Gutes kann so einfach sein. Ständig entstehen neue Genres und Subgenres, die auf den jeweiligen Zeitgeist reagieren, doch wenn man genau hinhört, setzt sich im Neuen oft wieder das Bewährte durch. Warum also nicht gleich die ganze Formel auf den Kopf stellen, um aus der Kombination von Bewährtem und Bewährtem etwas Neues zu generieren? Das haben sich zumindest Phil Ohleyer und Chris Dunker gesagt, die bereits mit ihrer Band Phoenix West deutsche Texte im fulminanten Orchestergewand präsentierten.
Die beiden verkuppeln verschiedene Zustände von Oldtime Jazz aus den Goldenen Zwanzigern mit dem Rap deutscher Prägung von heute. Das Ergebnis fühlt sich an, als hätten Goldmeister ein Elixier gefunden, das seit mindestens 20 Jahren auf der Hand liegt, das aber niemand zu greifen wagte. Denn wie von Zauberhand verbinden sich die Songs aus der Feder von Peter Fox, den Fanta 4, Fettes Brot, Jan Delay und anderen nebst einer Eigenschöpfung „Ihr Tattoo“ mit fröhlichen Breitseiten von Brass, Banjo und Klavier zu einem ebenso organischen wie virulenten Future-Mix der gehobenen Art. Kurz vor der Schwelle der Zwanziger Jahre des 21. Jahrhunderts gilt es, aus dem Füllhorn verschiedener Traditionen progressiver Tanzmusik den Partysound der Zukunft zu formulieren.
Goldmeister kombinieren Jazz und Rap
Auf dem Papier lässt sich freilich nur schwer in Worte fassen, warum die beiden Komponenten Rap und Oldtime Jazz hier so gut zusammenfließen, denn der Sound und die Grooves gehen über Bauch und Beine in den Blutkreislauf, nicht über den Kopf. In Amerika hat es vergleichbare Kombinationen schon gegeben, unter anderem von der Dirty Dozen Brass Band aus New Orleans, aber in Deutschland betreten Goldmeister völlig neues Terrain. Gerade was die Anwendung deutscher Texte auf Swing- und Dixie-Grooves betrifft, können sie ja auf den reichen Erfahrungsschatz des deutschen Jazz vor 1933 zurückgreifen. Den Begriff des Oldtime Jazz fassen sie dabei keineswegs eng. Gerade von der Jazzseite handelt es sich um ein ganzes Bündel von Stilistiken, das beim Dixieland der mittleren Zwanziger anfängt, sich über den Chicago Jazz und Swing fortsetzt und sich bis zum Lounge- und Party Jazz der Sechziger Jahre erstreckt. Die Einflüsse reichen von Louis Armstrong über Bix Beiderbecke bis zu den legendären Soundtracks von Peter Thomas, aber all das passiert nicht losgelöst voneinander, sondern ergibt ein starkes Ganzes. Für jeden ihrer Songs finden Goldmeister genau das passende Vehikel, damit die Raps mit Pauken, Trompeten und Karacho über den Tanzboden schwingen.
Mit dem infektiösen Powersound der Ragtime Bandits aus Hamburg bündeln Goldmeister diese temperamentvollen Meisterwerke zu einem Feuerwerk der Jahrzehnte. Aus einer Idee im verrauchten Hinterzimmer einer Hamburger Kneipe ist Deutschlands verrückteste Tanzbodensensation geworden. Produziert wurde das erste Goldmeister-Album übrigens vom ehemaligen Team um Roger Cicero.
Das Debüt-Album „Alles Gold“ von Goldmeister erscheint am 22. Juni.