„Entschuldigung, ich esse gerade ein Stück Schokolade“, unterbricht Guildo Horn seinen Redefluss und zeigt, dass auch er einfach nur ein lockerer Typ von nebenan ist – ein wenig verrückter vielleicht und sicher auch um einiges erfahrener, was die Musik anbelangt. Im Interview sprach der Spaßvogel mit der bezeichnenden Haartracht über seine Leidenschaft den Schlager und seine musikalische Arbeitsweise.
„Schlager unser“ – das Spiel mit den Klassikern
Im vergangenen Jahr erschien Guildo Horns aktuelles Album „Schlager unser“ – eine Platte mit großen Schlager-Klassikern, neu eingespielt vom Künstler und seiner Band. 2014 hatten sich die Orthopädischen Strümpfe, die Band um Guildo Horn, neu formiert. Nach diesem Neuanfang galt es als erstes die „Kölner Lichter“ zu stemmen. „Das ist eine Großveranstaltung vor mehreren hunderttausend Menschen, die live im WDR Fernsehen übertragen wird. Ein viereinhalbstündiges Live Konzert mit Special Guests wie Karel Gott, Gitte Haenning und Harpo“, erklärt Guildo Horn. Während der Arbeit bei dieser Veranstaltung wurden die Grundsteine für „Schlager unser“ gelegt: „Das ‚Schlager unser‘ ist eine Essenz dieser Arbeit und der Versuch herauszubekommen, wie wir, die neuen Strümpfe auf Tonträgern klingen, um im nächsten Schritt noch ein bisschen eigenständiger zu werden. “ Was daraus entstanden ist? In Guildo Horns Worten: „Die klingenden 10 Gebote.“
Neben den Coversongs befinden sich auf dem Album auch Zwischeneinspielungen mit dem Namen „Aus dem Buche des Schlagers“. „Das ‚Schlager unser‘ ist als eine kleine Bibel angedacht, so zum Mitnehmen überallhin – also die Schlagerbibel. Das Neues Testament! Wenn draußen,“ erklärt Guildo Horn die Intension der Einspielungen, „ganze Kontinente untergehen, und man rückwirkend nochmal eine kleine Fibel, sein Kleinod bei sich trägt, drückt man sie beim letzten Atemzug ans Herz. Diesen Gedanken muss man natürlich ein bisschen sakral untermauern. Deshalb die Zwischentexte aus dem Buche des Schlagers.“
Als zusätzliches Schmankerl befindet sich auf „Schlager unser“ natürlich Guildo Horns eigener Klassiker „Guildo hat Euch lieb“. Für ihn ist dieses Lied immer noch ein „wunderschöner Titel“, mit dem er über die Jahre immer wieder aufs Neue experimentiert und sich ausprobiert. „Ich spiel ihn auch noch heute gerne. Wenn man einen Titel hat, der einfach so ein Markenzeichen ist, dann sollte und muss man ihn im Laufe der Zeit immer wieder verändern und umgestalten, sonst wird es auf Dauer langweilig und Langeweile ist nicht mein Ding. Also probieren wir immer wieder aus, was so alles musikalisch geht. Bei uns ist ‚Guildo hat Euch lieb‘ eher so ein Dehnungsstück, um die Spielfreude zu erhalten und Spielfreude ist eh der Oberbegriff des ‚Schlager unser‘!“
Das Experiment Musikmachen
„Wenn wir im Proberaum stehen, dann sind wir wie junge Hunde, die beim Spazierengehen von der Leine gelassen werden“, meint Guildo Horn, als die Sprache genauer auf seine Art des Musikmachens kommt. „Jede kleine dumme Idee wird ganz schnell umgesetzt und dann vielleicht auch schnell wieder verworfen, oder schafft es in unsere Herzen.“ Für das Weihnachtsprogramm von Guildo Horn und den orthopädischen Strümpfen im letzten Jahr versuchten sie so zum Beispiel, jedes Lied mit einem Zitat eines traditionellen Weihnachtsliedes enden zu lassen. Das Experiment steht bei Guildo Horn im Vordergrund: „Da wird eine ganze Probe dran rumgeknuspert und bei der nächsten Probe verwerfen wir wieder alles. Das sind alles irgendwie schöne musikalische Spielereien. Und darum geht’s doch. Wir wollen Spaß haben und machen nichts am Reißbrett.“
Deshalb spielen auch Coversongs bei dem Künstler immer wieder eine große Rolle. Daran ist die Leidenschaft von Guildo Horn an seinem Job und der Musik zu erkennen und nicht etwa temporäre Themen- oder Ideenarmut, ganz im Gegenteil. „Bei mir ist es einfach meine Leidenschaft an der Schlagermusik. Ich habe es nie anders gemacht, das ist bei mir jetzt keine neue Erfindung, sondern eine stringente Weiterentwicklung, seit ich mich 1990 auf den ‚Kreuzzug der Zärtlichkeit‘ begeben habe, um den deutschen Schlager zu retten. Es gibt auch einfach so viele tolle Titel. Vor allem aus den 70er Jahren. Und es ist ja eigentlich auch so wie beim Blues. Da gibt es ja auch solche Traditionales. Für mich sind diese alten Schlager Traditionales.“
„Schlagermusik ist überhaupt nicht totzukriegen“
In Zeiten des Schlager-Booms sprießen die Stars und Sternchen der Branche wie Pilze aus dem Boden. Für Guildo Horn persönlich war Schlager aber immer relevant, auch in allgemein schlagerlosen Zeit. „Ich habe Ende der 80er angefangen, Schlagermusik zu machen, da war das total out. Es gab diese Volksmusikhörer, aber so diese Schlager wie jetzt von jungen Leuten oder für Hörer aller Fachbereiche, das gab es nicht und durfte es auch irgendwie nicht geben. Das war uncool.“
Damals spielten er und seine Musiker ganz „uncool“, wie er es nennt, in Rock- und Punkclubs. „Wir haben zum Beispiel in Köln und Frankfurt zum Teil wöchentlich gespielt. Stück für Stück haben wir das Thema dann bundesweit aufgebaut. Unsere Mission war ja, den Schlager zu retten.“
Der Schlager war für ihn immer ein Thema: „Schlagermusik ist überhaupt nicht totzukriegen, das ist gesetzt. Als ich noch als Schlagzeuger unterwegs war, habe ich bereits gemerkt, egal nach welchem Konzert: wenn der letzte Ton verklungen war und alle einen auf der Lampe hatten, dann wurden Schlager gesungen. Schlager ist und bleibt halt das Größte gemeinsame Vielfache oder wie das heißt.“
Musik aus Leidenschaft, nicht des Geldes wegen
Den jungen Schlagersternchen könnten böse Zungen Geldgier und den Drang nach Ruhm unterstellen. Für Guildo Horn ist das, was er tut, eine Leidenschaft und Berufung. „Es ist halt was komplett anderes, als wenn du so Produzentenkünstler bist. Ich bin Musik immer anders angegangen. Mit 13 habe ich meine erste Band gegründet und Musik immer als Teamsport verstanden, um gemeinsam Ideen auszutüfteln und eine nette Zeit zu verbringen. Musik vor allem fürs Geld zu machen war noch nie mein Ding. Ich habe immer nur Musik gemacht, um Musik zu machen und ich mache den Scheiß mit Leidenschaft, ob ich im Proberaum oder auf der Bühne stehe. Ich glaube, Musikmachen, um Geld zu verdienen, ist primär der falsche Weg. Das Geld kommt nach der Leidenschaft.“
Den Begriff Kunst verwendet der Musiker aber ungern. „Kunst finde ich immer so hochtrabend und irgendwie blöde. Kunst kommt glaube ich von lateinisch für Können. Das soll einfach Spaß sein, irgendwie Laune machen und irgendwie auch den Menschen abbilden, der das macht. Unter dem Strich ist es einfach nur ‚Musik‘.“
Wer Guildo Horn einmal live erleben möchte, der hat in der Sommersaison und natürlich auch zur Weihnachtszeit wieder Gelegenheit dazu. Außerdem ist er bald in der ARD-Märchenverfilmung zum „Nussknacker“ zu sehen. Im nächsten Jahr wird er auch wieder Theater spielen.