Andrea Berg ist derzeit die erfolgreichste Schlagerkünstlerin Deutschlands: Mit ihrem neuen Album „Mosaik“ ist sie zum dritten Mal hintereinander auf Platz eins in den Charts in Deutschland, Österreich und der Schweiz gelandet. Vom 19. Bis zum 21. Juli findet bereits zum 14. Mal das legendäre „Heimspiel“ in Andrea Bergs Wahlheimat Aspach statt und ab dem 29. November macht die 53-Jährige ein ganz großes Fass auf: Bis ins Jahr 2020 geht die Schlagerkönigin auf große Arena-Tournee durch den gesamten deutschsprachigen Raum. SchlagerPlanet-Redakteur Richard Strobl traf Andrea Berg zum exklusiven Interview im Rahmen des „Herzstück“-Events von Amazon Music in München.
SchlagerPlanet: Herzlichen Glückwunsch zum Chart-Erfolg von „Mosaik“ – mit dem dritten Album in Folge sind Sie in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Platz 1 gelandet. Freut man sich da immer noch so, wie beim ersten Mal?
Andrea Berg: Es ist natürlich schön, da es ja immer heißt, dass niemand mehr Platten verkaufen würde, der Markt kaputt sei und, wenn überhaupt, nur noch gestreamt werde. In „MOSAIK“ haben wir das Leben in seiner Gänze – mit den hellen und dunklen Mosaiksteinchen - eingefangen. Dass die Songs und die Texte die Menschen so berühren und sie viel Kraft aus meiner Musik ziehen können, ist ein unglaublich tolles Gefühl.
SchlagerPlanet: Haben Sie den Erfolg gefeiert?
Andrea Berg: Ja, ich habe mit meiner Familie und meinen Freunden bei uns im Hotel Sonnenhof gefeiert. Es ist sehr wichtig, dass man diese Dinge mit den Menschen teilt, die einem wichtig sind, dass man kurz inne hält und diesen Moment einfach kurz zelebriert.
SchlagerPlanet: Wie gelingt es Ihnen denn nach 25 Jahren immer wieder Songideen zu finden, die die Leute so erreichen, dass ein solcher Erfolg zustande kommt?
Andrea Berg: Ich glaube der Trick ist, dass es eben kein Trick ist, sondern, dass man das Leben einfach seinen Weg gehen lässt. Es sind jetzt über zweieinhalb sehr intensive und lebendige Jahre gewesen. Die Reaktionen der Leute, das, was wir erleben, während wir die Lieder aufnehmen: Wenn man das mitnimmt, den Moment genießt, wachsam und aufmerksam ist, dann gibt dir das Leben die Themen schon von selbst vor.
SchlagerPlanet: Auch bei den letzten großen TV-Shows bekamen Sie vor Ort Unterstützung von ihrem Mann Uli Ferber. Planen Sie das im Vorhinein, wer wen wohin begleitet?
Andrea Berg: Auftritte auf dem roten Teppich sind nicht so Ulis Ding. Umso mehr freut es mich, wenn er mich zu den Auftritten begleitet.
Wenn ich früher zu einer Fernsehshow gegangen bin und dort drei Tage bei den Proben in der Garderobe saß, dann habe ich immer ein wenig ein schlechtes Gewissen der Schöpfung gegenüber gehabt. Ich weiß ja nicht, wie viel Zeit mir noch bleibt. Man sollte deshalb sehr ehrfürchtig mit seiner Zeit umgehen.
Wir haben das dann irgendwann umgedreht und gesagt: Wenn so etwas ist, dann entscheiden wir uns bewusst dafür, das wollen wir jetzt machen – wir gehen etwa zu Carmen Nebel. Dann bleibe ich aber nicht im Hotel oder in der Maske, sondern dann gehen wir zwischendurch mal gemeinsam in die Stadt, trinken dort ein Glas Sekt oder ein gemütliches Bier und sind auch abends zusammen. Dann ist es wieder sehr wertvolle, komfortable Lebenszeit.
Andrea Bergs „Heimspiel“ 2019
SchlagerPlanet: Das 14. „Heimspiel“ steht am 19. und 20. Juli im Kalender. Steht die Show schon?
Andrea Berg: Alle Gewerke arbeiten noch. Die Bühne ist schon gezeichnet, also weiß ich schon, was dort dann stehen wird. Die Setliste steht, wir haben die neuen Songs ausgewählt, die Band probt schon, in dieser Woche haben wir uns wieder getroffen. Die Kostümplanung läuft auch gerade noch. Und ich bin gerade in der Sport-Phase, damit ich da auch wieder reinpasse (lacht).
SchlagerPlanet: Können Sie schon etwas zur Show verraten? Gibt es wieder Gäste?
Andrea Berg: Kannst Du ein Geheimnis für Dich behalten? (lacht) Also ich werde einen Gast haben, eine(n) ganz tollen Kollegen/Kollegin. Aber lasst euch überraschen.
SchlagerPlanet: Das „Heimspiel“ ist ja vor der Tour. Probieren Sie dort Dinge aus und übernehmen diese für die Tournee, wenn sie funktionieren?
Andrea Berg: Ja klar, auch bei kleineren Auftritten bei uns im Sonnenhof oder beim „Heimspiel“ kann man super Dinge ausprobieren. Die neuen Songs zum Beispiel. Dieses Mal sind es ja fünf große Sommer-Shows, bei denen man ausprobieren kann. Aber dann geht es schon bald in Richtung MOSAIK-Live Arena Tour und es laufen parallel die Planungen für die neue Show und die neue Bühne. Klar ist es schön, wenn man einige Dinge mal antesten kann und dann entweder in die Tonne kloppt oder sagt: Das ist geil, das können wir mit auf Tour nehmen.
SchlagerPlanet: Gibt es denn schon Fakten für die Tour? Wird es einen Gast oder einen Support-Act geben?
Andrea Berg: Bei der Tour werde ich ganz alleine sein mit meiner Band und meinen Tänzern. Da werden wir einen Abend lang alles andere ausblenden und einfach Musik machen. Das Schöne an einem Andrea-Berg-Konzert ist ja diese Stimmung, diese Harmonie, dieses Gefühl: Du kannst hin gehen und du bist nicht alleine – wie eine große Familie.
SchlagerPlanet: Wie ist denn jetzt der Kontakt mit Dieter Bohlen?
Andrea Berg: Super, total entspannt. Er geht ja jetzt auf Tour, macht Musik, hat zwei kleine Kinder und ist so richtig angekommen. Auch wenn sich das blöd anhört, weil es nach Ende klingt. Aber ich denke, dass er gerade in einer schönen Phase ist, in der er sich sehr wohl fühlt und sehr viel Energie hat. Das ist prima.
SchlagerPlanet: Dieter Bohlen hat ja angekündigt, dass er auch ein Andrea-Berg-Lied auf seinen Konzerten spielen wird. Das ist aber in Ordnung für Sie, oder?
Andrea Berg: Ja, er hat auch gesagt, dass er sich eine rote Perücke dazu aufsetzt. Das werde ich mir natürlich ansehen.
SchlagerPlanet: Also besuchen Sie ein Bohlen-Konzert?
Andrea Berg: Ja selbstverständlich. Aber alles heimlich (lacht).
Umgang mit Social Media
SchlagerPlanet: Sie sind sehr aktiv auf ihren Social-Media-Kanälen und geben teils auch sehr private Einblicke, etwa während ihrer Afrika-Reise im vergangenen Jahr. War es eine bewusste Entscheidung, die Leute daran teilhaben zu lassen oder ist das Teil des Jobs?
Andrea Berg: Ich finde es einfach schön, weil es nicht inszeniert, sondern authentisch ist. Wenn ich meine Songs authentisch aus dem Leben schreibe, wenn ich die Menschen in den Arm nehme, wenn ich ihnen begegne, echt, aus Liebe, dann kann ich da nicht irgendwo Schluss machen.
Ich finde es auch wirklich toll, die Menschen an meinem Glück teilhaben zu lassen. Denn Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt. Auf der anderen Seite: Wenn es schmerzliche Erfahrungen gibt, gibt es auch dafür Songs, die einem sagen, man ist eben nicht der einsamste Mensch auf der Welt. Auch da hilft es zu teilen.
Ich habe zum Beispiel auch den Verlust geteilt, als meine Tochter während ihres Auslandssemesters weg war. Wie komisch sich das für mich anfühlte, wie traurig ich war, wie ich Angst hatte, als ich zum ersten Mal gemerkt habe, was meine Eltern durchgemacht haben, als ich nachts nicht nach Hause gekommen bin. All diese Dinge sind ein Stück Entwicklung und diese bewusst wahr zu nehmen und dann auch zu teilen, ist glaube ich ein großes Stück Freiheit von mir, das ich mich vorher oft nicht getraut habe.
Ich glaube, wenn man sich einmal hingibt und sagt: So bin ich, ich kann es nicht besser und wenn mich jemand nicht mag, ist das nicht mein Problem - das ist ein großer Befreiungsschlag für die Seele.
SchlagerPlanet: Lesen Sie sich die Kommentare unter ihren Postings durch?
Andrea Berg: Ich sehe mir das schon an. Aber ich gucke da nicht jeden Tag rein. Ich habe jetzt auch bestimmt über eine Woche nicht reingeschaut, weil ich im Garten beschäftigt war mit Blümchen pflanzen. Aber wenn ich mal lange im Auto unterwegs bin, dann gucke ich da schon durch.
Manchmal ist unter 400 Kommentaren einer dabei, der irgendeinen Mist schreibt. Früher hätte ich mir darüber lange Gedanken gemacht, aber da bin ich in den letzten Jahren viel gelassener geworden. Im Grunde genommen ist das ja nicht mein Problem. Ich gebe mich, so wie ich bin und wenn mich jemand nicht gut findet oder meine Musik nicht mag, kann ich trotzdem ruhig schlafen und muss mir darüber keinen Kopf machen.
SchlagerPlanet: Es ist die Frage, ob man das überhaupt komplett abschalten kann.
Andrea Berg: Man muss sich manchmal kopfschüttelnd ansehen, was manche Leute schreiben. Da sitzt dann ein Mensch, der wahrscheinlich gerade solche Probleme mit sich selbst hat, dass er der Berg einen reindrücken muss. Das hat mit mir persönlich, glaube ich, gar nichts zu tun.
Ich bin jemand, der Musik macht, Unterhaltungsmusik. Wenn jemand meine Platte nicht kaufen will, dann kauft er sie sich nicht, wenn ich im Fernsehen bin, dann schaltet er einfach um. Das ist etwas, was ich in meinem Kopf ausschalten muss: Es kann nicht sein, dass dich alle mögen. Das war früher manchmal mein Problem.
Trennung von Andreas Ferber als Manager
SchlagerPlanet: Sie haben die berufliche Trennung von ihrem Stiefsohn als Glücksfall in Verkleidung bezeichnet. Wie genau haben Sie das gemeint?
Andrea Berg: Mit Andreas habe ich zwar einen Manager verloren, aber einen Sohn zurückgewonnen. Das ist viel wichtiger. Ich brauche nach 26 Jahren auch keinen Manager mehr. Der familiäre Zusammenhalt ist viel, viel mehr wert als irgendwelche geschäftlichen Dinge. Das Wichtige ist, dass wir vor allem in dieser innerfamiliären Konstellation jetzt wieder diese Homebase haben, diese Trutz-Burg von: Da ist Familie und alles andere ist draußen.
SchlagerPlanet: Sie sind jetzt seit 26 Jahren im Geschäft: Wie hat sich denn die Schlager-Welt aus Ihrer Sicht verändert? Braucht es heute andere Dinge, die es früher vielleicht nicht gebraucht hat?
Andrea Berg: Ich kann mich noch erinnern, als ich damals angefangen habe, gab es Wolfgang Petry und mich, die gesagt haben, wir machen ein Konzert. Wir waren die beiden, die einfach raus gegangen sind und Musik gemacht haben. In der Zwischenzeit haben sich auch die Shows in Deutschland verändert. Sie sind viel größer geworden, viel aufwendiger.
Es gibt zwei Dinge, die ganz wichtig sind. Erstens: Ich kann noch so viele Raketen in den Himmel schießen. Wenn ich es ohne die Raketen nicht schaffe, die Herzen der Menschen zu berühren, helfen die mir auch nichts. Und zweitens – das hat mir Lionel Richie vor ein paar Jahren gesagt, mit dem ich in den USA zwei Songs aufgenommen habe -, er meinte: Ihr Deutschen seid in manchen Dingen echt komisch und steckt euch so sehr in Schubladen. Der eine will mit dem anderen nichts zu tun haben. Das Geile daran, Musiker zu sein, ist es, sich mit jemandem bloß mit der Gitarre hinzusetzen und Musik zu machen. Das ist das Schönste auf der Welt.
Ich habe das eigentlich auch immer genau so gemacht. Wer es nicht schafft, sich mit einer Gitarre und nackten Füßen an ein Lagerfeuer zu setzen und die Leute zu fesseln, der braucht auch keine Riesen-Shows.
Ich mache natürlich gerne große Shows, das macht mir sehr viel Spaß, zum Beispiel tolle Kostüme zu tragen. Aber mir hat einmal ein sterbender Mensch in meinem Hospiz gesagt: Der schönste Moment bei einem Konzert von mir, das er gesehen hat, war, als ich nachdem der Vorhang schon zu war, mit nackten Füßen, nur mit meinem Gitarristen wieder nach vorne an den Bühnenrand kam und „Weißt du wieviel Sternlein stehen" gesungen habe. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen, das hat mich tief berührt.
Ich glaube, früher konnte man vielleicht noch so ein Kult-Star sein. Aber heute bist du so gläsern und durchschaubar. Da kannst du nichts mehr inszenieren. Das merken die Menschen, die kriegen dich mit, die sehen dich. Deswegen glaube ich, wenn du einfach nur du selbst ist, ist es auch nicht anstrengend. Aber wenn man versucht, jemand anderes zu sein oder sich ein Image aufdrücken lässt, dann kann man das nicht lange durchhalten. Das funktioniert nicht.
Das Problem mit dem Playback
SchlagerPlanet: Nach der letzten Carmen Nebel-Show gab es einen kleinen Aufschrei wegen des Playback-Gesangs, wobei Sie dort live gesungen haben. Wie stehen sie zu Playback-Auftritten?
Andrea Berg: Es ist viel anstrengender, denn ich höre mir ja nicht ständig meine eigenen Platten an. Ich mache Musik. Das heißt, ich kann gar nicht wie ein Fisch im Aquarium eins zu eins zu meinen eigenen Songs die Lippen bewegen. Es ist ja auch die Freiheit in der Musik, etwas anders zu phrasieren.
Dann heißt es aber oft: Das geht technisch nicht, das ist viel zu aufwendig. Damals, bei der „ZDF Hitparade“, hatte man noch riesige Tonbänder mit der Musik und dann konntest du dazu live singen. Wo ist das Problem?
Ich habe mich darüber oft geärgert. Mit Andy Borg habe ich zum Beispiel mal ein Duett gesungen, „Ein Schiff wird kommen“. Das Lied hörte auf und wir standen da, ich habe meinen Arm mit dem Mikro über meinem Kopf – auf einmal wurde ein Da Capo eingespielt (Anm. d. Redaktion: Teil des Liedes wird wiederholt). Wenn ich live gesungen hätte, hätte ich wieder einsteigen können.
So etwas ist mir einfach furchtbar unangenehm und die Leute meinen, dass man nicht singen könne. Ich werde in Zukunft überall da, wo es möglich ist, live singen. Es ist ein viel intensiveres und viel emotionaleres Erlebnis.
Ich bin immer live unterwegs und singe bestimmte Dinge dann live anders – das entwickelt sich auch. Das ist ja auch das Schöne: Du kannst mal jemand anderes singen lassen, kannst mal einen anderen Text singen, kannst anders phrasieren – das ist Musik machen!