunner & Brunner - aus dem Herzen gesungen und komponiert. Musik kommt bei mir genau von da. Das ist so geblieben und deshalb denke ich, dass die Leute das spüren werden.” Zuspruch erhielt der angekommene Vagabund für sein neues musikalisches Projekt bereits. Na dann, auf eine gute Reise!