Für ihr Geburtstagskonzert hat Nina Hagen einen Veranstaltungsort gewählt, in dem man die Künstlerin wahrscheinlich nicht sofort vermuten würde. Das Berliner Ensemble ist mit seiner goldverzierten, neobarocken Architektur extrem schick. Draußen stehen die Gäste Schlange und zwischen spießigen Rollkragenträgern und Gothikfans tummeln sich bereits die Kamerateams um die ersten Aufnahmen zu machen.
Doch beim näheren Betrachten ist der Ort perfekt gewählt. Das Theater am Schiffbauerdamm ist bekannt für Stücke von Bertolt Brecht, um jenen es sich beim Konzert thematisch dreht, aber auch Nina Hagen selbst passt zu dieser edlen Fassade des Ortes. Ihr verrückter Gothiklook harmoniert mit dem historischen Gebäude – irgendwie ist Nina Hagen schrill und schick zugleich.
Das Geburtstagskind lässt ein wenig auf sich warten, das Konzert in Berlin beginnt später als geplant. Doch als der rote Vorhang aufgeht, jubelt der Saal. Nina Hagen begrüßt die Zuschauer zum „Liederabend mit der Klampfe“, ohne dabei zu vergessen ihr Idol Brecht in den höchsten Tönen zu loben. Schon nach den ersten Minuten wird klar, dass Nina Hagen den Dichter vergöttert. Denn Bertolt Brecht und Nina Hagen haben etwas gemeinsam: beide stehen für Frieden, Freiheit und Nächstenliebe und prangern Ungerechtigkeiten an. Ihr Geburtstagskonzert nutzt sie dafür, alles was ihr wichtig ist zu präsentieren.
Im ersten Teil des Konzerts geht es vornehmlich um den Künstler Brecht und seine Lieder. „Lob des Lernens“ steht im Programm, genauso wie „Kinderhymne“ und „das Solidaritätslied“.
Für letzteren Song holt Nina Hagen die Schauspielerin Meret Becker auf die Bühne. Gemeinsam singen sie lauthals den Vers „Vorwärts und nicht vergessen und die Frage konkret gestellt beim Hungern und beim Essen: Wessen Morgen ist der Morgen? Wessen Welt ist die Welt?“
Die Stimmung kippt kurzzeitig
Nina Hagen kündigt internationale Gäste an, die ihr viel bedeuten - dann fällt der Vorhang für eine kurze Pause.
Der zweite Teil des Konzerts beginnt zunächst spannend und auch lustig: Ein Video mit tanzenden, nackten Menschen wird gezeigt und die Botschaft der Patientenverfügung wird humorvoll verpackt. Nina Hagen steht seit Jahren für die „Patverfü“ - die Leute vor Entmündigung schützen soll und ihr Recht auf Selbstbestimmung stärkt.
Meret Becker ist weiterhin zu Gast und Nina holt drei Afghanische Gäste auf die Bühne, darunter auch Rahman Nadjafi von „KUFA e.V.“. „Das Trauerspiel von Afghanistan“ wird gespielt und Ninas Gäste spielen ihr zum Geburtstag ein Lied auf afghanischen Instrumenten wie der Rubab – eine Art Laute. Das Zusammentreffen wird für eine politische Nachricht genutzt: Nina Hagen ist Schirmherrin des Vereins und es ist ihr wichtig, dass Afghanistan Frieden erfährt. KUFA e.V baut medizinische Versorgungsstätten auf und engagiert sich darin, den Afghanen Hilfe zu bieten. Die flammenden Reden ufern leider etwas aus, sodass man als Zuschauer ein bisschen den Faden verliert und das Konzert zwischendurch zu ernst wird. Bedrückung und Mitgefühl ist den Zuschauern anzumerken und die Stimmung kippt zwischenzeitlich.
Grandioses und lustiges Finale
Zum Finale des Konzertes hin wird es jedoch noch richtig lustig. Nina Hagen tanzt und singt Rock’n‘Roll und vor allem ihre Familie bringt ordentlich Witz auf die Bühne. Tochter Cosma stürmt mit ein paar Freundinnen die Bühne – überrascht ihre Mutter mit „Du hast den Farbfilm vergessen“, „Je veux“ von ZAZ und „Somewhere over the rainbow“. Auch Mutter Eva-Maria Hagen ist zu Gast und singt mit Nina gemeinsam „Das Lied der Moldau“.
Dann bekommt man einen kleinen Einblick in das Familienleben der drei Hagens: Mutter Eva kramt eine Geschichte über Ninas Entstehung und Geburt hervor, während der Star des Abends kindlich auf dem Boden sitzt und mit einem Stofftier spielt und auf einer Klingel rumdrückt. „Hör zu!“ ermahnt Eva-Maria Hagen, als Nina beim Vorlesen des spannenden Akts ihrer Entstehung laut „Ich will das nicht hören“ schreit. „Pass mal auf, was die Bildzeitung morgen wieder über unseren Auftritt schreibt!“, resümiert Mutter Hagen. Jetzt weiß man, dass Nina Hagen bei ihrer Geburt vor 60 Jahren 3970 Gramm wog und später als geplant zur Welt kam.
Das Konzert bekommt ein spaßiges Highligt und hinterlässt beim Fallen des Vorhangs ein Lächeln auf dem Gesicht.
Nina Hagen Geburtstagskonzert war facettenreich. Ernsthaft, schrill und verrückt – doch auch irgendwie schreiend komisch. Alles Gute zum 60. Geburtstag, Nina Hagen!