Gestern Abend luden Hans Sigl und Christof Hintze im Rahmen ihres Live Satire Talks einen ganz besonderen Gast ein. Einen Mann, den es von Südafrika über Großbritannien nach Deutschland trieb. Einen Mann, der seit nun mehr fünf Jahrzehnten die Frauenherzen zum Schmelzen bringt und dennoch ein Mann ist, der niemals in Oberflächlichkeiten verharrte, wie er in den vergangenen Wochen bewies und am gestrigen Abend manifestierte. Howard Carpendale fand sich auf der braunen Ledercouch von Hintze & Sigl ein, als das Satire-Duo im Freiheiz München seinen Talk zum Thema „Das ist unsere Zeit“ präsentierte. Ambivalent, vielfältig und thematisch offen war das zwei Stunden andauernde Spektakel.
Im Zeichen der Zeit
Die „Zeit“ ist wohl des Menschen größtes Gut. Offenbar entschieden viele Menschen ihre Zeit im Freiheiz mit Christof Hintze und Hans Sigl zu verbringen. Sitzplätze für Handtaschen sollte es an diesem Abend nicht geben: Die schicke Location schien bis auf den letzten Platz belegt. Die vornehmen schwarz-silbernen Stühle in dem ehemaligen Heizkraftwerk des Münchner Hauptbahnhofs boten eine Lehne für ein bunt gemischtes Publikum: Dirndl, elegante Abendkleider aber auch der legere Couchlook fanden zwischen den historischen Backsteinmauern zueinander. Auch die Symbiose von Aperol Spritz und Strohhalm fiel hier auf fruchtbaren Boden. Distanz und Eingefahrenes sollte nicht das Thema dieses Abends sein. Vier Uhren säumten das Bühnenbild, in welchem sich Howard Carpendale nach kurzer Anlaufphase sichtlich wohl fühlen sollte. Hier verging die Zeit schnell, und dennoch war sie allgegenwärtig.
Zeit für Satire
Schauspieler Hans Sigl, vor allem bekannt als der „Bergdoktor“, und Christof Hintze, Autor und Kommunikationsfachmann stellten den Abend unter das sympathische Motto „Das ist unsere Zeit“, was sie auch liebevoll als „Wie kriegen wir den Abend rum?“ bezeichneten. Die beiden entschieden sich dazu den Abend rumzukriegen, in dem sie, vorerst zu zweit, über die Aspekte im Leben diskutieren, die von der Zeit beeinflusst werden. Also gewissermaßen Gott, die Welt, Insekten und eigentlich alles. So versetzte sich das Duo in das Leben einer Eintagsfliege, diskutierte verschiedene profitable Wege effizient Zeit zu sparen und klagte von den Zeichen der Zeit, die sich nach Ansicht von Hans Sigl vor allem im Profil eines Mannes wiederfinden; Bierbäuche, Doppelkinn und Halsfalten lassen grüßen.
Seine Zeit
Nachdem Hintze & Sigl bereits etwa eine Stunde für eine hohe Lachfrequenz gesorgt hatten, war es seine Zeit. Howard Carpendale betrat die Bühne und sofort setzte ein tosender Applaus ein. Schon bald äußerte er, dass es für ihn ein „schöner, seltsamer Tag“ sei. „Normalerweise weiß ich immer, warum ich irgendwo bin. Heute habe ich überhaupt keine Ahnung. Ich trau der Sache noch nicht!“, meinte er. Und tatsächlich zu Beginn schien das neue Trio einige Startschwierigkeiten zu haben. Howard Carpendale steckte in der Zwickmühle: An diesem Abend leicht melancholisch wirkend sprach er über die Apartheid in Südafrika oder seine Zeit beim Militär – niemals ohne sich für das ernste Thema zu entschuldigen. Doch Howard Carpendale betonte „ich habe meinen Spaß im Leben“. Und das war zu bemerken: Seine humorvollen Einsätze erfolgten stets spontan, ungezwungen und charmant. Und als er gemeinsam mit Hans Sigl und seiner Band sang, blühte er so richtig auf. Der Backsteingesäumte Raum tobte, die Menschen erhoben sich und waren perplex von so viel Einsatz von Howard Carpendale, der sich am gestrigen Abend nochmals als Elvis-Imitator profilierte, wie er zu Beginn seiner Karriere als Jungspund getan hatte.
Fazit: Keine Zeitverschwendung
Als „Abend der großen Männer“ bezeichneten Hintze & Sigl die gestrige Veranstaltung. Tatsächlich bewies Howard Carpendale seine Größe. Er schreckte nicht vor politischen Statements und war bereit in tiefe Abgründe seiner Vergangenheit abzutauchen. Er selbst schien es teilweise zu bedauern, den satirischen Abend mit ernsten Anekdoten gespickt zu haben, jedoch hingen Gastgeber und Zuschauer an seinen Lippen. Ein großer Mann, der von seiner Vergangenheit sprach, diese rekonstruierte und sich nicht versteckte. Seine zeitweise vorherrschende Melancholie ging nicht zu Lasten der Lachdichte, denn wenn Howard Carpendale in die Humoroffensive ging dann aus dem Hinterhalt und ohne Vorwarnung. „Ich liebe schöne Witze!“, sagte der 69-Jährige. Das war zu spüren und am Ende meinte er: „Das war einfach schön!“
Das schlimmste für eine Show über Zeit wäre sie als Zeitverschwendung zu deklarieren. Christof Hintze und Hans Sigl trugen für einen abwechslungsreichen Abend Sorge, der vor allem durch seine inhaltliche Offenheit bestach.